Bauregion Thurgau und Appenzellerland: Thurgauer in Rekordlaune
Der Kanton Thurgau hat lauter Rekorde gebrochen: 2021 verzeichnet man den grössten Budgetüberschuss und die tiefste Arbeitslosenquote in der kantonalen Geschichte. Auch die beiden Appenzell stehen finanziell sehr gut da. Langfristig aber könnte sich der Wind drehen.
Quelle: Migros
Luftbild der Baustelle zum Migros-Neubau in Herisau. Im Dezember soll das neue Gebäude eröffnet werden.
Der Kanton Thurgau trotzt der Pandemie. Letztes Jahr
verzeichnete man mit 132 Millionen Franken das grösste Plus in der Geschichte
des Kantons. Deshalb sieht man das Budget fürs 2023 gelassen, auch wenn dieses
ein Minus von 80 Millionen vorsieht, in etwa genauso hoch wie die geplanten
Investitionen der Regierung, die unter anderem eine Lohnerhöhung für
Kantonsangestellte vorsieht.
Auch bei der Beschäftigung kann der Kanton einen Rekord
vermelden: Mit einer Quote von 1,8 Prozent Arbeitslosen weist der Thurgau
aktuell einen Allzeit-Tiefststand auf. Dieses positive Bild wird durch die Zahl
der Baugesuche abgerundet: 2931 waren es im letzten Jahr, wobei 940 Projekte
ausserhalb der Bauzonen realisiert wurden. Auch dies ist ein Rekord. Für die
Bearbeitung der zahlreichen Gesuche musste sogar die Baugesuchszentrale
personell aufgestockt werden.
Zahlreiche Firmengründungen
Den Thurgauer Rekordzahlen in Sachen Finanzen und
Arbeitslosenquote zugrunde liegt der Umstand, dass der Kanton für Unternehmen
äusserst attraktiv ist und letztes Jahr 87 Firmen aus anderen Kantonen abzügeln
konnte, womit man bei der Netto-Zuwanderung schweizweit in der Spitzengruppe
rangiert. Vor allem Unternehmen aus dem benachbarten Zürich konnten gewonnen
werden, gegenüber dem der Thurgau mit verfügbarem Bauland und Immobilien zu
günstigen Preisen aufwarten kann.
Zu den Gesuchen, welche die Baugesuchszentrale demnächst wird bearbeiten dürfen, wird voraussichtlich auch die Sanierung und technische Erneuerung der ARA Frauenfeld gehören: Der Abwasserverband hat einen Planungskredit gutgeheissen, so dass die Arbeiten am rund 20 Millionen Franken teuren Projekt voran-gehen können. Der Bund wird rund 11 Millionen der Gesamtkosten übernehmen. Gebaut werden soll von 2024 bis 2026.
Quelle: Mirjam Schäfer / Stadt Frauenfeld
Die Bauarbeiten am neuen Hallenbad Frauenfeld laufen auf Hochtouren. Bereits Ende nächsten Jahres soll der 40 Millionen Franken teure Neubau im Herzen der Stadt bezugsbereit sein.
Neues Hallenbad bis 2023
Mitten in der Realisierung ist ausserdem ein Grossprojekt im Herzen Frauenfelds: Hier entsteht das neue Hallenbad, dessen Arbeiten vor einem Jahr begannen und noch bis Ende 2023 dauern dürften. So lange müssen die Thurgauer Badefreunde also noch zuwarten, bis das 40-Millionen-Franken-Projekt abgeschlossen sein wird.
Dazu kommt der Steuervorteil: Die Unternehmensgewinnsteuer liegt zwischen 12,5 und 14,1 Prozent. So zahlt zum Beispiel ein ertragsstarkes Unternehmen im Hauptort Frauenfeld bis zu sieben Pro-zent weniger Gewinnsteuer als in der Stadt Zürich.
Grossprojekt in Wigoltingen
Auch in Wigoltigen ist ein Grossprojekt in Planung. Mehrere Jahre lang sollte in der Gemeinde das Outletcenter «Edelreich» entstehen, das am Ende aber doch nicht zustande kam. Nun liegt ein neues Projekt vor: Ein Genfer Joint Venture will auf dem Gelände den zweitgrössten Industriepark der Schweiz schaffen, auf welchem sich Firmen mit zukunftsfähigen Technologien ansiedeln sollen. So will die Swiss Clean Battery eine Batteriefabrik errichten, die im Endausbau 7,6 GWh auf 100 000 Quadratmetern Fläche produzieren und über 1000 Mitarbeiter beschäftigen soll.
Das Joint Venture besitzt nach eigenen Angaben bereits 13 industrielle Vermögenswerte in der Schweiz und plant unter dem Label «Beezi» eine ganze Kette an Schweizer Industriezonen mit Gemeinschaftsflächen wie Restaurant oder Konferenzräumen. Das erste Beezi-Zentrum ist seit 2021 in Tolochenaz westlich von Lausanne im Bau.
Umzonung von Weilern
Gestiegen sind im Kanton Thurgau indessen die Preise fürs Wohneigentum, wie der jüngste Eigenheimindex der Kantonalbank zeigt: Stand dieses Frühjahr betrug der Anstieg gegenüber dem letzten Herbst 3,1 Prozent; innert Jahresfrist sind die Preise gar um 6,4 Prozent angestiegen.
Good News gibt es in Sachen kantonaler Richtplan: Diese raumplanerische Grossübung konnte nach mehr als zehn Jahren abgeschlossen werden. Letztes und besonders heikles Kapitel war die Siedlungsentwicklung in den über 300 Weilern: Hier musste die Raumplanung ans Bundesrecht angepasst werden, was die bauliche Entwicklung in rund der Hälfte dieser Weiler massiv einschränkt. Einst eingezontes Bauland muss wieder zu Nichtbauland zurückgestuft werden. Der Kanton hat nun aber ein Gesetz ausgearbeitet, dass betroffene Landbesitzer bei Härtefällen entschädigt.
Quelle: LID, Jonas Ingold, flickr CC BY-SA 2.0
Die Teilrevision des neuen Energiegesetzes war im Ausserrhoder Kantonsrat unbestritten. Im Bild: Haus im Kanton Appenzell Ausserrhoden.
Ausserrhoden fördert Erneuerbare
Die Stimmberechtigten des Kantons Appenzell Ausserrhoden haben deutlich Ja gesagt zu einem strengeren Energiegesetz: Demnach müssen bis 2035 total 40 Prozent des verbrauchten Stroms aus erneuerbaren Energien stammen. Beim Ersatz einer Heizung müssen neu 20 Prozent der verbrauchten Energie aus erneuerbaren Quellen stammen, was Öl- oder Gansheizungen praktisch verunmöglicht. Ein Brennstoffhändler hatte das Referendum ergriffen, unterstützt von der SVP. Doch 61 Prozent der Abstimmenden folgten dem Kantonsparlament, welches das Energiegesetz noch deutlicher angenommen hatte. Im Parlament hatte sich auch die SVP noch für das Gesetz ausgesprochen.
Finanziell hat Ausserrhoden zwei sehr gute Jahresabschlüsse hinter sich; letztes Jahr schloss der Kanton sogar gut 36 Millionen Franken besser ab als erwartet. Einen wichtigen Teil machten hierbei die 25,6 Millionen aus, die von der Nationalbank flossen. Doch diese Gewinnausschüttung dürfte in den nächsten Jahren massiv einbrechen oder gar ganz wegfallen. Dazu befürchtet man, dass bis 2026 auch rund 10 Millionen Franken weniger durch den Nationalen Finanzausgleich fliessen dürften. Ob trotzdem eine Steuersenkung möglich ist, wird zurzeit diskutiert.
Neuer Bahnhof Herisau entsteht
Auf Hochtouren läuft im Kantonshauptort Herisau die Neugestaltung des Bahnhofareals, das 2020 vom Stimmvolk deutlich gutgeheissen wurde. Das Projekt löst funktionale Mängel, die im Laufe der Jahre durch den wachsenden Verkehr und die knappen Platzverhältnisse entstanden sind, und schafft zugleich Freiraum für die Entwicklung mehrerer Baufelder rund ums Bahnhofsareal. Die Bauarbeiten werden acht Jahre dauern und gegen 60 Millionen Franken kosten. Der Bund wird im Rahmen des Agglomerationsprogrammes voraussichtlich ein Viertel dieser Kosten übernehmen.
Auch wirtschaftlich geht es dem Halbkanton gut: Die Anzahl Firmengründungen lag 2021 bei 87, gegenüber 77 im Jahr zuvor. Indes ist nicht bekannt, welche Branchen wie gut dastehen, da beim Handelsregister die Branchenzugehörigkeit nicht erfasst wird. Ein Ende ist gemäss dem Amt für Wirtschaft nicht in Sicht, abgesehen natürlich von der globalen Unsicherheit durch den Ukraine-Krieg.
Hoch ist die Nachfrage nach Einfamilienhäusern und Eigentumswohnungen, vor allem in den Gemeinden Teufen und Speicher. Der Immobilienmarktbericht der St. Galler Kantonalbank stellt deshalb einen starken Anstieg der Immobilienpreise fest, stolze 14 Prozent gegenüber dem Vorjahr.
Quelle: zvg, Gemeinde Herisau
Visualisierung des neuen Verwaltungs- und Betriebsgebäudes in Herisau.
Überschuss für Innerrhoden
Der Kanton Appenzell Innerrhoden hat volle Kassen und rechnet fürs nächste Jahr mit einem Plus von 3,5 Millionen Franken. Fürs laufende Jahr sollen sogar 7,5 Millionen Überschuss erzielt werden; dies dank den schweizweit tiefsten Arbeitslosenzahlen und einem florierenden Tourismus. Dazu kommt, dass die Investitionen tiefer ausfallen: Der geplante Spitalneubau ist vom Tisch, womit Ausgaben von 40 Millionen Franken wegfallen. Wegen einiger geplanter Projekte und der aktuellen Lage rechnet die Finanzdirektion aber ab 2025 mit einer Verschuldung, weshalb keine Steuersenkungen geplant sind.
Geplant sind Investitionen von 23 Millionen Franken, etwa für den Ersatzbau des Verwaltungsgebäudes und die Sanierung und den Neubau des Bürgerheims. Gemäss Finanzplan sollen auch die Investitionen in das Wasserbauprogramm und die Strassen steigen. Hiervon kann der Kanton nur 16 Prozent aus eigener Kraft finanzieren; der Rest muss über die Reserven oder Schulden erfolgen.
Zu Buche schlägt unter anderem, dass Innerrhoden ab 2024 vom Nehmer- zum Geberkanton im Nationalen Finanzausgleich werden dürfte, zusammen mit Basel-Stadt und Zürich. Während der Halbkanton 2018 also noch 8,4 Millionen Franken aus dem Ressourcenausgleich erhielt, dürfte er 2024 immerhin 200‘000 Franken einzahlen müssen.