Bauwirtschaft Zentralschweiz: Luzern bremst die Dynamik
Die Region steht vor einer Abschwächung. Luzern kann Erwartungen nicht erfüllen. Schwyz und Zug dominieren den Wohnbau. Die Industrie enttäuscht, der Bürobau überrascht positiv. Arbeitsvorrat und Halbjahresergebnis stimmen zuversichtlich.
Der Hochbau der sechs Zentralschweizer Kantone gerät gesamthaft tiefer in die Minuszone. Der Wert geplanter Hochbauprojekte ging im Vergleich zur Vorjahresperiode um 6,3 Prozent zurück, nachdem die auf Basis von Gesuchen ermittelte Bausumme bereits im Vorjahr rückläufig war. Zudem befand sich im Kanton Luzern die Hochbausumme 23,6 Prozent unter dem Vorjahresniveau.
Für die Entwicklung der künftigen Bautätigkeit fällt dieser Umstand umso mehr ins Gewicht, als im Schnitt der letzten fünf Jahre weit über zwei Fünftel des in der Zentralschweiz verbauten Investitionsvolumens auf Luzern entfielen. Die Kantone Schwyz und Zug, die bei den Investitionen des Bauhaupt- und Ausbaugewerbes gemeinsam ebenfalls ein Schwergewicht bilden, konnten verhindern, dass die Region noch tiefer in die Miesen geriet (Zahlen per Ende Mai). In Schwyz betrug das Wachstum 38,3 und in Zug 4,5 Prozent verbuchen. Das Wachstum ist auch sehr unterschiedlich auf die Segmente verteilt.
Uri, Schwyz – und Zug
Der Wohnbau konnte das gute Vorjahresergebnis zwar bestätigen, doch die Investitionen tendierten auf hohem Niveau seitwärts, was für beide Segmente gleichermassen gilt. Beim Wohnbau dürfte sich das Wachstum auf drei Kantone konzentrieren. Insbesondere im Kanton Schwyz wuchs der Wohnbau in den letzten drei Jahren zu einem Boom heran. Im Vergleich zur Vorjahresperiode verzeichnete der Kanton ein sattes Wachstum von 34,5 Prozent und übertraf erstmals in den letzten fünf Jahren die Marke von einer Milliarde Franken, und dies nach einem Plus von 9,8 Prozent im Vorjahr, wie Zahlen der Infopro Digital Schweiz GmbH zeigen.
Ausserordentlich zulegen konnte der Kanton im Segment Mehrfamilienhäuser (MFH). Verglichen mit dem Vorjahresstichtag wird rund eine Viertelmilliarde Franken zusätzlich in mehrgeschossige Wohnbauten fliessen, was einem Wachstum von 42,2 Prozent entspricht nach der Steilvorlage im letzten Jahr (+20,6%). Vergleichsweise hohe Investitionsvolumina betreffen Gemeinden mit Seeblick wie Lachen, Wollerau oder Pfäffikon, aber auch Immensee, Lauerz oder Euthal. Bei den Einfamilienhäusern kann der Kanton die Delle der Vorperiode ausbügeln und den Aufwärtstrend der Vorjahre fortsetzen (+14,5%).
Der Kanton Zug konnte die Wohnbauinvestitionen seit Jahren auf hohem Niveau halten. In diesem Jahr erreichten sie sogar einen Rekordwert bei einer Zuwachsrate von gesamthaft 5,3 Prozent. Bei geplanten Mehrfamilienhäusern betrug Ende Mai das Plus zum Vorjahresstichtag 4,0 Prozent (Vorjahr: +20,6%). Impulse für die Bauwirtschaft dürften grosse Wohnbauprojekte in der Agglomeration Zug auslösen wie die geplante Überbauung «Göbli» in Baar für geschätzte 100 Millionen Franken. In Cham ist eine Überbauung mit Mehrfamilienhäusern für rund 80 Millionen und in Steinhausen für 36 Millionen Franken projektiert, um nur die grösseren Projekte zu nennen. Auch in Hünenberg wird das Wohnungsangebot für 60 Millionen Franken ausgebaut. Und in der Stadt Zug sind Investitionen von 45 Millionen vorgesehen.
Zu den Gewinnern zählte auch der Kanton Uri, wo die Wohnbausumme ins Plus drehte. Die Zunahme des Werts geplanter Bauprojekte ist auf das MFH-Segment zurückzuführen (+11,6%), während die Investitionen in Einfamilienhäuser zwar zurückgingen, aber im ländlichen Kanton nach wie vor überdurchschnittlich sind. Ein beträchtlicher Teil der Wohnbausumme wird in Andermatt investiert. Die Andermatt Swiss Alps AG stellte Gesuche für den Bau von vier Mehrfamilienhäusern für rund 70 Millionen Franken.
Wenn Luzern schwächelt
Wegen der positiven Entwicklung in Schwyz und Zug konnte der Wohnbau das hohe Niveau des Vorjahres bestätigen, zumal in beiden Kantonen im Vergleich zum Vorjahr gesamthaft über 300 Millionen Franken zusätzlich in den Wohnbau fliessen werden. Die Summe entspricht ungefähr dem Ausmass, mit dem der Kanton Luzern ins Hintertreffen geriet. Die Investitionen in den Wohnbau sind im Vergleich zur Vorjahresperiode um 16,7 Prozent eingebrochen (Vorjahr: -2,6%). Für den Bau von Mehrfamilienhäusern verdüsterte sich die Lage in Luzern dramatisch. Um 18,6 Prozent brach die Segmentsumme auf ein weit unterdurchschnittliches Niveau ein, nachdem im Vorjahr noch ein Wachstum resultierte (+7,4%).
Immerhin konnte Nidwalden nach dem Einbruch der Wohnbausumme im Vorjahr die Lage wieder stabilisieren, aber mit unterdurchschnittlichen Segmentsummen. Geplant sind in Nidwalden wieder mehr Einfamilienhäuser, was in Obwalden nicht der Fall ist. Der negative Drall beim Wohnbau ist in Obwalden noch etwas ausgeprägter als in Nidwalden, was als Dämpfer zu werten ist, denn im langjährigen Mittel werden in Obwalden für eine deutlich höhere Summe Einfamilienhäuser gebaut als in Nidwalden.
Industrie investiert verhalten
Mit positiven Investitionsentscheiden von Industrie- und Gewerbebetrieben kann der Kanton Schwyz rechnen, der von den drei grossen Industriestandorten nach einem schwachen Vorjahr ein solides Ergebnis ausweisen konnte (+31,6%). Die Summe verharrte jedoch unter dem Fünfjahresmittel, was durchs Band für Bauinvestitionen von Firmen in der Zentralschweizer Kantonen gilt. Eine Ausnahme bildete die Industrie in Nidwalden, wo die Pilatus Flugzeugwerke in Stans für 32 Millionen Franken die Erweiterung eines Logistikgebäudes planen. Auch Obwalden konnte das Vorjahresergebnis übertreffen. Mit einem Minus von 40,1 Prozent im Vergleich zum letzten Stichtag hat sich beim Industriesegment gesamthaft der Negativtrend jedoch verstärkt (Vorjahr: -10,3%).
Quelle: Arge Enzmann Fischer und Ramser Schmid Architekten
Hart- und Weichfaserplatten von Pavatex aus Cham waren europaweit beim Ausbaugewerbe gefragt. 2019 wurde die Produktion eingestellt. Nun liegen die Richtprojekte für das Areal Pavatex Süd vor.
Massgebend zum schlechtesten Gesamtergebnis der letzten fünf Jahre beigetragen hat wiederum der Kanton Luzern, der rund die Hälfte der geplanten Investitionen von Zentralschweizer Unternehmen absorbiert. Mit einem Minus von 39,2 Prozent konnte sich die geplante Summe für den Ausbau von Gebäudeparks dem Abwärtsstrudel nicht entziehen (Vorjahr: -43,7%). Auch den Kanton Zug hat es auf dem falschen Fuss erwischt. Die Investitionen von Firmen blieben weit unter dem Durchschnitt, wobei ein Grossprojekt in der Vorperiode weiterhin Aufträge generieren dürfte.
Bürobau auf Erholungspfad
Der Bürobau überraschte dagegen positiv. Die geplante Summe für die Produktion von Büroflächen schoss gesamthaft um 74,1 Prozent auf den höchsten Wert der letzten fünf Jahre – vom tiefsten Stand in der Zeitreihe allerdings. Von den drei Kantonen, in denen rund neunzig Prozent der Investitionen in Bürogebäude verbaut werden, dürfte insbesondere der Kanton Schwyz (+76,8%) profitieren. Zug meldete sich mit einem Höchstwert bei der Bürobausumme zurück, nachdem diese vor zwei Jahren auf einen Bruchteil zusammengeschrumpft war.
Gegenläufig sind die Investitionen der öffentlichen Hand in Gebäude des Bildungs- sowie des Gesundheitswesens. Das vielfältige Bildungsangebot und die Infrastruktur für die medizinische Versorgung in Luzern zeigt kantonsübergreifend für die gesamte Zentralschweiz eine positive Wirkung, was wiederum mit Verpflichtungen verbunden ist. Im langjährigen Mittel liegt der Anteil Luzerns bei den Zentralschweizer Bildungsbauten bei rund 45 Prozent. Wie im Vorjahr sind in der Zentralschweiz annähernd 300 Millionen Franken für Schulbauten geplant, wobei dieses Mal rund zwei Drittel davon im Kanton Luzern investiert werden. Namhaft ist auch das Engagement der Kantone Zug und Schwyz bei Bildungsbauten. Auf Zug entfällt im Schnitt knapp ein Drittel der für Bildungseinrichtungen getätigten Investitionen, auf Schwyz waren es im Fünfjahresmittel 17,4 Prozent.
Wenige Impulse setzen wird das Gesundheitswesen. Die geplante Summe fiel auf einen sehr tiefen Wert und weit unter das Fünfjahresmittel, und zwar in allen Zentralschweizer Kantonen. Investitionen getätigt werden insbesondere im Kanton Luzern, aber auch in Nidwalden und Schwyz. Dass sich das boomende Tourismusgeschäft positiv auf die Investitionsneigung auswirken dürfte, zeigt sich im Kanton Luzern, wo laut dem kantonalen Statistikamt die Logiernächte den Rekordwert des Vor-Corona-Jahres 2019 um fünf Prozent übertrafen. Fast drei Fünftel der Übernachtungen verbucht die Stadt Luzern, wo für 29,2 Millionen Franken ein Hotelneubau geplant ist. Ein positives Zeichen setzt das Gastgewerbe auch in Schwyz und Obwalden mit einem Hotelprojekt in Engelberg.
Arbeitsvorrat stimmt zuversichtlich
In der Zentralschweiz hat sich die Bautätigkeit im 4. und 1. Quartal im Vergleich zu den Vorjahresperioden gesamthaft positiv entwickelt. Wachstumsbeiträge kamen vom Tiefbau und dem öffentlichen Hochbau. Der Wohnbau schwächelte zwar, blieb aber überdurchschnittlich, wie aus Zahlen es Schweizerischen Baumeisterverbandes (SBV) zur effektiven Bautätigkeit hervorgeht. Der Auftragseingang war vor allem wegen des Tiefbaus und des übrigen Hochbaus eher flau (-4,6%). Mehr Aufträge einsammeln konnten der Wohnbau und der öffentliche Hochbau.
Der Arbeitsvorrat per Ende März vermittelt gesamthaft wieder bessere Aussichten für das Bauhauptgewerbe (+2,1%). Zudem lag laut den SBV-Zahlen der Wert vorrätiger Aufträge beim Tiefbau erstmals in der Zeitreihe über einer Milliarde Franken. Der übrige sowie der öffentliche Hochbau dürften die künftige Bautätigkeit zusätzlich stimulieren. Einzig der Wohnbau hatte weniger Aufträge vorrätig.
Gesamthaft deuten die Zahlen der Infopro Digital Schweiz GmbH nach dem ersten Semester auf eine positive Entwicklung des Bauhaupt- und Ausbaugewerbes hin. Im Vergleich zum Vorjahr erhöhte sich in der Zentralschweiz die im Jahr aufgelaufene Summe (YTD – Year to Date) um 7,4 Prozent bei einem Plus von 8,6 Prozent in der deutschsprachigen Schweiz.