Bauregion Solothurn: Wieder Fahrt aufgenommen
Die stark vom Export abhängige Solothurner Wirtschaft hat
sich 2021 zu einem grossen Teil von der Corona-Krise erholt. Der
Kanton rutscht wieder in die roten Zahlen. Eine Initiative zur Steuersenkung könnte
zu Einnahmenausfällen von rund 300 Millionen Franken führen.
Quelle: Kanton Solothurn
Der rund 340 Millionen Franken teure Neubau des Bürgerspitals Solothurn wurde im Frühling in Betrieb genommen. Die Bauarbeiten nahmen fast sieben Jahre in Anspruch.
Die Corona-Krise hat Solothurn 2020 härter als andere
Kantone getroffen. Die Wirtschaft des Kantons am Jura-Südfuss ist geprägt von
der Uhrenindustrie, der Medizinal- und Präzisionstechnik – alles Branchen, die
stark vom Export abhängig sind. Genauso wie die ebenfalls wichtige
Zuliefererindustrie. «Das Corona-Virus hat unsere Wirtschaft in ihren
Grundfesten erschüttert», sagte damals Daniel Probst, Direktor der Solothurner
Handelskammer. Der stellvertretende Handelskammer-Direktor Christian Hunziker
sprach von der «tiefsten Krise der Solothurner Wirtschaft seit den
70er-Jahren». Das Bruttoinlandprodukt dürfte im Kanton um 4 bis 5 Prozent
zurückgegangen sein.
Doch das gemeinsam erarbeitete Wirtschaftsbarometer der
Handelskammer und des kantonalen Gewerbeverbands lieferte in diesem Jahr
unerwartet gute Nachrichten: Die Solothurner Wirtschaft konnte wieder auf den
Wachstumspfad zurückkehren. Nach einem verhaltenen Jahresauftakt habe sie im
zweiten Quartal deutlich Fahrt aufgenommen und lasse die Corona-Krise nun
allmählich hinter sich: Dies ist das Fazit der Umfrage, an der über 300
Unternehmen teilnahmen.
Optimistische Wirtschaft
Umsätze, Auftragseingänge und Kapazitätsauslastung
werden von den Firmen positiv bewertet. Allerdings können längst nicht alle
Branchen aufatmen. Treiber des Wirtschaftswachstums sind die Medizinaltechnik
und die Maschinen-, Elektro- und Metallindustrie, das Baugewerbe, der
Finanzsektor, die ICT-Branche, und die Logistik. Demgegenüber erholen sich
Wirtschaftszweige wie das Gastgewerbe, die Event-, Reise- und Freizeitindustrie
nur langsam. Im Gastgewerbe als einer der am härtesten von den Schutzmassnahmen
betroffenen Branchen macht sich offenbar dennoch wieder Optimismus breit.
”Die Pandemie hat sich auf die Bautätigkeit im Kanton zum Glück relativ moderat ausgewirkt.
Bruno Fuchs, Präsident Solothurner Baumeisterverband
Die Solothurner Bauwirtschaft hat bereits das Coronajahr
2020 vergleichsweise gut gemeistert. Die Pandemie habe sich «auf die
Bautätigkeit im Kanton zum Glück relativ moderat ausgewirkt», sagt Bruno Fuchs,
Präsident des Solothurner Baumeisterverbands. Wohl sei der Aufwand auf den
Baustellen durch die vorgeschriebenen Schutzkonzepte grösser geworden, und
einzelne Prozesse hätten sich wegen der Homeoffice-Pflicht von Planungsbüros
und Behörden verlangsamt. «Aber wir konnten im Kanton das ganze Jahr arbeiten
und waren nie von einer Baustellenschliessung betroffen.»
Der Shutdown scheint auch einen Umbauboom ausgelöst zu
haben. In vielen Solothurner Gemeinden wurde eine starke Zunahme der Baugesuche
für kleinere An- und Umbauten, Renovationen sowie energetische Sanierungen
festgestellt. Spürbar mehr Aufträge für die Baufirmen seien dadurch aber nicht
entstanden, sagt Fuchs. Viele Hausbesitzer nutzten offenbar die freigewordene
Zeit in den eigenen vier Wänden, um selbst Hand anzulegen.
Wie in der ganzen Schweiz erhöhte sich auch im Kanton
Solothurn die Zahl der Firmengründungen. 2020 übertraf die Anzahl der
Neueintragungen von Unternehmen jene von 2019 um 9 Prozent. Landesweit wurde
eine Zunahme um 5 Prozent verzeichnet. Der Auslöser dürfte die Krise gewesen
sein, weil Finanzierungsmöglichkeiten nun günstig sind. 2020 war bereits ein
Rekordjahr, doch 2021 toppt nochmals alles. Bis Ende September wurden in
Solothurn 945 neue Firmen gegründet. 2020 waren es im selben Zeitraum 856. Das
bedeutet einen Anstieg von rund 10 Prozent.
Wettbewerbsfähigkeit verbessert
Deutlich verbessert hat sich die Wettbewerbsfähigkeit des
Kantons Solothurn im schweizweiten Vergleich. Im UBS-Kantonsranking hat er so
stark zugelegt wie kein anderer Kanton. Im Vergleich zur letzten Studie machte
er drei Ränge gut und landete auf dem 14. Platz. Bei den Faktoren, die
politisch nicht beeinflussbar sind, lag er sogar auf Platz elf. Nicht
veränderbar ist etwa die Geografie eines Kantons, die zum Beispiel einen
grossen Einfluss auf die Erreichbarkeit und damit Konkurrenzfähigkeit hat.
In drei Bereichen blieb Solothurn aber unter dem
Landesschnitt: Kostenumfeld, Innovation und Arbeitsmarkt. Der mit Abstand
wichtigste Faktor für das Abschneiden von Solothurn war die Steuerbelastung.
Dies, obwohl der Kanton mit der Senkung der Unternehmenssteuern Anfang 2020
Boden gutgemacht hat. Das grösste Verbesserungspotenzial bestehe bei der
Unternehmensbesteuerung, schrieb die «Solothurner Zeitung». Aber auch ein
geringeres Haushaltsdefizit könnte dazu beitragen, die Wettbewerbsfähigkeit von
Solothurn zu steigern.
Der Mittelland-Kanton hat erst gerade den zuvor aus dem
Gleichgewicht geratenen Staatshaushalt wieder ins Lot gebracht. Die Rechnung
2020 schloss mit einem Ertragsüberschuss von 59 Millionen Franken ab. Das war
zwar knapp 43 Millionen schlechter als im Vorjahr, aber gut 69 Millionen besser
als in Budget vorgesehen. Und dies trotz Rückstellungen von 53 Millionen
Franken für die Bewältigung der Corona-Krise. Zu verdanken war das Ergebnis vor
allem der vierfachen Gewinnausschüttung der Nationalbank, die 85 statt 21
Millionen Franken in die Staatskasse spülte. Für dieses Jahr wurde ein
Voranschlag mit einem Minus von 21,5 Millionen Franken verabschiedet.
Angesichts der Umstände hielt sich der Fehlbetrag damit ihm Rahmen.
Doch die Aussichten für die kommenden Jahre sind düster. Der
Finanzplan rechnet mit Defiziten zwischen 30 und 80 Millionen Franken. Aus den
Reihen der SVP und der FDP ist der Ruf nach einem neuen Sparpaket laut
geworden. Für das nächste Jahr hat die Regierung inzwischen einen Voranschlag
mit einem Aufwandüberschuss von 16,1 Millionen vorgelegt. Sie lehnt aber einen
FDP-Vorstoss für einen neuen Massnahmenplan «zur nachhaltigen Stabilisierung
und Verbesserung des Staatshaushalts» ab. Ein Sparprogramm wie in den Jahren
2013 und 2014 erachtet sie «zum heutigen Zeitpunkt» nicht als notwendig. Anders
als damals sehe man heute einem strukturellen Defizit im Ausmass von 150
Millionen Franken gegenüber. Und der Regierungsrat sei schon heute daran, seine
Aufgaben laufend zu überprüfen und im Rahmen des ordentlichen Budgetprozesses
auch anzupassen.
Der Kanton ist aber nach wie vor stark vom nationalen
Finanzausgleich abhängig. 2022 soll Solothurn noch einmal fast zehn Millionen
mehr erhalten als in diesem Jahr: 406,8 Millionen Franken. Der Geldsegen ist
natürlich hochwillkommen für die Staatskasse, aber grosse Freude darüber will
keine aufkommen. Denn er widerspiegelt, wie strukturschwach der Kanton
weiterhin ist. Die knapp 407 Millionen entsprechen fast der Hälfte des Betrags,
den er selber aus Steuern einnimmt. Ohne die Unterstützung aus dem
Finanzausgleich wäre er schlicht nicht in der Lage, seine Aufgaben in vollem
Umfang zu erfüllen.
Hohe Steuerausfälle drohen
Die Steuersenkungsinitiative «Jetz si mir draa», die von
einem überparteilichen Komitee eingereicht wurde, könnte seine Finanzlage
verschärfen. Danach soll die Steuerbelastung für alle Solothurner
Steuerpflichtigen auf maximal 120 Prozent des schweizerischen Durchschnitts
gesenkt werden. In einem zweiten Schritt soll niemand im Kanton mehr Steuern
bezahlen müssen als der Schweizer Durchschnitt. Eine Annahme würde zu
Steuerausfällen von 63 Millionen Franken ab 2023 und über 130 Millionen ab 2030
führen – allein für den Kanton. Für Kanton und Gemeinden zusammen wären es gut
300 Millionen Franken.
Auf einen Auftrag des Kantonsrats hin hat die Regierung einen Gegenvorschlag ausgearbeitet. Anders als die Initiative soll der Gegenvorschlag gezielt die Einwohner mit unteren und mittleren Einkommen und besonders die Familien entlasten. Dies einerseits durch tarifliche Anpassungen und andererseits durch eine Erhöhung des Kinderabzugs von 6000 auf 9000 Franken pro Kind. Der Gegenvorschlag hätte Steuerausfälle im Umfang von 52,3 Millionen Franken zur Folge. Den Kanton würde das 25,2 Millionen kosten, während die Gemeinden 27,1 Millionen verlieren würden. Für das Initiativkomitee ist der Gegenvorschlag ungenügend. Es hält an seinem Begehren fest. Beide Vorlagen sollen dem Volk in einer Variantenabstimmung unterbreitet werden.