Den Aufschwung finanzieren
Noch ist das Jahr jung, doch wirklicher Optimismus will sich noch nicht so recht breitmachen. Hinter uns liegt wohl eines der härtesten Jahre seit Beginn des Wirtschaftswunders nach dem zweiten Weltkrieg. Die Produktionseinbrüche sind dramatisch und die Erholung kommt nur langsam.
Der überwiegende Teil der Unternehmen in unserer Industrie haben schnell und professionell reagiert. Sie haben ihre Kostenstruktur an die Marktsituation angepasst und Investitionen verschoben, alles mit dem Ziel, die Liquidität zu erhalten und die Betriebe zu retten. Dies ist leider in zahlreichen Fällen nicht schmerzlos geschehen. Der Abschwung kostete in unserer Industrie rund 20000 Arbeitsplätze.
Aber unsere Unternehmer haben nicht nur defensiv reagiert. Sie haben die Zeiten geringerer Auslastung genutzt, um Arbeitsabläufe zu analysieren und zu optimieren, Produkte weiter zu entwickeln, und sie haben in die Aus- und Weiterbildung ihrer Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter investiert. Und sie haben versucht, neue Märkte zu erschliessen, wohl wissend, dass der europäische Markt wohl noch längere Zeit brauchen wird, bis er sich wieder erholt hat.
Und gerade weil der europäische Markt zwei Drittel unserer gesamten Exporte ausmacht, ist ein flächendeckender Aufschwung noch nicht in Sicht. Das zeigen die ersten Veröffentlichungen der Auftragseingänge und Erwartungen unserer Mitgliedfirmen in diesem Jahr. Sie bestärken mich leider in der Annahme, dass die Durststrecke wohl länger wird als vor zwölf Monaten angenommen. Von einer U-förmigen Wirtschaftsentwicklung ist schon lange nicht mehr die Rede, jetzt stellt sich vielmehr die Frage, ob es eher eine L-förmige oder eine W-förmige Entwicklung wird. Beide sind nicht gerade angenehm.
Deshalb wird die Frage der Liquidität von entscheidender Bedeutung sein. „Cash is king“, heisst die vorrangige Devise. Das bedeutet, dass die Banken in der nächsten Zukunft zumindest gleich stark an die Realwirtschaft denken müssen wie an sich selber. Denn der Zugang zu günstigen Krediten könnte in den nächsten Monaten gerade für die kleineren und mittleren Betriebe unserer Industrie entscheidend sein, egal ob die Geschäfte stagnieren oder leicht ansteigen, um nach kurzer Zeit nochmals einzubrechen, wie das Pessimisten voraussagen.
Viele Firmen haben das Geld, das in guten Jahren auf die Seite gelegt wurde, im Abschwung aufgebraucht. Dass sie nun einen hoffentlich baldigen Aufschwung nicht finanzieren könnten, darf nicht sein. Vergessen wir es nicht, gerade jetzt, wo es im Finanzsektor wieder aufwärts zu gehen scheint: Das ist eine der eigentlichen Kernaufgaben der Banken!
Johann Niklaus Schneider-Ammann, Präsident und Delegierter der Ammann Group Holding, Präsident Swissmem, Nationalrat FDP