Baurecht: Problematik der Vorbefassung im Beschaffungswesen
Die Vorbefassung im vergaberechtlichen Sinn bedeutet die Beteiligung an der Vorbereitung des Vergabeverfahrens. Dies kann geschehen durch das Verfassen von Projektunterlagen, durch das Erstellen von Ausschreibungsunterlagen oder durch das Informieren der Beschaffungsstelle über bestimmte technische Spezifikationen des zu beschaffenden Guts. Weshalb eine Vorbefassung problematisch ist und welche Folgen diese im konkreten Vergabeverfahren zeitigt, wird im vorliegenden Beitrag näher ausgeführt.
Quelle: Kai Felmy
Von Claudia Schnüriger*
Die Vergaberegeln bezwecken die Gewährleistung eines echten, fairen und transparenten Wettbewerbs, in welchem alle Anbietenden gleichbehandelt werden. Von zentraler Bedeutung ist dabei, dass für alle Wettbewerbsteilnehmer dieselben Bedingungen bestehen. Eine Beteiligung an der Vorbereitung des Vergabeverfahrens kann sich auf den Anbieterwettbewerb auswirken und mit Blick auf das Gleichbehandlungsgebot und das Verbot der Wettbewerbsverfälschung problematisch sein.
Der vorbefasste Anbieter kann, die im Rahmen der Vorarbeiten gewonnenen Erkenntnisse im nachfolgenden Ausschreibungsverfahren zu seinem Vorteil einsetzen oder die Beschaffung selbst auf die Stärken seiner Firma zuschneiden, um gegenüber der Konkurrenz einen Vorteil zu erhalten. Ein solcher Anbieter findet sich in einem Interessenskonflikt zwischen zwei Rollen wieder: als Unterstützer der Vergabebehörde einerseits sowie als potenzieller Anbieter in einem Vergabeverfahren andererseits.
Rechtsfolgen der Vorbefassung
Die Rechtsfolge des Ausschlusses aus dem Vergabeverfahren eines vorbefassten Anbieters tritt nur ein, wenn die Vorbefassung qualifiziert ist, das heisst eine gewisse Schwere und Tragweite erreicht. Personen oder Unternehmungen, die an der Vorbereitung der Vergabe mitgewirkt haben, dürfen wegen dieser Vorbefassung grundsätzlich nicht als Anbieter auftreten.
Unter eine qualifizierte Vorbefassung fällt gemäss Rechtsprechung insbesondere eine Mitwirkung, welche nicht nur untergeordneter Natur ist. Dies ist insbesondere dann anzunehmen, wenn eine Anbieterin die Planung oder Projektierung in Vorbereitung einer Ausschreibung durchgeführt hat, die betroffene Anbieterin zur gesamten Submission Studien oder Vorprojekte erstellt und eine vertiefte Analyse der Verhältnisse vorgenommen hat oder wenn die Anbieterin sogar wesentliche Teile oder die gesamten Ausschreibungsunterlagen erarbeitet hat. Ein Ausschluss eines Anbietenden ist nur bei Vorliegen eines unzulässigen Wettbewerbsvorteils rechtmässig.
Das Bundesgericht erachtet die Teilnahme eines vorbefassten Anbieters unter anderem dann als zulässig, wenn nur ein geringfügiger Wissensvorsprung gegenüber der Konkurrenz vorhanden ist. Eine Teilnahme ist auch dann unbedenklich, wenn die fraglichen Handlungen des Vorbefassten nur von untergeordneter Natur waren oder wenn aufgrund der Marktsituation die ausgeschriebene Leistung nur noch von wenigen Anbietern erbracht werden kann.
Nicht immer lässt sich eine Vorbefassung einzelner Anbieter vermeiden. Massgeblich ist, dass die Vergabestelle im Sinne der Gleichbehandlung die spezifischen Kenntnisse des vorbefassten Anbieters auch seiner Konkurrenz zugänglich macht. Wird der Wettbewerbsvorteil des vorbefassten Anbieters mit geeigneten Mitteln ausgeglichen, ist er mit dem Angebot zuzulassen. Art. 14 Abs. 2 BöB bzw. Art. 14 Abs. 2 IVöB zählen in illustrativer Weise Möglichkeiten auf, um die Chancengleichheit zu wahren.
Abgrenzung zum zulässigen Wissensvorsprung
Ein zulässiger Wissensvorsprung liegt vor, wenn dieser nicht dem aktuellen Vergabeverfahren, sondern der bisherigen Tätigkeit eines Anbietenden entspringt. Anbietenden kann nicht verwehrt werden, Vorwissen auszunützen, das sie sich durch frühere Arbeiten für dieselbe Unternehmung erworben haben.
*Zur Person
Quelle: Baur Hürlimann AG, Baden /Zürich.
Claudia Schnüriger ist Rechtsanwältin bei der Baur Hürlimann AG, Baden /Zürich.
Claudia Schnüriger ist Rechtsanwältin bei der Baur Hürlimann AG, Baden /Zürich. Sie ist auf folgende Fachgebiete spezialisiert: Beratungs- und Prozessmandate, Bau- und Immobilienrecht sowie Staats- und Verwaltungsrecht. Ihr Studium absolvierte Claudia Schnüriger an der Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften in Winterthur und der Universität Luzern. Im Jahr 2020 erlangte sie ihr Anwaltspatent. Bevor sie im Jahr 2021 ihre Anwaltstätigkeit bei der Baur Hürlimann AG aufnahm, arbeitete sie in einer Anwaltskanzlei im Kanton Zug.