Befestigungstechnik: Forscher machen Schrauben mit Köpfchen
Schraubverbindungen bei kritischen Infrastrukturen sind hohen Belastungen ausgesetzt, was regelmässige Überprüfungen erfordert. Ein Forschungsteam des Fraunhofer-Instituts hat ein System entwickelt, mit dem sich die Stabilität von der Verbindungen per Fernüberwachung permanent kontrollieren lässt. Mit der Lösung liesse sich der Inspektionsaufwand der sicherheitsrelevanten Komponenten reduzieren.
Quelle: zvg
Ein vollintegriertes, energieautarkes System ermöglicht es, permanent die Vorspannkraft von Schraubverbindung zu überwachen. Die Daten werden drahtlos übertragen.
Schrauben finden sich fast überall. Sie halten Teile von Kränen und Baugerüsten zusammen. Befestigungsschrauben sind beim Hoch- und Tiefbau sowie in der Gebäudetechnik oder bei der Konstruktion von Maschinen und Anlagen aller Art unverzichtbar. Doch der Verschleiss und die Einflüsse wie Temperaturschwankungen oder Schwingungen können dazu führen, dass sich Schrauben aus der Verankerung lösen, was fatale Folgen haben kann. Bei sicherheitskritischen Strukturen ist deshalb eine regelmässige Inspektion erforderlich.
Techniker müssen nicht mehr vor Ort kontrollieren
Um die zuverlässige Überwachung der Schraubverbindungen zu vereinfachen, haben Forscherinnen und Forscher des Fraunhofer Instituts eine spezielle Lösung entwickelt. Sie rüsteten Schrauben mit einer Sensoreinheit und einem Funkmodul in einer abhörsicheren Inbetriebnahme-Box aus. Die Schrauben wurden sodann mit einer Unterlegscheibe versehen, die mit einer piezoresistiven Dünnschicht ausgestattet ist. Deren druckempfindliche Sensorik registriert an drei Stellen die Vorspannkraft, die beim Anziehen der Schraube entsteht.
Falls sich die Schraube auch nur minimal aus der Arretierung löst und die Vorspannkraft nachlässt, ändert sich der elektrische Widerstand in der Dünnschicht. Das Funkmodul, das auf dem Schraubenkopf montiert ist, registriert die Änderung des Widerstands, was auf eine Störung der Stabilität schliessen lässt. In der Folge sendet das Modul entsprechende Daten an die Basisstation, bei der die Informationen jeder einzelnen Schraube des Objekts gespeichert werden. Techniker müssen somit nicht mehr bei allen Schrauben vor Ort den Betriebszustand einzeln überprüfen.
Sicherheit dank Verschlüsselung
Über den Kurzstreckenfunk RFID erhalten die Schrauben eine Identifikationsnummer samt Anforderungsprofil, die mit einem individuellen Verschlüsselungscode geschützt sind. Um Sabotagen zu verhindern und eine hohe Verlässlichkeit der Daten bei Inspektionen gewährleisten zu können, ist auch die Funkstrecke bei der Datenübertragung von den Schrauben zur Basisstation verschlüsselt.
Quelle: zvg
Mit dem flexiblen System lassen sich handelsübliche DIN-Schrauben verschiedener Grössen nachrüsten. Der Status der jeweiligen Schraube ist graphisch dargestellt.
Dabei ist es laut Mitteilung des Forschungsinstituts möglich, mehr als hunderttausend Sensoren mit nur einer Basisstation zu verbinden und die Daten der Objekte in einer Entfernung von einigen Kilometern zu speichern.
Datenübertragung per Funkprotokoll
Neben der Fernüberwachung gesamter sicherheitskritischer Infrastrukturen sind auch weitere unterschiedliche Anwendungen denkbar, wie bei Bolzen in Stahlträgern von Hochhäusern oder bei tragenden Teilen von Brücken und Befestigungen von Rotoren an Windkraftanlagen. Eingesetzt werden könnte das System, das individuell konfigurierbar und auf jeweilige Belastungsprofile abgestimmt werden kann, beispielsweise auch in der Industrie.
Ausgeklügelt ist auch die Lösung zur Abdeckung des Energiebedarfs. Damit das elektronische System energieautark funktionieren kann, wird nach dem Prinzip des «Energy Harvesting» aus Wärme oder Licht Strom erzeugt. Dabei werden winzige Temperaturunterschiede zwischen Schraubenkopf und Umgebung genutzt. Möglich wäre auch der Einsatz von Solarzellen.
Für handelsübliche Schrauben konzipiert
Bei der Entwicklung der elektronischen Fernüberwachung haben verschiedene Institute interdiszipliär zusammengearbeitet. Die Dünnschicht entwickelte beispielsweise das Institut für Schicht- und Oberflächentechnik. Eine spezielle Lösung fanden die Forscherinnen und Forscher auch bei der Funktechnik. Diese muss in der Lage sein, kleine Datenmengen bei niedrigstem Energieverbrauch über grosse Entfernungen zu senden.
Die Technik ist für handelsübliche DIN-Schrauben konzipiert. Einsatzbereit ist das System für Schrauben der Grösse M18, demnächst werden auch Varianten für M20 und M36 verfügbar sein. (mgt/sts)