13:54 BAUBRANCHE

Digitalisierung verstehen lernen

Teaserbild-Quelle: Odilo Schoch

CAS ETH ARC Digital heisst ein neues Weiterbildungsprogramm an der ETH Zürich. Es stärkt die Kompetenzen von Projektleitenden und Verantwortlichen, die sich mit der Digitalisierung im Bauwesen kritisch auseinandersetzen. Laborartig werden Forschungsmethodik, Lehre und Praxis verbunden.

Die erfolgreichen Digital-Teilnehmer im Aalto-Auditorium in Helsinki: Jan Schlaepfer Hausdorff, Philipp Wieting Werknetz Architektur; Luca Mussio, Hoffmann-La Roche Ltd; Frank Wurow, Jordahl H-Bau AG; Thomas Koller, pzm AG; Andreas Gemperle, Rothpletz, Li

Quelle: Odilo Schoch

Die erfolgreichen Digital-Teilnehmer im Aalto-Auditorium in Helsinki: Jan Schlaepfer Hausdorff, Philipp Wieting Werknetz Architektur; Luca Mussio, Hoffmann-La Roche Ltd; Frank Wurow, Jordahl H-Bau AG; Thomas Koller, pzm AG; Andreas Gemperle, Rothpletz, Lienhard + Cie AG; Daniel Meier, pom+ Consulting AG, IFZ; Armin Kaske, Monoplan AG; Sonja Oswald, F. J. Aschwanden AG (von links)

Ein neuer berufsbegleitender CAS-Kurs an der ETH Zürich widmet sich dem digitalen Denken im Bau- und Immobilienwesen, damit die Fachleute handlungsfähig werden. Konkret gilt es, eigene Lösungen zur Digitalisierung erarbeiten zu können und kurzfristige Hypes von langfristigen Veränderungen unterscheiden zu lernen. Der erste Kurs wurde bereits abgeschlossen. Der kleinen und sehr guten Gruppe von acht Teilnehmenden wurden im Herbstsemester via Datenstrukturen und Geschäftsprozesse die allgemeinen und langfristigen Grundlagen vermittelt.

Anschliessend konnten konkrete Erfahrungen renommierter Experten zu diversen Themen wie Baustellenoptimierung, Software, Datenplattformen, Holz-Modulbau, Normierung und auch Building Information Modeling (BIM) kritisch diskutiert werden. Dass BIM samt dem digitalen Bauen nur einen Teil des Kursprogramms ausmacht, ist bewusst gewählt: Die Teilnehmenden sind in leitenden Positionen und müssen aber mit kritischem Wissen die Gesamtintegration von Software und BIM, aber auch Bestellungen und Verträgen verantworten können.

Intensiver Dialog
Die acht Teilnehmenden des berufsbegleitenden des CAS ETH ARC in Digitalisierung des Bauwesens haben nun jenes Wissen, um auch jenseits von BIM Vorteile für Projekt oder Firma aus der Digitalisierung ziehen zu können. Als eines von mehreren kombinierbaren Weiterbildungsprogrammen der ETH -Professur für Architektur und Bauprozess unter der Leitung von Professor Sacha Menz spricht dieser Digital-Kurs Ingenieure, Bauherren, Berater und auch Architekten in leitenden Positionen an. Stets wird auch auf kleine Gruppengrössen von meist maximal 13 Personen geachtet, um den intensiven Dialog und Wissenstransfer zu ermöglichen.

Mit Unterricht im eindrücklichen Neubau «Arch_Tech_Lab» an der ETH Zürich sowie einer Studienreise nach Skandinavien ist auch die Umgebung auf hohem Niveau: Die Teilnehmenden sind umgeben von Innovationen, bei denen nicht mit Vermutungen hantiert wird, sondern Aussagen erst abgesichert und begründet werden. Diese generelle Methodenkompetenz des Begründens ist bei vielen Kursteilnehmern in diesen Programmen übrigens etwas in Vergessenheit geraten, weil nach dem Studium diese Herangehensweise meist zugunsten von intensiver Arbeit in der Firma vernachlässigt wird.

Für alle Verantwortungsträger
Das CAS ETH ARC Digital ist also bewusst kein BIM-Kurs, und es ist für alle Verantwortungsträger des Bau- und Immobilienwesens geeignet. Das Thema wird zwar mit Intensität behandelt, aber von den Grundsätzen der Datenverarbeitung und deren Wirkung auf Geschäftsprozesse, Haftung und Wertschöpfung projiziert. Dadurch kommen in den Studien und Workshops anfänglich Randaspekte wie Ressourcenplanung oder Organisationsformen von Bauprojekten in den Mittelpunkt, weil dadurch ein grösserer (digitaler) Projekterfolg entstehen würde. Diese generische Herleitung praktischer Lösungen ist der Programmleitung wichtig.

Ein Beispiel war, dass vielleicht auch der ausführende Unternehmer die BIM-Planer leiten sollte, weil es im Projekt dort das grösste Wissen gab. Zum digitalen Bauen gibt es zwar zunehmend viele Erfolgsbeispiele, aber Bauherren, Zulieferer und Ingenieure haben dann andere – teils neue – Rollen und Tools in ihren Prozessen, die erst gelernt werden müssen. In einem von jedem Teilnehmenden individuell erarbeiteten Essay wurde eindrücklich dargestellt: die Vielfalt von Themen der Digitalisierung ist gross, trotz wenig gefestigtem Wissen gibt es aber für viele Fragen bereits jetzt vorhersehbare langfristig gültige Lösungen.

Ein Essay beschäftigte sich beispielsweise intensiv mit der Implementierung von digital vernetzten Prozessen in ein Büro der Heizung-Lüftung-Klima-Sanitär-Branche und erarbeitete einen Vorgehensplan inklusive Datenarchitektur, Schulungskonzept, Businessplan, Zielprüfung und vor allem Massnahmen, um die Kollegen und die kritische Geschäftsleitung von den Mehrwerten zu überzeugen.

Stärken und Schwächen benannt
In einer anderen Arbeit analysierte ein bauleitender Architekt sehr strukturiert die Verbesserungsmöglichkeiten für die Informationsverteilung im eigenen Team, indem er Recherchen und Interviews mit Bauleitern anderer Büros machte. Dabei stiess er zwar auf sehr geeignete und teils kostenlose Softwaretools, aber auch auf rein organisatorisches Verbesserungspotenzial der befragten Büros. Auch hier war eine Kernerkenntnis: Digitalisierung ist möglich – und kann sogar Spass machen, aber die Menschen müssen integriert werden, weil sonst nur wenig Mehrwerte entstehen.

Ein weiterer Essay verglich die aktuell realen Planungsprozesse von Bauingenieuren zur Spezifizierung von Armierungen mit idealen BIM-Prozessen, wie sie unter anderem der SIA skizziert. Die Ergebnisse waren sehr aufschlussreich, weil die Stärken und Schwächen sachlich und konkret benannt wurden.

Über ein Dutzend externe Referenten
Das Wissen erhielten die Kursteilnehmenden auch durch mehr als ein Dutzend externe Referenten. Diese berichteten von ihren Erfahrungen. Die besten Workshops waren dabei jene, in denen bereits nach wenigen Folien eine offene und engagierte Diskussion startete. Das war möglich, weil die Gäste oft ein- oder gar zweitägige Workshops mit der kleinen Gruppe machten. Dabei konnte auch über schlechte Erfahrungen gesprochen werden, wie sie beispielsweise bei der BIM-Einführung diskutiert werden: konkret benannte Abhängigkeiten, Versprechungen, Mitarbeiterinvolvierung und so weiter. Das ging nur, weil man sich Zeit nahm und auch die Gäste Freude an den Sichtweisen der Teilnehmer hatten.

Dasselbe galt für Workshops wie beispielsweise jener zu Lean Construction. Das ist ein aufkommendes Thema, das zwar Parallelen zu BIM-Prozessen aufweist, aber auch davon losgelöst zeigt, welch signifikant andere Auffassung von Zusammenarbeit in Planung und Bau eigentlich sinnvoller wäre. In den nachfolgenden Wochen des Kurses wurden die Möglichkeiten neuer Zusammenarbeitsformen auch in Praxisberichten zu BIM-Planung und Ausführung deutlich. Ein Highlight war die kurze, aber intensive Studienreise nach Helsinki. Finnland zählt zu den BIM-Pionieren mit weltweiter Strahlkraft.

Teilnehmer wie Kursleiter und finnische Referenten waren erstaunt: Die Neulinge aus der Schweiz konnten mit den finnischen Kollegen auf Augenhöhe diskutieren und deren Erfahrungen mit eigenen Sichtweisen im Dialog ergänzen: Weil die Grundlagen verstanden wurden und die Finnen konkret nun viele Erfahrungen haben – aber auch noch nicht alle Probleme gelöst haben.

Von Finnland lernen
Der Vorteil der Studienreise: Die finnischen Experten haben mehr als 15 Jahre Erfahrung in digital gestütztem Bestellen, Managen und Entwerfen. Wichtige BIM-Software wurde dort entwickelt. Und man vertraut dem kritischen Urteil dieser Fachleute dadurch mehr, wenn es zum Beispiel um Probleme geht, die in der Schweiz von manchen Exponenten als gelöst gesehen werden. Beispiele für die Herausforderungen sind Attributsbezeichnung und die Art der BIM-Bestellung durch Bauherren. Dementsprechend glaubhaft sind aber auch erprobte Lösungen, beispielsweise zu Dateiformaten, Datenorganisation und ganz neuen rationalen Geschäftsmodelle.

Im kommenden Kurs geht die Studienreise mit grösster Wahrscheinlichkeit nach Oslo. Norwegen ist ein weiterer Pionier des digitalen Bauens, der zudem erfahrene Bauherren und Ingenieure vorweisen kann. Norweger engagieren sich auch in der welt- und europaweiten Normierung. Die persönlichen Kontakte der Programverantwortlichen zu der skandinavischen Szene werden da auch wieder gute Workshops und Live-Präsentationen ermöglichen. Odilo Schoch



Dr.-Ing. Odilo Schoch ist Programmleiter des CAS ETH ARC in Digitalisierung, einem Weiterbildungsprogramm des Gefässes «KAI Kompetenzen für Architekten und Ingenieure» der ETH-Professur für Architektur und Bauprozess, Professor Sacha Menz. Schoch war von 2008 bis 2011 Assistenzprofessor für BIM in Kopenhagen und praktiziert die Implementierung von digitalen Strategien und Lösungen im In- und Ausland.

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