14:58 BAUBRANCHE

Bauwirtschaft Ostschweiz: Grossprojekte halten Abschwächung in Grenzen

Geschrieben von: Stefan Schmid (sts)
Teaserbild-Quelle: zvg

Die Ostschweizer Bauwirtschaft dürfte sich wegen des rückläufigen Wohnbaus abschwächen. Die Hochbausumme bleibt aber überdurchschnittlich. Infrastrukturprojekte sind in Planung. Industrie und Gewerbe zeigen sich robust.

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In den sechs Ostschweizer Kantonen steht das Bauhaupt- und Ausbaugewerbe vor einer Abschwächung. Denn die auf Basis von Gesuchen ermittelte Bausumme ging gesamthaft nominal um 2,0 Prozent zurück. Der Kanton St.Gallen, auf den im Mittel deutlich über ein Drittel der in der Ostschweiz getätigten Hochbau-investitionen entfallen, stagnierte (-0,1%). Bei den beiden anderen umsatzstarken Kantonen war die Entwicklung gegenläufig. Während Graubünden 8,9 Prozent zulegen konnte, zeigte der Kanton Thurgau bei den geplanten Investitionen Schwäche (-8,0%), wobei die Zunahme den Rückgang in etwa kompensierte. Thurgau blieb dennoch unter dem langjährigen Mittelwert. Glarus konnte auf hohem Niveau nochmals leicht zulegen (+0,6%). Die beiden Appenzeller Kantone wurden dagegen arg zerrupft und sie trugen dazu bei, dass die Gesamtsumme ins Minus kippte (Zahlen per Ende August). Allerdings blieb die Hochbausumme der Bauregion im langjährigen Vergleich nach wie vor überdurchschnittlich.

Wohnbausegment solide

Die durchzogene Bilanz ist auf den Wohnbau zurückzuführen. Im Vergleich zur entsprechenden Vorjahresperiode gingen die geplanten Investitionen in Wohnbauten um 9,1 Prozent zurück, wie aus Zahlen der Infopro Digital Schweiz GmbH hervorgeht. Bei den Mehrfamilienhäusern (MFH) hielt sich der Rückgang der Bausumme in Grenzen (-2,3%). Von den gewichtigeren Kantonen fällt der Einbruch der MFH-Bausumme im Kanton Thurgau ins Auge (-16,9%), wobei aufgrund des ausserordentlichen Wohnbauvolumens im Vorjahr der Basiseffekt zu beachten ist. Der Kanton St.Gallen, in dem im Mittel rund 40 Prozent der Segmentsumme verbaut wird, konnte dagegen zum zweiten Mal in Folge die MFH-Bausumme ausweiten (2024: +7,5%).

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Das Investitionsvolumen in Wohnbauten übertraf kantonsweit den Vorjahreswert um über 100 Millionen Franken. Graubünden konnte eine Zunahme der Bausumme von 10,4 Prozent oder ein Plus von rund 80 Millionen Franken ausweisen, auch weil in Arosa ein 200-Millionen-Projekt für den Bau von acht Mehrfamilienhäusern in Planung ist. Appenzell Innerrhoden wiederum meldet sich nach einem schwachen Vorjahresergebnis mit Vehemenz zurück (+157,8%). Insgesamt lag in der Ostschweiz die MFH-Segmentsumme um rund 85 Millionen Franken unter dem Stand des Vorjahres, befand sich jedoch 9,2 Prozent über dem Fünfjahresdurchschnitt, was für intakte Wachstumsaussichten in diesem Segment spricht.

EFH-Summe bricht ein

Völlig anders präsentiert sich die Lage bei den Einfamilienhäusern (EFH). Die Veränderungsraten des Segments haben sich tiefrot eingefärbt, und zwar über alle Kantone gesehen (-24,7%). Im Vergleich zur Vorperiode werden annähernd 400 Millionen Franken weniger in dieses Segment flies-sen, was die Auftragslage für den Bau von Einfamilienhäusern regional massiv beeinträchtigen dürfte. Und: Mehr als die Hälfte des Rückgangs entfällt auf den Kanton Graubünden, wo das Segment innert Jahresfrist in die Minuszone rutschte (-37,4%). Auch im Thurgauischen beschleunigte sich der Rückgang bei der Summe für den Bau von Einfamilienhäusern (-23,5%; Vorjahr -17,4%). Appenzell Ausserrhoden konnte sich der Abwärtsbewegung ebenfalls nicht entziehen (-61,7%), während Innerrhoden als einziger Kanton fast das Vorjahresniveau erreichte. Insgesamt lässt auch der Vergleich mit dem Mittelwert der letzten fünf Jahre wenig Hoffnung für die künftige Auftragslage in diesem Wohnbausegment aufkeimen. Die aggregierte Summe lag per Ende August 21,7 Prozent unter dem Mittelwert, den auch keiner der Kantone übertreffen konnte. In diesem Segment ist zudem seit drei Jahren ein Abwärtstrend zu beobachten.

Bauregion Ostschweiz - Bauwirtschaft

Quelle: zvg

Die Pistor AG beliefert Bäckereien, Restaurants und Spitäler mit Lebensmitteln und Waren. Zur Optimierung der Logistik in der Ostschweiz baut das Unternehmen in Sennwald SG für über 18 Millionen Franken eine neue Verteilzentrale.

Im Vergleich zur Vorjahresperiode summierte sich der Rückgang bei geplanten Wohnbauinvestitionen auf insgesamt fast eine halbe Milliarde Franken, was es allerdings mit Blick auf die künftige Wohnbautätigkeit zu relativieren gilt. Zum einen dürften die beiden hohen Werte der Vorjahre über eine längere Zeitdauer Aufträge generieren als Perioden mit kleineren Projektsummen. Zum anderen lag die Wohnbausumme über beide Segmente und alle sechs Kantone betrachtet praktisch auf dem Niveau des langjährigen Durchschnitts. Zusätzlichen Auftrieb verleihen Grossprojekte wie in Ennenda GL, wo für 100 Millionen Franken 15 Gebäude geplant sind mit 100 Wohnungen und Mischnutzungen für Industrie und Gewerbe.

Glarus hält mit Grossen mit

Investitionen in Gebäudeparks von Industrie und Gewerbe dürften die Scharte beim Wohnbau teilweise auswetzen. Gesamthaft stieg der Projektwert geplanter Produktionsgebäude im Vorjahresvergleich um 21,8 Prozent (Vorjahr: +8,7%). Das Resultat ist auch im Fünfjahresvergleich überdurchschnittlich. Als Industriestandort kann ebenfalls der Kanton Thurgau punkten (+34,6%). In Weinfelden will beispielsweise die Strabag 41,5 Millionen Franken in die Erneuerung des Kies- und Betonwerks investieren. Trotz eines Rückgangs gegenüber dem Vorjahr bleibt das Industriesegment im Kanton St.Gallen im langjährigen Vergleich solide. Auf beide Kantone entfallen im Schnitt rund 70 Prozent der Investitionen in Industriebauten.

Hoch ist die Dynamik bei Industrie und Gewerbe auch im Kanton Glarus. In Netstal, einem Industriestandort mit langer Tradition, investiert die Sauter Bachmann AG in einen Anbau für die neue Härterei zur Erweiterung der Produktion. Kantonsweit dürfte die Investitionssumme im Fünfjahresvergleich aber ein Ausreisser sein. In Graubünden und in den beiden Appenzeller Kantonen sind dagegen unterdurchschnittliche Investitionssummen geplant. Die ausgeprägte Investitionsneigung der Unternehmen liesse sich vor dem Hintergrund stagnierender Exportmärkte auch als Indiz für einen hohen Diversifikationsgrad der Ostschweizer Industrie lesen.

Seltene Ausnahmen im Bürobau

Abgeschwächt haben sich im Vergleich zur Vorjahresperiode auch die geplanten Investitionen in Gebäude für Handel und Verwaltung (-17,5%), wobei wiederum der hohe Vorjahreswert zu berücksichtigen ist. In Graubünden halbierte sich die Bausumme für Bürogebäude. Im Thurgau brach die Segmentsumme auf einen Viertel des Vorjahreswerts ein. Positive Wachstumsraten ergaben sich in St.Gallen (+16,2%) und Glarus, deren Bausummen auch den Fünfjahresdurchschnitt übertrafen. Insgesamt dürfte das Segment nicht allzu schlecht dastehen, denn die per Ende August aufgelaufene Summe bewegte sich gesamthaft 11,7 Prozent über dem langjährigen Durchschnitt.

Grossprojekte für die Bildung

In der Ostschweiz ist der Trend bei den Investitionen in Bildungsbauten über die letzten fünf Jahre klar positiv. Im Fünfjahresmittel werden in der Ostschweiz jährlich über eine Viertelmilliarde Franken in Bildungsbauten investiert. Letztes Jahr lag das Plus bei 21,1 Prozent, wobei neben St.Gallen künftig auch Graubünden die Entwicklung mitprägen wird. In Chur ist für 115 Millionen Franken der Ausbau des Fachhochschulzentrums geplant. Politisch aufgegleist ist zudem das Bauvorhaben für die HSG-Erweiterung mit einem Campus bei veranschlagten Gesamtkosten von über 200 Millionen Franken (die Summe ist wegen Änderungen eines früheren Projektvorschlags in den hier präsentierten Zahlen nicht enthalten).

Forschen in den Bergen

Das Gesundheitssegment ist dominiert von Projekten im Kanton St.Gallen. Heraus-ragend sind Bauprojekte in Gossau SG, wo ein Alters- und Pflegeheim für rund 52 Millionen geplant ist. Die medizinische Infrastruktur ausgebaut wird auch in Littenheid TG mit einem Klinikgebäude für 24,5 Millionen. Und in Davos Platz will die AO Foundation für 24 Millionen Franken ein Forschungsgebäude realisieren. Die Arbeitsgemeinschaft für Osteosynthesefragen (AO) bietet seit ihren Anfängen in Davos, wo der Skitourismus in der Schweiz seinen Anfang nahm, medizinische Forschung zur Behandlung von Knochenbrüchen. Die Erkenntnisse bildeten später die Basis für die Entstehung von Medtech-Konzernen. Zeichen setzt das Gastgewerbe dieses Mal neben den touristischen Destinationen insbesondere in der Stadt St.Gallen, wo für 25,6 Millionen ein Neubau mit Hotel und Mischnutzungen geplant ist.

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Wohnbautätigkeit im Plus

Im 1. Semester entwickelte sich die Bautätigkeit des Bauhauptgewerbes verhalten. Der Tiefbaubereich, der rund 50 Prozent der in der Ostschweiz generierten Umsätze ausmacht, schrumpfte leicht (-1,2%), wie aus Zahlen des Schweizerischen Baumeisterverbandes (SBV) hervorgeht. Sowohl beim übrigen als auch beim öffentlichen Hochbau waren die Gesamtwerte getätigter Rohbauarbeiten rückläufig, der Wohnbau aber kräftig im Plus (+12,5%). Gesamthaft entwickelte sich die Bautätigkeit positiv (+1,5%).

Arbeitsvorrat überdurchschnittlich

Beim Auftragseingang blicken die Bauunternehmen optimistischer in die Zukunft und meldeten beim Tiefbau gegenüber dem Vorjahressemester eine deutliche Zunahme des Auftragsvolumens (+3,8%), beim Wohnbau waren es sogar 4,6 Prozent. Trotz Rückgängen konnte weder der übrige noch der öffentliche Hochbau an der aufgehellten Stimmung bei der Auftragslage etwas ändern. Über alle Segmente erhöhte sich der Auftragswert um 2,2 Prozent. Gemessen am langjährigen Durchschnitt befand sich jedoch lediglich der Tiefbau im Wachstumsbereich. Auch beim Arbeitsvorrat gehen die Ostschweizer Bauunternehmen des Bauhauptgewerbes per Ende Juni von deutlich besseren Aussichten aus als im Vorjahr. Im Vergleich zum Vorjahressemester hat der Tiefbau 12,0 Prozent mehr Aufträge vorrätig, während sie beim Wohnbau stagnieren. Wenige Impulse dürften vom übrigen und vom öffentlichen Hochbau ausgehen.

Geschrieben von

Redaktor Baublatt

Seine Spezialgebiete sind wirtschaftliche Zusammenhänge, die Digitalisierung von Bauverfahren sowie Produkte und Dienstleistungen von Startup-Unternehmen.

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