Der Stoff, aus dem die Stille ist
Dass schwere Vorhänge Schall schlucken ist bekannt. Doch was, wenn luftiges Gewebe statt dickem Samt gefragt ist? Experten der Eidgnössischen Materialforschungsanstalt (Empa) haben zusammen mit der Textildesignerin Annette Douglas und einer Seidenweberei ein solches Material entwickelt.
Lärm stört die Kommunikation, wirkt sich negativ auf die Arbeitsleistung aus und macht müde – in Extremfällen gar krank. Darum sind etwa in Büros, Restaurants oder Bars schallabsorbierende Flächen gefragt. Sie verkürzen den Nachhall und machen die Räume ruhiger. So genannte schallharte Materialien – etwa Glas und Beton – mindern den Lärm in einem Raum kaum. Deshalb werden um den Geräuschpegel zu dämpfen oft schwere Vorhänge eingesetzt, etwa aus Samt. Bis anhin waren leichte Textilien wirkungslos.
Zusammen mit dem Industriepartner Weisbrod-Zürrer AG, einer Seidenweberei, und der Textildesignerin Annette Douglas Forscher von der Empa nun ein neues Gewebe für leichte, transparente und trotzdem schallabsorbierende Vorhänge entwickelt. „Akustiker staunen nicht schlecht, wenn sie die entsprechenden Kennwerte sehen, die wir mit den neuen Vorhängen bei Messungen im Hallraum erreicht haben“, sagt Kurt Eggenschwiler, Leiter Akustik/Lärmminderung bei der Empa. Die neuen Textilien schlucken gemäss Medienmitteilung der Empa fünfmal mehr Schall als herkömmliche lichtdurchlässige Vorhänge. Eggenschwiler: „Der neue Vorhang ist ein echter Schallabsorber, der die Raumakustik merklich verbessert.“
Rezept fürs Gewebe
Die Idee vom Lärm dämpfenden und trotzdem leichten, lichtdurchlässigen Vorhang stammt von der Textildesignerin Annette Douglas. Sie setzt sich schon seit längerem mit der Wechselwirkung von Schall und Textilien auseinander. 2005 war sie mit dem Swiss Textile Design Award für das Projekt „Akustikwände für Grossraumbüros“ ausgezeichnet worden. Vergangenes Jahr reichte Douglas zusammen mit Forschern der Empa-Abteilung Akustik/Lärmminderung und mit der Weisbrod Zürrer AG ein entsprechendes Projekt bei der Kommission für Technologie und Innovation (KTI) ein.
In der Folge entstand am Computer das erste, akustisch optimierte Leichttextil. Damit wollten die Empa-Akustiker Textilfachleuten eine Art „Rezept“ beiten, mit dem sich gezielt ein Schall schluckendes Gewebe herstellen lassen sollte. Dazu entwickelten sie zunächst ein Rechenmodell, das sowohl die mikroskopische Struktur der Gewebe als auch deren makroskopischen Aufbau abbildet. In Kombination mit zahlreichen akustischen Messungen an verschiedenen, eigens dafür gewobenen Proben optimierten die Experten das Gewebe nach und nach akustisch. Douglas „übersetzte“ die so gewonnen Erkenntnisse dann webtechnisch. (mai/mgt)