Ein rundes, helles Jubiläum
Das Timing hätte besser nicht sein können: An einem Montagmorgen Ende Februar demonstrierte das Bundesamt für Strassen (Astra) vor den Medien, wie die alte Betonfahrbahn der A1 bei Lenzburg AG per Fallbeil zertrümmert wurde (siehe Baublatt 9/2011). Der rund 50 Jahre alte Belag hatte der Strecke ihren wenig schmeichelhaften Spitznamen «Buckelpiste» eingetragen und dem Beton als Strassenbaustoff viel schlechte Presse verschafft.
Wenige Stunden später lud in Suhr AG, wenige Kilometer westlich der A1-Baustelle, die IG Betonstrassen zu einem Pressetermin der völlig anderen Art: Man feierte die Einweihung des 100. Betonkreisels der Schweiz. Georges Spicher, der als Direktor der Geschäftsstelle der Cemsuisse, des Verbandes der Zementindustrie, im Namen der IG sprach, lobte das Jubiläumsrondell bei der Ortseinfahrt als «Beleg für die Qualität und Wirtschaftlichkeit von Betonbelägen.»
Betonkreisel im Kommen
Der Beton als Oberfläche von Kreiseln hat tatsächlich Konjunktur. 2003 wurde in der Zürcher Flughafengemeinde Rümlang der erste derartige Kreisel der Schweiz gegossen. Nur sieben Jahre danach sind bereits 118 der weissen Verkehrsdrehscheiben im Bau oder schon fertig gestellt. Die helle Fahrbahn des Betonkreisels stellt einen seiner Vorzüge dar: Dem Verkehrsteilnehmer wird der Kreisverkehr durch die Farbveränderung unübersehbar signalisiert, zudem greifen die Reifen ist der aufgerauten Betonoberfläche sehr gut.
Der wesentliche Vorteil des Baustoffes Beton besteht aber in seiner Widerstandkraft. Ingenieur Rolf Werner, der den Pionierkreisel plante, führt aus: «Im Kreisel unterliegt die Oberbaukonstruktion sehr hohen Belastungen durch die Flieh- und Bremskräfte vor allem des Schwerverkehrs. Gerade bei Hitze geraten da Asphaltbeläge an ihre Grenzen.» Es war folgerichtig auch ein Hitzesommer, der 2003 zum Bau des ersten Schweizer Betonkreisels führte. Der relativ neue Rümlanger Asphaltkreisel, der täglich 15 000 Fahrzeuge bewältigen muss, davon 1140 Lastwagen, wies schon wieder Schäden auf. Der Kanton Zürich wollte für das Belagsproblem endlich eine dauerhafte Lösung. So gelangte man an Rolf Werner, den Spezialisten für Betonbeläge, der innert kurzer Zeit den Kreisel in Beton plante und realisierte.
25 neue Betonkreisel jährlich
Das Rümlanger Experiment wurde von Vertretern anderer Kantone aufmerksam beobachtet. Vor allem der Aargau zeigte Interesse und war 2004 der zweite Kanton nach Zürich, der es mit der „weissen Lösung“ versuchte. Inzwischen hat sich die Bauweise durchgesetzt: Insgesamt haben 17 Kanton eigene Betonkreisel und pro Jahr werden 20 bis 25 neue erstellt. Wobei die Zürcher bis heute die eigentlichen „Betonköpfe“ in Sachen Kreisel blieben; auf ihrem Kantonsgebiet liegen 55 der 118 Schweizer Betonkreisel, die per Ende 2010 im Bau oder realisiert waren. Der Aargau folgt mit 15 Kreiseln auf Platz zwei.
Wichtigstes verkehrstechnisches Argument für den Kreisel ist die Tatsache, dass er Sicherheit und Kapazität erhöht: Der Verkehr fliesst besser als an ampelgesteuerten Kreuzungen, die Zahl der Unfälle ist deutlich tiefer. Dies zeigen Erfahrungswerte aus ganz Europa. Kommt es dennoch zu einem Unfall, verläuft dieser in der Regel glimpflich, da man rund um den Kreisel mit niedriger Geschwindigkeit unterwegs ist. Als Hauptnachteile von Kreisel sind zum einen der höhere Platzbedarf gegenüber einer Kreuzung zu nennen, zum anderen ist die Führung der Fussgänger und Velofahrer oft schwierig. Bei sehr hohem Verkehrsauskommen kann es zudem zu problematisch langen Rückstaus kommen, wenn Autos lange auf die Einfahrt in den Kreisel warten müssen.
Unfallschwerpunkt entschärft
So entschärft auch der Kreisel Spittel in Suhr einen Unfallschwerpunkt des Kantons. Das Bauwerk ist mit 36 Metern Durchmesser für Schweizer Verhältnisse eher gross, weist aber die übliche Deckendicke von 26 Zentimetern auf. Die Ein- und Ausfahräste sind auf einer Länge von 10 bis 18 Metern ebenfalls in Beton ausgeführt. (siehe Kasten «Betonkreisel»). Auffällig am 100. Kreisel sind die 57 Stelen aus Lärchenholz, die auf der Rondelle im Zentrum stehen: Die Skulptur eines einheimischen Künstlers dient als Schmuck und gleichzeitig als Sichtschutz und somit der Sicherheit. Gekostet hat die runde Verkehrsberuhigung die Bauherren etwa 1,5 Millionen Franken.
So erfreulich die Erfolgsgeschichte des Betonkreisels ist, enthält sie für die IG Betonstrassen auch einen Wermutstropfen. Bei seiner Festansprache konnte sich Cemsuisse-Mann Spicher deshalb einen Seitenhieb in Richtung Bundesbehörden nicht verkneifen: «Seit 1998 setzen wir uns dafür ein, dass bei der Sanierung von Autobahnen nicht nur schwarze Lösungen, sprich solche mit Asphalt, ins Auge gefasst werden, sondern auch weisse, also Beton.» Im benachbarten Ausland seien mehrheitlich hoch belastete Fernstrassen weiss, aber «das ASTRA sieht bei Autobahnen nach wie vor nur schwarz.»
Auch der Aargauer Baudirektor Peter C. Beyeler stimmte in das Loblied auf den Strassenbeton mit ein: «Wir haben im Kanton schon einige Betonkreisel realisiert und alle sind von fantastischer Qualität». Beyeler outete sich als Fan der «weissen Lösung» und meinte, er möge Betonstrassen sehr, «Betonköpfe in der Politik hingegen weniger.» Der Aargauer Landammann gab aber zu bedenken, dass der Strassenbelag auch Probleme mit sich bringe: «Die Lärmentwicklung ist nach wie vor ein Nachteil.» Die Freude am Suhrer Kreisel kann dieser Einwand nicht trüben: Beim Kreisverkehr ist Lärm aufgrund der tiefen Durchfahrgeschwindigkeit sowieso kein Thema. (bk)
Der Kreisel des Grauens in Erfurt
Die Verkehrsplaner der Ostdeutschen Stadt wollten sparen, indem sie die Mittelinsel des Kreisels nur auf die Fahrbahn aufmalten. Das Resultat: Die Erfurter Autofahrer bretterten einfach geradeaus, bogen direkt links ab und befuhren auch sonst den Kreisel auf jede erdenkliche unerlaubte Weise. Die gute Nachricht: Der Kreisel des Grauens ist inzwischen entschärft!
Betonkreisel: Bauweise
«Betonkreisel werden meist als Plattenbeläge ausgeführt», erklärt Ingenieur Rolf Werner. «Die Platten sind untereinander verdübelt und die Querfugen radial angeordnet, um die Last- und Schubkräfte optimal zu übertragen.» Die 25 bis 26 Zentimeter dicken Platten der Fahrbahn werden auf eine gebundene Unterlage aufgebracht, meist eine Asphaltschicht von 8 bis 10 Zentimetern. Wenn die Platte eine gewisse Grösse erreicht, muss der Beton armiert werden, was meist mit Stahlfasern geschieht. «Wichtig beim Bau des Kreisels ist die konstruktive Trennung der Kreisfahrbahn und der Zufahrten», so Rolf Werner weiter. «Dilatationsfugen gleichen hier das unterschiedliche Bewegungsverhalten der beiden Flächen aus.» Der befahrbare, meist leicht erhöhte Innenring des Kreisels muss ebenfalls massiv befestigt sein, da auch er hohen Belastungen ausgesetzt ist. Er wird daher ebenfalls mehrheitlich in Beton ausgeführt.
Die Oberfläche des Betonkreisels, bei dem in der Regel zuerst die Ringfahrbahn und an den Folgetagen die Zu- und Wegfahrten eingebaut werden, erhält am Ende einen kräftigen, rauen Besenstrich, der den Belag griffig macht. Der Einbau der Fahrbahn erfolgt vorwiegend von Hand, Sofern es die Platzverhältnisse erlauben, kommen aber auch Gleitschalungsfertiger zum Einsatz. Bei Betonkreiseln rechnet man mit einer Lebensdauer von rund 40 bis 50 Jahren. Während dieser ganzen Zeit fallen nur äusserst geringe Unterhaltskosten an. Einzig die Fugendichtungen müssen etwa alle 12 bis 15 Jahre erneuert werden. Bei einem Preis von momentan 30 Franken pro Laufmeter Fuge und etwa 500 Laufmeter Fugen pro Kreisel ergibt dies rund Fr. 15 000.