08:02 BAUBRANCHE

Bauwirtschaft Nordwestschweiz: Magerere Zeiten kündigen sich an

Geschrieben von: Stefan Gyr (stg)
Teaserbild-Quelle: IEU Kommunikation AG

Umsatzzuwächse und volle Auftragsbücher: Die Bauwirtschaft in den drei Nordwestschweizer Kantonen hat sich im ersten Semester dieses Jahres gut geschlagen. Doch im Hochbau ist das Volumen der Baugesuche insgesamt um 33,7 % eingebrochen. Grossprojekte blieben aus, und der Mehrfamilienhaus-Boom klang ab.

Die Bauwirtschaft in den Kantonen Basel-Stadt, Baselland und Solothurn muss sich auf magerere Zeiten gefasst machen: Im Hochbau zeichnen sich für die kommenden zwei Jahre teils happige Einbussen ab. Vor allem die geplanten Bausummen für Mehrfamilienhäuser gehen stark zurück. Das zeigen die Zahlen zu den Baugesuchen in den drei Kantonen, die die Baublatt-Herausgeberin Docu Media Schweiz GmbH in den vergangenen zwölf Monaten ermittelt hat(blau-graue Grafiken). Im Vergleich mit der Vorjahresperiode ist die geplante Hochbausumme zwischen dem 1. November 2018 und dem 31. Oktober 2019 in allen drei Kantonen gesunken.

Den weitaus stärksten Rückgang musste Basel-Stadt hinnehmen, wo das Volumen im Vorjahresvergleich von 1,7 Milliarden auf 575,5 Millionen Franken zusammensackte (-66,2 %). Im Stadtkanton fehlten diesmal Grossprojekte wie die Roche-Neubauten, die allein in der Vorjahresperiode mit 600 Millionen Franken zu Buche schlugen. Insgesamt drei Milliarden Franken will der Pharmagigant in den Ausbau seines Hauptsitzes investieren. Neben dem 205 Meterhohen Bau 2, dem höchsten Gebäude der Schweiz, will er mehrere 16 bis 132 Meter hohe Bauten für ein Forschungs- und Entwicklungszentrum hochziehen.

Wohnungsnot gestoppt

Geschrumpft ist in Basel-Stadt aber auch das Volumen der eingereichten Baugesuche für Mehrfamilienhäuser von 645,9 auf 332,4 Millionen Franken (-48,5 %). 2018 waren am Rheinknie so viele neue Wohnungen gebaut worden wie seit 1981 nicht mehr. Mit 807 Logis erreichte die Wohnungsproduktion gemäss dem kantonalen Statistischen Amt mehr als das Doppelte des Vorjahreswerts.

Massgeblich zum Ergebnis trugen fünf grosse Überbauungen mit jeweils mehr als 50 Wohneinheiten bei. Die rege Bautätigkeit zeigte Wirkung: Die Leerstandsquote stieg innert Jahresfrist bis zum Stichtag 1.Juni 2019 von 0,71 auf 1,02 Prozent, obwohl die Bevölkerung weiter wuchs. Die Wohnungsnot, die ab einer Quote von unter einem Prozent gilt, ist damit im Stadtkanton offiziell vorbei.

Die Investitionen in Einfamilienhäuser verharren in Basel seit jeher auf einem vergleichsweise bescheidenen Niveau. Die geplante Bausumme stieg im Vergleich zum Vorjahr von 32,0 auf 35,7 Millionen (+11,6 %), doch sie bewegte sich im langjährigen Durchschnitt. Der Industriebau legte von 13,2 auf 26,2 Millionen zu (+98,5 %). Er blieb aber weit hinter der Bestmarke von 386,9 Millionen aus der vorangegangenen Periode zurück. Das Volumen im Bürobau verringerte sich von 116,8 auf 49,4 Millionen (-57,7 %).

Arlesheim BL Kompetenzzentrum für Technologiefirmen

Quelle: IEU Kommunikation AG

In Arlesheim BL wird ein Kompetenzzentrum für Technologiefirmen gebaut. Das Projekt «Uptown Basel» kostet 400 bis 500 Millionen Franken.

Baselbiet als «Hüsli»-Kanton

Im Kanton Baselland nahm die geplante Bausumme gegenüber dem Vorjahr von 1,6 auf 1,4 Milliarden Franken ab (-14,0 %). Das Volumen der Baueingaben für Mehrfamilienhäuser erhöhte sich von 737,4 auf 787,6 Millionen (+6,8 %). Die geplante Bausumme der Einfamilienhäuser fiel dagegen von 245,3 auf 206,2 Millionen (-15,9 %). Der Landkanton weist nach Glarus die höchste «Hüsli»-Dichte aller Kantone auf, wie eine Erhebung des Bundesamts für Statistik ergeben hat. Der Anteil der Einfamilienhäuser am Gebäudebestand beträgt knapp 70 %. Auch im Baselbiet stehen mehr Domizile leer. Die Leerstandsquote nahm von 0,76 auf 1,06 Prozent zu.

Im Industriebau brach das Volumen der Baugesuche von 158,5 auf 57,8 (-63,5 %) ein, im Bürobau von 324,4 auf 87,0 Millionen (-73,2 %). Allerdings waren die geplanten Investitionen im Industrie- und Bürobau im letzten respektive vorletzten Jahr auf Rekordhöhen geschossen.

Von 1,5 auf 1,2 Milliarden Franken ging die geplante Bausumme im Kanton Solothurn zurück (-17,6 %). Das Volumen der Baugesuche für Mehrfamilienhäuser schrumpfte von 721,3 auf 518,6 Millionen Franken (-28,1%). In der Vorjahresperiode hatte es allerdings den höchsten Wert der vergangenen fünf Jahre erreicht. Die Bausumme der Einfamilienhäuser verminderte sich von 381,2 auf 338,8 Millionen (-11,1 %), wobei sie sich zuvor ebenfalls auf einem hohen Niveau bewegt hatte. Solothurn gehört wie Baselland zu den Kantonen mit einer hohen Dichte an Einfamilienhäusern.

Die Leerstandsziffer erhöhte sich trotz des Bevölkerungswachstums von 2,98 auf 3,40 %. Der Kanton Solothurn wies damit wie schon im letzten Jahr die schweizweit höchste Leerwohnungsziffer aus. Als einziger Kanton überschritt er markant die Drei-Prozent-Marke. Das deutet auf den ersten Blick auf eine überhitzte Bautätigkeit hin. Andererseits machen die leerstehenden Wohnungen in Neubauten bloss etwa ein Viertelprozent des gesamten Wohnungsbestands im ganzen Kanton aus. Der Industriebau verzeichnete in Solothurn einen Anstieg von 153,7 auf 162,2 Millionen (+5,5 %), der Bürobau einen Rückgang von 46,5 auf 44,5 Millionen (-4,3 %).

Hohe Investitionen in den Tiefbau

Wie sich die Bauwirtschaft der Kantone Basel-Stadt, Baselland und Solothurn im ersten und zweiten Quartal dieses Jahres behauptet hat, zeigen die vierteljährlichen Erhebungen des Schweizerischen Baumeisterverbands (SBV) bei seinen Mitgliedern(rote Grafiken). Per Stichtag 1. Juli nahm die Bautätigkeit in den drei Nordwestschweizer Kantonen insgesamt um 13,5 % zu, nachdem sie 2018 im ersten Semester auf einen Tiefstand gefallen war. Die Umsätze stiegen im Vergleich mit der Vorjahresperiode von 432 auf 490,4 Millionen Franken. Davon entfielen 234,5 Millionen auf den Hoch- und 255,9 Millionen auf den Tiefbau.

Die Umsätze erhöhten sich nicht nur im Tiefbau (+17,1%), sondern auch im Hochbau (+9,8 %). Im privaten Wohnungsbau wuchsen sie leicht um 1,3 % auf 144,3 Millionen, im übrigen Hochbau um 29,4 % auf 63,9 Millionen. Ins Auge springt der Anstieg im öffentlichen Tiefbau von 157,6 auf 207,5 Millionen (+31,7 %). Dieser Zuwachs ist dem Kanton Baselland zuzuschreiben, wo die Umsätze im öffentlichen Tiefbau von 71,3 auf 147,7 Millionen hochschnellten (+107,2 %). Die Umsätze im öffentlichen Hochbau aller drei Kantone stiegen um 21,1 % auf 26,2 Millionen.

Der Arbeitsvorrat in der Basler, Baselbieter und Solothurner Baubranche nahm per Stichtag 1.Juli gegenüber dem Vorjahr insgesamt um kräftige 59,5 % zu, wie die Erhebungen des Baumeisterverbands weiter ergeben haben. Einen Zuwachs verzeichneten sowohl der Hochbau (+34,7 %) als auch der Tiefbau (+79,9 %), der allerdings mengenmässig weniger ins Gewicht fällt. Der öffentliche Hochbau legte sogar um 280,7 % zu. Rückläufige Tendenzen ermittelte der SBV dagegen im Wohnungsbau (-14,2 %).

Geschrieben von

Ehemaliger Redaktor Baublatt

Stefan Gyr war von April 2015 bis April 2022 als Redaktor für das Baublatt tätig. Seine Spezialgebiete waren politische, rechtliche und gesellschaftliche Fragen sowie Themen der Raumentwicklung.

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