Bauregion Aargau: Genug Polster für magere Jahre
Rote Zahlen für die nächsten fünf Jahre: Die Zeit der positiven Jahresabschlüsse ist für den Aargau vorerst vorbei. Doch dank genügend Reserven bleibt die Finanzlage stabil. Und der Kanton investiert: Für rund 300 Millionen Franken sind zwei neue Kantonsschulen in Planung.
Quelle: Kantonsspital Aarau
Der Neubau des Kantonsspital Aarau ist auf seiner Endhöhe von zwölf Stockwerken angekommen. Nächstes Jahr ist das Gebäude bezugsbereit.
Anders als in Zürich gab es im Aargau am 3. März keine wichtigen kantonalen Abstimmungen. Diese stehen erst für Ende Oktober an, wenn die Erneuerungswahlen stattfinden und die 140 Mitglieder des Grossen Rats, des Aargauer Parlaments, für die Amtsperiode 2025-2028 bestimmt werden. Grosse Veränderungen in der parteilichen Zusammensetzung werden indes nicht erwartet.
Auch finanziell besteht im Aargau Stabilität und der Kanton hat die finanziellen Wirren der Pandemie gut überstanden: Die Jahresrechnung 2022 schloss mit einem Überschuss von 116 Millionen Franken, weshalb die Ausgleichsreserve im Moment mit 838 Millionen gefüllt ist. Doch für die nächsten Jahre dürfte sich dies ändern: Bereits für 2023 wird ein Minus von knapp 200 Millionen erwartet, dies vor allem wegen dem Wegfall der Zahlungen der Nationalbank. Aber auch die Finanzspritze von 240 Millionen Franken schlägt zu Buche, mit der die Kantonsspital Aargau AG aus ihrer Schieflage befreit wurde.
Quelle: Müllerbräu AG
Die geplante Überbauung des Müllerbräu-Areals in Baden: Letzte Einsprachen sind vom Tisch;.
Genügend Reserven
Kürzlich legte der Regierungsrat dem Grossen Rat den Finanzplan für die Jahre 2024-2027 vor, der diesen Trend bestätigt. Auch fürs laufende Jahr wird ein Minus von 132 Millionen erwartet. Und dies, obwohl der Kanton heuer mit hohen Steuereinnahmen rechnet. Für die folgenden drei Planjahre wird dieses Defizit auf 187 Millionen ansteigen. Immerhin reicht die Finanzreserve, um diese Verluste über die gesamte Planperiode aufzufangen.
Nach der letztjährigen Erleichterung bei den Steuern bleibt deshalb aktuell alles beim Alten, zumindest auf Ebene des Kantons. Auf Gemeindeebene haben die drei grössten Städte Aarau, Baden und Wettingen ihren Steuerfuss unverändert belassen. Daneben haben 16 Gemeinden ihren Steuerfuss gesenkt und 12 angehoben.
Jubel in Turgi
Grund zum Jubeln haben dabei die Steuerzahlenden in Turgi: Dank der Fusion mit dem benachbarten Baden sinkt der Satz dort gleich um 21 Prozentpunkte. In Kaiseraugst, der westlichsten Gemeinde des Kantons, profitiert man von der boomenden Wirtschaft und senkt seinen Satz abermals um fünf Punkte auf jetzt noch 60 Prozent. Zudem wird das Eigenkapital Ende Jahr stolze 47 Millionen betragen.
Noch kein Budget hat die Limmattaler Gemeinde Buchs: Per Volksabstimmung wurde eine massive Erhöhung des Steuerfusses von zehn Prozent abgelehnt. Das hatte sogar dazu geführt, dass ein Anschlag aufs Haus des Finanzvorstands verübt wurde – Unbekannte beschmierten die Hauswand und sprengten den Briefkasten. Fortsetzung folgt.
Quelle: Ackermann Immobilien AG / Zehnder Immobilien AG
Plan der Überbauung Lammet in Frick: In mehreren Etappen entstehen hier 98 Eigentumswohnungen, 25 Reihen- und 10 Doppeleinfamilienhäuser.
Stetiges Bevölkerungswachstum
Neben der Finanzspritze für die Spital AG sind es wie überall die Kosten fürs Sozial- und Bildungswesen, welche das Budget belasten. Dies nicht zuletzt aufgrund der Tatsache, dass der Aargau beständig weiter wächst, und zwar mit zunehmendem Tempo. Ende 2022 lebten 713'117 Menschen im Kanton, also fast Zehntausend mehr als im Jahr zuvor. Wobei diese Zunahme sich gleichmässig über alle zehn Bezirke verteilt.
Nicht überraschend sind auch die Preise für Wohnimmobilien im Kanton Aargau gestiegen, im letzten Jahr knapp ein Prozent. Blickt man 20 Jahre zurück, ist für Häuser und Wohnungen ein Preisanstieg pro Quadratmeter von 69 Prozent zu verzeichnen. Deutlich am höchsten sind die Quadratmeterpreise erwartungsgemäss im Osten des Kantons, an der Grenze zur Hochpreisinsel Zürich.
Quelle: Bundesamt für Statistik
Quelle: www.tivoli-garten.ch
Kurz vor Projektende stieg die Migros als Mieterin beim Tivoli-Garten in Spreitenbach aus, was noch einmal Anpassungen am 200-Millionen-Projekt nötig machte.
Tiefstwert bei Leerwohnungen
Ein weiterer Grund für diesen Anstieg ist auch im Aargau der Umstand, dass immer weniger freie Wohnungen auf dem Markt sind. Die Leerwohnungsziffer, bereits im Vorjahr auf historischem Tiefstwert, sank weiter auf nun noch 1,4 Prozent. Und dies, obwohl wieder mehr Wohnungen gebaut wurden. Gemäss kantonaler Baustatistik waren es im Jahr 2021 3815 Einheiten, was einer Zunahme von 1,2 Prozent entspricht. Vor allem in Mehrfamilienhäusern wird im Aargau Wohnraum geschaffen.
So zum Beispiel in Baden, das eine rege Wohnbautätigkeit verzeichnet: Der Akira-Tower beim Bahnhof ist kurz vor seiner Fertigstellung. Und nur einen Steinwurf weiter, beim Müllerbräu-Areal, können die Arbeiten beginnen, nachdem die letzten Einsprachen gegen das Projekt abgewiesen wurden. Die Brauerei errichtet auf dem Areal einen Neubau mit 137 Wohnungen, die Ende 2026 fertig sein sollen. Ebenfalls Teil des 63-Millionen-Projekts ist, natürlich, eine neue Bierhalle.
Migros verlässt Tivoli-Garten
Mit diversen Widrigkeit hat seit Beginn der Tivoli-Garten in Spreitenbach zu kämpfen, das in zwei 65 Meter hohen Wohntürmen 445 neue Wohnungen bereithalten wird. Erst wurde das Bauvorhaben durch Einsprachen gebremst, die von den Gegnern bis vors Bundesgericht weitergezogen wurden. Kürzlich kam eine neuerliche Hiobs-Botschaft: Der Obi-Baumarkt der Migros-Genossenschaft hat sich als Mieter im Erdgeschoss zurückgezogen.
Das ist umso bemerkenswerter, als das Projekt vor 17 Jahren durch die Migros überhaupt erst zustande kam. Damals wollte der Grossverteiler in Spreitenbach lediglich einen Baumarkt errichten, doch die Gemeinde verlangte, dass eine Wohnüberbauung in die Planung mit einbezogen wird. So entstand das heutige Projekt, das mit einer Geschossfläche von 67'700 Quadratmetern eins der grössten Hochbauprojekte des Landes darstellt.
Fünf Millionen Mehrkosten
Der Rückzug von Obi wird nun die Fertigstellung ein weiteres Mal verzögern, weil ein Teil des Erdgeschosses neu gestaltet werden muss. Statt einer Garten- und Pflanzenabteilung soll nun ein öffentlicher Stadtgarten entstehen. Das wird für Mehrkosten von rund fünf Millionen Franken sorgen, womit das Projekt die 200-Millionen-Grenze überschreitet.
Ohne solche Nebengeräusche wird im Fricktal eine weitere grosse Wohnüberbauung hochgezogen: Im Ortsteil Lammet entstehen 98 Eigentumswohnungen, 25 Reihen- und 10 Doppeleinfamilienhäuser. Die Wohnungen des ersten Baufelds sind in Kürze bezugsbereit, das zweite folgt nächstes Jahr. Weitere Termine stehen noch nicht fest, doch rund ein Viertel aller Wohnungen war bereits vor Baubeginn vergeben. Ein Indiz dafür, dass auch im Aargau der Bedarf nach Wohnraum hoch ist.
Quelle: HRS
Noch immer steht in den Sternen, wann der FC Aarau erstmals im neuen Stadion Torfeld Süd wird spielen können.
Endspurt beim «Dreiklang»
Der Kanton seinerseits darf vermelden, dass sein derzeit grösstes Bauprojekt nach Plan vorankommt: Der Neubau des Kantonsspitals Aarau ist auf seiner Endhöhe von zwölf Stockwerken angekommen, während der Innenausbau bereits seit Längerem auf Hochtouren läuft. Nächstes Jahr soll das Projekt «Dreiklang» abgeschlossen sein. Der riesige, 148 mal 126 Meter grosse und 46 Meter hohe Kubus wird am Ende 563 Millionen Franken kosten.
Ebenfalls in Aarau harzt ein privates Bauprojekt weiter: das Torfeld Süd. Zwar hatte das Bundesgericht der Bauherrin, der HRS Real Estate AG, den Bau von vier Wohntürmen bewilligt, mit denen das neue Fussballstadion querfinanziert werden soll. Auch danach eingegangene Beschwerden wurden abgewiesen. Doch seit der ersten Auflage des Nutzungsplans 2019 mussten die Lärmvorgaben angepasst werden, weshalb der Plan nach einer Vorprüfung beim Kanton noch einmal öffentlich aufgelegt wird. Erst danach kann der Gestaltungsplan beschlossen werden. Das bedeutet fürs Bauprojekt, dass dieses frühestens 2026 starten kann. Das erste Heimspiel im neuen Stadion könnte der FC Aarau demnach nicht vor 2029 austragen.
Quelle: Piet und Wim Eckert Architekten
Visualisierung der neuen Kantonsschule in Stein: Der Kanton gibt für Neu- und Erweiterungsbauten seiner Schulhäuser 300 Millionen Franken.
Neue Schulbauten nötig
In nur einem Jahr Bauzeit soll ein weiteres kantonales Projekt realisiert werden: Für 20 Millionen Franken entsteht in Lenzburg der Neubau des Bezirksgerichts, der zugleich den Stützpunkt der Kantonspolizei beherbergen wird. Die kurze Bauzeit wird nach einer hybriden Holz-Betonbauweise mit einem hohen Vorfertigungsgrad möglich.
Ein weiteres wichtiges Bauprojekt des Kantons wurde vom Grossen Rat in Gang gesetzt: Das Parlament entschied sich für Windisch als Standort des Neubaus der Mittelschule. Das neue Schulhaus wird nötig, um die ihrerseits wachsende Zahl von Schülerinnen und Schülerin unterzubringen. Als nächstes folgen nun planerische Schritte, so eine Anpassung des kantonalen Richtplans, ein Gestaltungsplanverfahren, die Festlegung des Raumprogramms, der Landerwerb und ein Architekturwettbewerb. In der ehemaligen römischen Stadt Windisch müssen zudem umfangreiche archäologische Vorabklärungen erfolgen.
Für Landkauf und Wettbewerb soll der Grosse Rat noch dieses Jahr einen Kredit von 22,5 Millionen bewilligen. Für den Bau selbst rechnet man mit Kosten von 155 Millionen. Die früheste Inbetriebnahme des Neubaus ist per Schuljahr 2035/36 möglich. Auch für weitere Schulbauten muss der wachsende Kanton Gelder bereitstellen: Aktuell läuft die Planung für die neue Kantonsschule in Stein, deren Standortentscheid letztes Jahr fiel. Der Neubau ist mit 62 Millionen veranschlagt und soll zwischen 2026 und 2029 gebaut werden. Noch etwas teurer, nämlich 64 Millionen, dürfte die Erweiterung der Kantonsschule Baden kosten, die bereits 2027 fertig sein soll.
Flugbetrieb für neue Karten
Quelle: Kanton Aargau
Die Stadt Baden auf der kantonalen Planhinweiskarte Nacht: Deutlich zu sehen die nächtlichen Wärmeinseln im Stadtkern - und die diversen Kaltluftströme in den umliegenden Wäldern und Grünflächen.
Bis Ende März wird über dem Aargau ein Flugzeugen kreisen und das Gelände des Kantons per Laserstrahl vermessen, mit einer Präzision von 20 Punkten pro Quadratmeter. Um das Terrain möglichst lückenlos zu erfassen, werden diese Messflüge noch vor dem Laubaustrieb durchgeführt.
Die Daten dieser Messung, die aus einer Flughöhe von rund 1000 Metern vorgenommen werden, bilden beispielsweise die Grundlage für die Entwicklung von kantonalen Klimakarten, die ihrerseits eine zentrale Planungsgrundlage für eine hitzeangepasste Siedlungsentwicklung darstellen.
Die verarbeiteten Daten stehen im Übrigen nicht nur Fachleuten, sondern auch interessierten Privatpersonen zur Verfügung. Voraussichtlich ab Herbst können sie via den AGIS-Geodatenshop bezogen werden. (bk)