Entscheid zu Glasfasernetzen bis Sommer
Die Wettbewerbskommission (Weko) will bis zum Sommer ihre Vorabklärungen zu den geplanten Glasfasernetzen in den grössten Schweizer Städten abschliessen. Damit dürfte die Arbeit der Weko wie letztes Jahr vom Telekommunikationsmarkt geprägt werden. Zudem wünscht sich der neue Direktor eine verstärkte Zusammenarbeit mit der EU.
In den Städten Zürich, Basel, Bern, Luzern, St. Gallen und Genf plant die Weko mit den jeweiligen städtischen Elektrizitätswerken ein Glasfasernetz zu bauen. Die Vertragspartner legten ihre Verträge der Weko vor, was nun zu elf Verfahren geführt hat: Aus Sicht der Weko könnten allerdings einzelne Klauseln in den Verträgen den Wettbewerb behindern (Mehr dazu in untenstehendem Kasten). Die Behörde habe zum Ziel, die Verfahren bis zum Sommer gemeinsam abzuschliessen, erklärte -Direktor Rafael Corazza anlässlich der Jahresmedienkonferenz in Bern. Ziel der Vorabklärungen sei es, die Chance auf Wettbewerb zu wahren, so Corazza. Mit der Glasfaserinfrastruktur entstehe das Netz der Zukunft für Telekomanbieter. Für die beteiligten Unternehmen wolle die Behörde Rechtssicherheit schaffen.
Zum geplanten Glasfasernetz der Swisscom und der Groupe E im Kanton Freiburg ist ein Entscheid der WEKO schon in den kommenden Wochen zu erwarten. Das Projekt ist jedoch anders konzipiert als die Vorhaben in den sechs Städten, denn die Swisscom und Groupe E haben ein Gemeinschaftsunternehmen gegründet.
Dauerbrenner Submissionsabsprachen
Weitere Schwerpunkte der Weko werden im 2011 die Parallelimporte und der Internet-Handel bilden. In zwei Verfahren untersucht die Behörde, ob Unternehmen versuchen, den Direktimport ihrer Waren aus dem Ausland zu verhindern. Red und Antwort stehen müssen der Autokonzern BMW und der Kamerahersteller Nikon. Beim Online-Handel strebt die Behörde einen Grundsatzentscheid an. Sie klärt ab, ob die Haushaltgerätehersteller Electrolux und V-Zug ihre Händler beim Internetverkauf einschränken.
Ein Dauerbrenner sind zudem die Submissionsabsprachen in der Bauwirtschaft: Diesbezüglich läuft schon seit längerer Zeit ein Verfahren über mögliche Absprachen im Strassen- und Tiefbau in den Kantonen Zürich und Aargau.
Zusammenarbeit mit EU
Letztes Jahr verbot die Weko die Fusion der Telekomkonzerne Sunrise und Orange. Weko-Präsident Vincent Martenet, der Mitte 2010 sein Amt antrat, sieht den Entscheid aufgrund der jüngsten Entwicklung bestätigt, wie er mit Verweis auf die guten Geschäftszahlen von Sunrise sagte. Des Weiteren begrüsste der neue Präsident die Mitte März eingeleiteten Verhandlungen der Schweiz mit der Europäischen Union über eine engere Zusammenarbeit der Wettbewerbsbehörden. „Die fehlende Zusammenarbeit führt zu vielen Doppelspurigkeiten“, sagte Martenet. Er verwies auf eine in der Schweiz abgeschlossene Untersuchung gegen Hersteller von Komponenten für Heiz-, Kühl- und Sanitäranlagen. In der EU sei in der gleichen Angelegenheit noch ein Verfahren im Gange. Ziel des angestrebten Abkommens mit der EU sei aber nur eine bessere technische Zusammenarbeit, keine Vereinheitlichung der Regeln, betonte der Lausanner Rechtsprofessor. (mai/sda)
Heikle Klauseln
Die Glasfaser-Verträge der Swisscom mit den städtischen Elektrizitätswerken enthalten aus Sicht Weko vor allem drei Klauseln, die schwierig sein dürften. Sie stehen im Zentrum der Vorabklärungen der Weko:
In der ersten problematischen Klausel geht es darum, dass die Swisscom will mit den örtlichen Elektrizitätswerken in den Städten Zürich, Basel, Bern, Luzern, St. Gallen und Genf Glasfaserleitungen mit vier Fasern verlegen will. Eine oder zwei Fasern sind der Swisscom vorbehalten. Die übrigen Fasern können die Elektrizitätswerke an andere Telekomunternehmen vermieten. Fasern im Rohzustand – das heisst, ohne die notwendige technische Ausstattung - dürfen nur die Elektrizitätswerke vermieten. Es entstünde ein Monopol bei dieser Leistung, so Weko-Direktor Rafael Corazza.
Die zweite Klausel besagt, dass kein Telekomunternehmen die Fasern im Rohzustand zu besseren Konditionen mieten kann als die Swisscom.
Und die dritte Klausel beschreibt einen Ausgleichsmechanismus: In allen sechs Städten schultert die Swisscom jeweils rund 60 Prozent der Investitionen, die restlichen 40 Prozent der Kosten übernehmen die Elektrizitätswerke. Übertrifft aber nun der Marktanteil der Swisscom oder des Elektrizitätswerks (via dessen Kunden) den Investitionsanteil, sehen die meisten der Verträge Entschädigungszahlungen vor. Dies wäre beispielsweise der Fall, wenn die Swisscom mehr als 60 Prozent des Marktes kontrollieren würde.
Die drei Klauseln seien je nach Vertrag verschieden formuliert, gälten aber in unterschiedlicher Form für die allermeisten der sechs Vereinbarungen, so Corazza. Es seien die einzigen Klauseln, die von der WEKO möglicherweise mit Sanktionen geahndet werden könnten. Daneben gebe es in den Verträgen aber noch weitere problematische Aspekte. (sda)