Ein Murgang im Mini-Format sorgt für neue Hochwasserschutz-Erkenntnisse
An einem realitätsgetreuen Modell untersuchten Forschende des Instituts für Siedlungsentwicklung und Infrastruktur der Berner Fachhochschule die Auswirkungen eines Murgangs. Die Resultate brachten neue Erkenntnisse hervor.
Quelle: zvg / Berner Fachhochschule
Projektleiterin Jolanda Jenzer beobachtet den Murgang realitätsgetreuen im Modell.
Lang anhaltende Niederschläge, Schneeschmelze oder durch Erderwärmung: Wenn im steilen Gelände wenig verfestigtes Material wie Geröll oder Schutt wasserübersättigt wird und in Bewegung gerät, entsteht ein Murgang. Oft spricht man dabei auch von einer Schlammlawine, die eine Geschwindigkeit von bis zu 60 Kilometer pro Stunde erreichen kann. Dadurch kann ein Murgang auch höhere Schäden anrichten als beispielsweise ein Hochwasser.
Forschende des Instituts für Siedlungsentwicklung und
Infrastruktur (ISI) der Berner Fachhochschule (BFH) beschäftigten sich kürzlich mit
den Auswirkungen eines Murgangs im Rotenfluegraben im Oberemmental. Im besagten
Gebiet ereigneten sich seit dem Jahr 2000 zwei grössere Murgänge. Die
Untersuchung wurde von der Schwellenkooperation Schangnau in Auftrag gegeben. Sie
ist im betroffenen Gebiet für den Hochwasserschutz zuständig und befürchtete,
dass sich bei einer noch grösseren Schlammlawine das Murgangmaterial in der
Emme ansammeln und zu einer schweren Überschwemmung führen könnte.
Geringe Gefährdung
Nach ihrer Arbeit konnte das Forschungsteam nun aber
Entwarnung geben. «Selbst bei einem Murgang, der nur alle 300 Jahre vorkommt,
ist die Gefährdung durch ein Hochwasser gering», schreibt die BFH in einer
Mitteilung. Bauliche Flächenschutzmassnahmen seien somit nicht nötig.
Für ihre Versuche vermassen die Forschenden das betroffene Gebiet und bauten es im Massstab 1:30 realitätsgetreu nach. Dadurch sei ein Modell mit zehn Metern Länge, 4,5 Metern Breite und einer Höhe von 2,5 Metern entstanden. Auch vom Murgangmaterial seien Proben entnommen worden, sodass dieses für die Versuche ebenfalls im Massstab 1:30 aus Sand, Kies und Wasser gemischt werden konnte.
Quelle: zvg / Berner Fachhochschule
Das Murgang-Modell im Aufbau.
Dieses Gemisch sei dann in unterschiedlich grossen Mengen in den modellierten Rotenfluegraben geschüttet worden. «Bereits von blossem Auge konnte beobachtet werden, wo die Murgänge aus dem Graben ausbrachen, wie viel Material sich im benachbarten Wald ablagerte und wie viel in die Emme getragen wurde», schreibt die BFH weiter.
Lohnenswerter Mehraufwand
Die Versuche am eigens gebauten Modell seien die ersten ihrer Art gewesen, die an der BFH durchgeführt wurden. So hätten die Forschenden ihr Know-how und ihre Kompetenzen durch das Projekt zusätzlich erweitern können und würden Versuche an Modellbauten auch in Zukunft als Dienstleistung im Bereich Flussbau und Naturgefahren anbieten.
«Am Modell können wir nicht nur untersuchen, wie sich Murgänge verschiedener Grössen verhalten. Wir können auch die Wirksamkeit von Schutzmassnahmen überprüfen, in dem wir diese direkt in unserem Modell umsetzen», lässt sich Jolanda Jenzer Althaus, Leiterin des Instituts für Siedlungsentwicklung und Infrastruktur ISI der Berner Fachhochschule BFH, in der Mitteilung zitieren.
Dazu gehöre der Einbau von Murgangsperren oder die
Anpassung des Geländes, so dass der Murgang ausbrechen und dadurch an Kraft
verlieren kann. «Im Gegensatz zu einer reinen Simulation am Computer lässt sich
an einem physischen Modell genauer sagen, was welchen Einfluss auf den Murgang
hat», sagt die Forscherin. «Deswegen lohnt sich der Mehraufwand des
Modellbaus.» (kev)