09:07 BAUBRANCHE

Designikone in Aix-en-Provence: Die Rettung des Victor Vasarely

Geschrieben von: Simone Matthieu
Teaserbild-Quelle: Keystone / Roger Viollet

Wie der Erfinder der Op-Art durch einen Erbstreit beinahe in Vergessenheit geriet. Und wie Victor Vasarelys einziger Enkel es sich zur Lebensaufgabe machte, dies zu verhindern. Mit Erfolg. Die Fondation Vasarely in Aix-en-Provence ist frisch renoviert und lädt zum vertieften Betrachten der gigantischen Werke, die mit ihren Formen und Farben die Sinne täuschen.

Pavillon

Quelle: Keystone / Interfoto / MCA

Im Innern des Pavillons bei Aix-en-Provence kann man in die bunte, die Sinne täuschende Welt von Victor Vasarely abtauchen.

Wie ein ultramodernes Märchenschloss steht der Pavillon der Fondation Vasarely auf einer kleinen Anhöhe in Aix-en Provence (F). Gleich nebenan ist der Jas du Buffan, während vieler Jahre das Domizil des Impressionisten Paul Cézanne (1839-1906), den Vasarely wegen seiner Lichttechnik bewunderte. Der Weg zur Fondation Vasarely führt durch eine perfekt gepflegte Rasenfläche, vorbei an einem symmetrisch geschnittenen Wasserbecken hin zur schwarz-weiss-silbernen Fassade, deren Anordnung von Kreisen und Vierecken so typisch ist für die Kunst von Victor Vasarely (1906 – 1997). Mit jedem Schritt wächst die Vorfreude, das Innere des markanten Gebäudes zu entdecken: Das Universum des Op-Art-Begründers.

Ob man mit der Schöpfung des gebürtigen Ungarn aus Pécs vertraut ist, oder nicht – die monumentalen Werke beeindrucken durch ihre schiere Grösse (manche haben die Masse 8x7 Meter). Hinzu kommen die visuellen Effekte, für die der Wahlfranzose berühmt geworden ist: Je nach Blickwinkel scheint sich ein Bild zu verändern, wirkt plötzlich dreidimensional – eine Täuschung des Auges. «Bild» ist ein schwieriges Wort im Zusammenhang mit dem Schöpfer des Renault-Logos: Von den Exponaten ist keines gemalt, einige sind aus kleinsten Mosaiksteinchen zusammengefügt, andere aus Siebdruckglas, gegossener Kunststoffkeramik, eloxiertem Aluminium oder Spiegeln, wieder andere sind zu (Wand-) Teppichen gewebt. Immer bestehen sie aus den bekannten geometrischen Formen und Farben, die Vasarely Mitte der 1950er-Jahre in seinem «Gelben Manifest» als eine Art künstlerisches Grundalphabet deklarierte, das man beliebig zusammenstellen, miteinander kombinieren und vervielfältigen kann.

«Bunte Stadt des Glücks»

Im zweiten Stock befinden sich von Vasarely selbst gefertigte Schaukästen, in denen Skizzen und Studien auf Knopfdruck wechseln. Darin sieht man, wie der Gestalter sich seine Utopie der «Cité polychrome du bonheur»  - oder der «Bunten Stadt des Glücks» -  vorstellte: Mit diversen farbigen Motiven an den Fassaden sollten aus traurigen Plattenbauten schöne Häuser werden. Kunst im öffentlichen Raum sollte das Auge eines jeden erfreuen und verhindern, dass allgegenwärtiges, graues Mauerwerk zu Trübsinn verleitet.

Ironie der Geschichte: Wer noch vor wenigen Jahren nach Aix-en-Provence fuhr, dürfte das Centre architéctonique, wie die Fondation auch genannt wird, mehr betrübt, denn beglückt haben. Sie war ganz anders, als in diesem Beitrag geschildert: Der Pavillon teilweise einsturzgefährdet, die Werke ganz oder stellenweise kaputt. Victor Vasarelys einst so bunte Welt gab ein trauriges Bild ab.

Mit ein Grund dafür war die Haltung von Victor und seiner Frau Claire Vasarely (1909  - 1990): Geprägt von den Idealen ihrer Zeit, waren sie der Überzeugung, dass Kunst eine soziale Funktion erfüllt und für alle zugänglich sein soll. Diese Einstellung gipfelte 1971 in der Gründung der gemeinnützigen Stiftung Vasarely. In seinem eigenen Museum wollte Vasarely sicherstellen, dass seine Gebilde für immer allen gehören und nie in Banktresoren verschwinden oder private Villen schmücken – nicht einmal die seiner Erben: «Es ist edler, alles der Gemeinschaft zu geben, als alles für sich und seine Nächsten zu behalten», so Vasarelys Credo.


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