Buchtipp: Duschanbe ist auch ein Architekturmuseum
Duschanbe ist nicht der erste Ort, der einem bei einer Städtereise in den Sinn kommt. Dennoch ist Tadschikstans Haupststadt ein Besuch wert. Weshalb, davon erzählt Edda Schlager in ihrem kenntnisreichen und persönlichen Architekturführer.
"Duschanbe hat keine vorsowjetische Geschichte. Anders als viele zentralasiatische Grossstädte verfügt Duschanbe weder über mittelalterliche Bausubstanz noch über russische Architektur der Kolonialzeit", schreibt Edda Schlager in ihrem Architekturführer über Tadschikistans Hauptstadt. Dafür ist die Stadt nördlich der Grenze von Afghanistan und südlich der früheren Sowjetunion eine Art Museum der sowjetischen Architekturgeschichte.
Es begann damit, dass die Sowjets das Emirat Buchara besetzt hatten und dessen letzter Emir nach Duschanbe geflüchtet war. Ein Jahr später, 1921, nahmen die sowjetischen Truppen die damals ländliche Siedlung ein und erklärtem sie zum Zentrum der Bucharischen Volksrepublik. Fortan sollte der Ort Stalinabad heissen. Damit begann ein rasanter Wandel. Zunächst residierten die Volkskomissariate in Lehmbauten, bald entstanden erste Häuser im Stil des Konstruktivismus. In den 30er-Jahren wurden Architekten engagiert, die den Ort in die sozialistische Zukunft katapultieren sollten: Innert kurzer Zeit breiteten sich Wohnüberbauungen aus, prunkvolle öffentliche Gebäude schossen in die Höhe, Pärke und weitläufige Boulevards durchzogen die Stadt. Sie wuchs bis zum Ende der Sowjetunion. "In der späten Sowjetzeit war Duschanbe (...) eine ausgesprochen gemütliche Stadt", erinnert sich Schlager, die im kasachischen Almaty lebt. Die provinzielle Version der stalinischen Architektur habe sich in Duschanbe menschlicher als in Moskau gezeigt.
Heute sind viele Bauten vom Zerfall bedroht. Eine grosse Zahl dürfte in den nächsten Jahren Neubauten zum Opfer fallen: "Vieles hat keinen architektonischen oder historischen Wert", sagt der ehemalige Stadtarchitekt Kudratullo Fajsullojew, im Interview mit Schlager. So ist es gut möglich, dass der Band eine der letzten Bestandesaufnahmen der architektonischen Erbes Duschanbes ist. Er ist aber mehr als das: Neben den 80 Gebäude stellt Schlager auch Menschen vor, die Duschanbes Architektur geprägt haben. Dies gilt etwa für das deutsche Architektenpaar Hedwig und Hans Adler. Sie haben 1932 am Aufbau der künftigen Metropole mitgewirkt.
Das handliche Buch funktioniert nicht nur auf einer Reise nach Duschanbe, sondern auch als spannender Lese- und Schmökerstoff für Architekturinteressierte mit Fernweh und einer exotischen Ader. (mai)
Architekturführer Duschanbe
Edda Schlager
Dom Publishers
288 Seiten, kartoniert
ISBN 978-3-86922-432-9
49 Franken 30