Bauregion Baselland: Wachstum mit Schmerzen
Im Baselbiet sind mehrere grosse Bauprojekte am Widerstand
der Bevölkerung gescheitert. Der Landkanton wurde auch durch eine Reihe von
Affären erschüttert. In der Corona-Krise ist er bisher mit einem blauen Auge
davongekommen. Die Regierung will jetzt die Steuern für Vermögende senken.
Grossprojekte haben es schwer im Baselbiet. Gleich mehrere
Millionenvorhaben im Ballungsgebiet um die Stadt Basel sind in den letzten
Monaten gescheitert. Die Stimmberechtigten des Landkantons versenkten an der
Urne die Verlängerung der Tramlinie 14 nach Salina Raurica und Augst. Nach dem
deutlichen Volksnein legten der Kanton und die Gemeinde Pratteln die laufende
Planung für den östlichen Teil des grossen Entwicklungsgebiets Salina Raurica
auf Eis. In Münchenstein schickte das Stimmvolk die Pläne für eine
Grossüberbauung auf dem VanBaerle-Areal mit einem hauchdünnen Unterschied von
zehn Stimmen bachab. Auf dem ehemaligen Industrieareal sollten auf 22 000
Quadratmetern über 400 Wohnungen für rund 1000 Bewohner entstehen.
«Leuchtturmprojekt» gescheitert
In Aesch lehnte die Stimmbevölkerung einen
Investitionskredit von 19,5 Millionen Franken für eine neue Kultur- und
Sporthalle wuchtig ab. Geplant war ein Holzkuppelbau, der Platz für 2000
Personen bietet und mit einer spektakulären Architektur über die Grenzen der
Gemeinde ausstrahlt – ein «Leuchtturmprojekt», wie es der Gemeinderat nannte.
In Reinach erlitten Pläne für fünf ovale Gebäude mit rund 40 Wohnungen auf dem
Buchloch-Areal an der Urne Schiffbruch. Naturschützer wehrten sich erfolgreich
gegen das Bauvorhaben bei einer Waldlichtung. An Filzvorwürfen scheiterte eine
beheizte Velo-Hochbahn zwischen Pratteln und der Römerstadt Augusta Raurica,
die pünktlich zum Eidgenössischen Schwingfest 2022 in Pratteln hätte entstehen
sollen.
Nur wenige Grossprojekte haben in der letzten Zeit den Segen
der Bevölkerung erhalten. In Birsfelden zum Beispiel können ein 73 Meter hohes
Wohnhaus und zwei tiefere Gebäude mit insgesamt 150 neuen Wohnungen gebaut
werden. Und in Allschwil haben die Stimmberechtigten grünes Licht für ein 40
Meter hohes Bürogebäude von Herzog & de Meuron im Boomgebiet Bachgraben
gegeben.
Die Gründe für den Widerstand gegen grosse Bauvorhaben ortet
die «BZ Basel» in Wachstumsschmerzen der stadtnahen Baselbieter Gemeinden. Der
Identitätsverlust und eine gewisse Gesichtslosigkeit dieser Gemeinden als Folge
einer schlechten Planung in den Boomjahren erschweren nach ihrer Meinung die
weitere raumplanerische Entwicklung und Verdichtung. Teile dieser Bevölkerung
wehren sich laut der Zeitung gegen die Einsicht, dass sie längst nicht mehr auf
dem Land leben, sondern in einem einzigen zusammenhängenden urbanen Raum.
Die Agglomerationsgemeinden rund um Basel haben in den
vergangenen Jahren einen enormen Wachstumsschub erlebt. Dieser unterscheidet
sich deutlich vom Wachstum, das von den späten 60er- bis in die 90er-Jahre zu
beobachten war. Damals schossen in den Gemeinden im sogenannten Speckgürtel die
Einfamilienhäuser wie Pilze aus dem Boden und lockten junge Stadtflüchtige an.
Der Boden wurde hier aber immer knapper und teurer. Heute entstehen anstelle
dieser Einfamilienhäuser vielerorts kleinere Wohnblöcke. Eher notgedrungen und
architektonisch oft einfallslos folgt man dem Prinzip der räumlichen
Verdichtung.
Skandal um Bauabfalldeponie
Baselland hat in der jüngsten Zeit auch mit einer Reihe von
Affären unrühmlich von sich reden gemacht. Nach der Aufregung um die
Velohochbahn und den gerichtlichen Auseinandersetzungen um die
Schwarzarbeitskontrollen flog der Skandal um die Bauabfalldeponie Höli in
Liestal auf. Die Bürgergemeinde Liestal als Landeigentümerin kümmerte sich
zuvorderst um ihre Millioneneinnahmen und weniger um den Betrieb. Die an der
Betreibergesellschaft beteiligten Baufirmen und Transportunternehmen liessen
sich nicht zweimal bitten und stellten offenbar Mitbewerber schlechter oder
verwehrten ihnen sogar den Zugang zur Deponie. Die Wettbewerbskommission wird
nach ihrer eigenen Einschätzung zwei Jahre benötigen, um den Fall
aufzuarbeiten. Schon früher hat der Zürcher «Tages-Anzeiger» nach mehreren
Politskandalen ein Bild des Landkantons als Bananenrepublik gezeichnet.
Das Baselbiet erhielt denn auch in einer repräsentativen Umfrage des Online-Vergleichsportals Moneyland keine guten Noten. Moneyland wollte von insgesamt 1500 Personen in allen Kantonen wissen, wo ihnen die Menschen in der Schweiz am sympathischsten sind. Die Bewohner der Ferienkantone Tessin und die Graubünden schnitten in der Gesamtwertung am besten ab, die Genfer am schlechtesten. Die Einwohner von Basel-Stadt und Baselland landeten im Mittelfeld. Nachgerade abgewatscht wurden die Baselbieter aber im bevölkerungsreichsten Kanton. Bei den Zürchern sind die Bewohner keines anderen Kantons so unbeliebt wie die Landschäftler, wie die Umfrage ergab. Selbst die Basel-Städter, die nicht nur auf dem Fussballrasen in Konkurrenz mit den Zürchern stehen, kamen besser weg.
”Baselland gilt als Verlängerung des Stadtkantons Basel.
Klaus J. Stöhlker, PR-Berater
Die Gründe für die Abneigung der Zürcher dürften aber auch
in der auffälligen Profillosigkeit des Baselbiets im restlichen Land zu suchen
sein. In vielen Gebieten der Schweiz kennt man es wenig bis überhaupt nicht.
Landesweite Aufmerksamkeit zog der Landkanton zuletzt nur mit
Negativschlagzeilen auf sich. Die Anti-Corona-Demo im Kantonshauptort Liestal im
letzten Frühling hat wohl einigen in der Schweiz wieder einmal die Existenz des
Baselbiets ins Bewusstsein gerückt. «Baselland gilt als Verlängerung des
Stadtkantons Basel», sagt der Zürcher PR-Berater Klaus J. Stöhlker, der die
Region Basel gut kennt. Das Eidgenössische Schwing- und Älplerfest im August
2022 in Pratteln bietet dem Baselbiet die Gelegenheit, sich ins nationale
Schaufenster zu stellen wie noch nie zuvor.
Raus aus der Steuerhölle
Baselland soll auch seinen Ruf als Steuerhölle für
Vermögende loswerden, wenn es nach dem Willen der Kantonsregierung und der
bürgerlichen Parteien geht. Mit einer Steuerreform in zwei Schritten will der
Regierungsrat das Baselbiet im interkantonalen Steuerwettbewerb vom
Tabellenende ins Mittelfeld führen. Zuerst soll auf Anfang 2023 die
Vermögenssteuer herabgesetzt werden. Den Kanton kostet dies geschätzte 27
Millionen Franken pro Jahr. Weitere 15 Millionen Franken dürften die Gemeinden
zusammengezählt verlieren, wobei die steuergünstigen Kommunen im stadtnahen
Bezirk Arlesheim mit vielen Vermögensmillionären besonders betroffen sein
werden. Für 2027 plant die Regierung eine Reform der Einkommenssteuer und eine
zweite Revision der Vermögenssteuertarife. Zahlen nennt die Regierung dazu noch
keine.
Von den linken Parteien ist mit Widerstand zu rechnen. Wegen
der Corona-Pandemie hat sich der finanzielle Spielraum verkleinert. Bereits
seit Jahren weist der Kanton eine überdurchschnittliche Verschuldung auf. 180
Millionen Franken hat er 2020 zur wirtschaftlichen Abfederung der Krise, für
Spitalbehandlungen, Testen und Impfen ausgegeben. Die Rechnung schloss deswegen
mit einem Verlust von 52 Millionen Franken ab. Das Budget hatte noch einen
Gewinn von 39 Millionen Franken vorgesehen.
Der Baselbieter Staatshaushalt scheint aber den
Erschütterungen durch die Pandemie trotzen zu können. Für dieses Jahr wird eine
ausgeglichene Rechnung erwartet. Ab dem nächsten Jahr soll der Kanton wieder
schwarze Zahlen schreiben. Für 2022 hat der Regierungsrat einen Voranschlag mit
einem Überschuss von 9 Millionen Franken vorgelegt. In Jahren 2023 bis 2025
sind dann weitere Überschüsse von 17, 53 und 82 Millionen Franken vorgesehen.
«Wir haben die finanzielle Lage im Griff», sagt Finanzdirektor Anton Lauber
(Mitte).
Stabilisierend wirkte auch die wirtschaftliche Situation. So
ist das Bruttoinlandprodukt 2020 im Kanton Baselland um 1,4 Prozent
geschrumpft, während es im Schweizer Durchschnitt um drei Prozent
zurückgegangen ist. Zugute kommt dem Baselbiet der Branchen-Mix: Life Sciences,
eine breit gefächerte Palette an kleinen und mittleren Unternehmen, aber eine
eher untergeordnete Bedeutung der Hotellerie und Gastronomie. 2021 soll die
Wirtschaftsleistung im Baselbiet wie in der Schweiz um 3,4 Prozent zunehmen.
Gemäss dem Konjunkturforschungsinstitut BAK Economics wird die Baselbieter
Wirtschaft Ende 2022 wieder auf dem Pfad der Zeit vor Corona sein.