Bauprognose: Baumarkt kommt nicht in Fahrt
Obwohl die Nachfrage nach Wohnungen im Eigentums- und Mietbereich gross ist, nehmen die Angebotsquoten laufend ab. Dabei bestehen zwischen den Regionen und Segmenten deutliche Unterschiede. Bei Einfamilienhäusern dürfte der Zenit überschritten sein, während der Bau von Büroflächen fast zum Erliegen gekommen ist. Impulse dürften jedoch vom Infrastrukturbau ausgehen.
Quelle: Pascale Boschung
Auch wenn die Bewilligungen der letzten vier Quartale den Fünfjahresdurchschnitt übertreffen, dürfte sich der Rückgang fortsetzen. Bild: Quartier mit Einfamilienhäusern in Estavayer-le-Lac.
Die Nachfrage nach Wohnungen sowohl im Eigentums- als auch im Mietbereich ist gross. Gleichzeitig stehen nur sehr wenige Wohnungen leer − am 1. Juni 2023 waren es gerade noch 1,15 Prozent der Objekte, und auch die Angebotsquoten nehmen laufend ab. In vielen Regionen der Schweiz ist mittlerweile von einer Wohnungsknappheit die Rede. Dazu kommt, dass die wirtschaftliche Situation stabil ist. Doch wie reagiert der Baumarkt auf diese Entwicklungen?
Nominal betrachtet sind die Hochbauinvestitionen in den letzten zwei bis drei Jahren leicht angestiegen. Das ist jedoch vor allem auf den steilen Anstieg der Baupreise in den Jahren 2021 und 2022 zurückzuführen. Ausserdem betreffen diese positiven Zahlen vorwiegend den Bereich Umbau und Erneuerung. Die Zahl der neu gebauten Wohnungen sinkt denn auch seit Jahren – genauso wie die Hochbauinvestitionen, wenn man ihre bauteuerungsbereinigte Entwicklung betrachtet.
Besonders stark ins Gewicht fällt dieser Rückgang bei den Mehrfamilienhäusern, und auch bei den Geschäftsflächen ist die Abnahme augenfällig. Immerhin wirkt das Segment «Übriger Hochbau» – bestehend aus Infrastruktur, Industrie, Gewerbe, Lager und Landwirtschaft –für die Bauwirtschaft als ein stabilisierender Faktor. Dafür verantwortlich ist vor allem der öffentliche Infrastrukturbau.
Quelle: Grafik: Baublatt Info-Dienst; BFS; Wüest Partner
Der Baupreisindex stieg zwischen April 2022 und April 2023 um 4,2 Prozent und bewegte sich damit deutlich unter dem Vorjahreswert von 8,1 Prozent. Im Vergleich zum Oktober 2022 betrug die Bauteuerung nur noch ein Prozent, was auf eine allmähliche Stabilisierung hindeutet. Hauptgrund dafür sind die Materialpreise, die nach der Wiederherstellung der Lieferketten wieder sinken. Zudem verliert die Baukonjunktur in der Schweiz an Schwung, was den Preiswettbewerb verstärkt und die Margen im Baugewerbe reduziert.
Unter dem Strich dürften so die gesamten Hochbauinvestitionen 2024, real betrachtet, unter das Niveau von 2013 zu liegen kommen – und dies, obwohl die Bevölkerung seither um rund zehn Prozent gewachsen ist. Mittelfrist kann damit gerechnet werden, dass der Hochbau wieder an Fahrt gewinnt. Schliesslich ist die fundamentale Nachfrage nach zusätzlichen Flächen aufgrund des ausgeprägten und robusten Wachstums der Schweizer Haushalte und Beschäftigen solide.
Warum kommt der Hochbau nicht in die Gänge?
Angesichts des robusten Arbeitsmarkts stellt sich die Frage, warum noch keine richtungsändernden Impulse auf dem Baumarkt zu sehen sind. Was sind die Gründe?
- Baupreisteuerung: Die Baupreise sind nach den starken Anstiegen vielerorts noch nicht gesunken.
Regulierungen:
Nachhaltigkeit, Lärmschutz, Behindertengerechtigkeit, Mieterschutz et
cetera – viele Regulierungen sind überaus sinnvoll und notwendig. Es ist
aber auch klar, dass jede zusätzliche Regulierung sowohl die Kosten
erhöht als auch die Projekte komplexer macht. Die meisten Regulierungen
wirken eher hemmend auf die Bautätigkeit, statt sie anzukurbeln.
- Zinsen: Der Anstieg der Hypothekarzinsen erhöht die Finanzierungskosten und gleichzeitig sorgt der Zinsanstieg dafür, dass Anlagealternativen wieder attraktiver werden, was zu einer Abnahme der Bauaktivitäten führt.
Konjunktur: Aufgrund allgemeiner Unsicherheiten wie Krieg und Energieversorgung schöpfen die Schweiz und damit auch die hiesige Bauwirtschaft ihr Wachstumspotenzial nicht voll aus.
- Kapazitätsprobleme: Fehlende Arbeitskräfte stellen die Bauunternehmungen vor Probleme. Lieferengpässe bedeuten gerade auch für den boomenden Umbaumarkt eine grosse Herausforderung.
Quelle: Grafik: Baublatt Info-Dienst; BFS; Wüest Partner
Umbauten gewinnen Marktanteile
Auffällig ist, wie stark der Umbau im Vergleich zum Neubau weiter an Bedeutung gewinnt. Verantwortlich dafür sind an vorderster Front Investitionen in die Nachhaltigkeit, meist in Form energetischer Sanierungen wie der Ersatz von Heizungen, Dämmungsmassnahmen oder der Einsatz von Photovoltaik. Aber es gibt auch andere Gründe. Dazu gehören etwa der Mangel an Bauland und damit zusammenhängend die hohen Baulandpreise.
Wenn am gewünschten Standort kein Bauland zur Verfügung steht oder dieses so teuer ist, dass sich darauf nicht rentabel bauen lässt, kommt so mancher Bauherr zum Schluss, dass es am günstigsten ist, dort anzubauen oder aufzustocken, wo schon eine eigene Liegenschaft steht. Für viele Investoren ist es zudem wichtig, nachweisen zu können, dass ihre Gebäude nachhaltig sind. Mit einer energetischen Sanierung können sie ihren Bestand optimieren, graue Energie sparen und von Fördergeldern profitieren.
Wohnbau: Unterschiede nach Region und Segment
Der Bau von Miet- und Eigentumswohnungen geht seit 2018 kontinuierlich zurück. So waren die Investitionsvolumen in den Neubaubewilligungen im letzten Jahr (3.Quartal 2022 bis 2.Quartal 2023) im Vergleich mit dem Durchschnitt der fünf vorangegangen Jahre 3,3 Prozent (Mietwohnungen) beziehungsweise knapp 13 Prozent (Eigentumswohnungen) tiefer – und dies trotz des Anstiegs der Baupreise in den letzten zwei Jahren. Besonders auffallend ist, dass der Neubau von Eigentumswohnungen in den Grosszentren praktisch auf null gefallen ist.
Quelle: Grafik: Baublatt Info-Dienst; BFS; Wüest Partner
Das dicht besiedelte Schweizer Mittelland ist derzeit von einem Rückgang der Bauinvestitionen in Mehrfamilienhäuser geprägt. Ausnahmen bilden einige Regionen im Einzugsgebiet der Grossstädte Basel und Zürich sowie grosse Teile der Ostschweiz. Auffallend ist die Zunahme der Investitionen im Kanton Wallis. Und speziell starke Impulse, über den ganzen Kanton verteilt und von unterschiedlichen Projekten ausgehend, sind auch im Kanton Graubünden auszumachen. Das aktuell grösste Bauprojekt ist der Ausbau des «rockresort» in Laax. Das Besondere daran ist das «Buy to use and let»-Konzept, bei der die Eigentümer nur während einer bestimmten Zeit im Jahr über ihre Wohnungen verfügen und diese während der übrigen Zeit zur Vermietung freigeben.
Peak bei Einfamilienhäusern überschritten?
Die Neubaubewilligungen für Einfamilienhäuser sind zwischen dem 3.Quartal 2022 und dem 2.Quartal 2023 im Vergleich zur Vorjahresperiode deutlich gesunken. Es gilt allerdings zu beachten, dass in dieser Vorperiode ein kleines Zwischenhoch erreicht wurde, da im Zuge der Coronapandemie und der Möglichkeiten zur Remote-Arbeit die Sehnsucht nach einem Eigenheim im Grünen zugenommen hatte. Auch wenn die Neubaubewilligungen der letzten vier Quartale den Durchschnitt der fünf vorangegangenen Jahre immer noch deutlich übertreffen, so zeigt eine Analyse der Baugesuche, dass sich der Rückgang der Neubaubewilligungen fortsetzen dürfte.
Quelle: Nightnurse
Als Stütze der Bautätigkeit erweisen sich Bauprojekte der öffentlichen Hand wie der Neubau des Universitätsspitals Zürich. Visualisierung: Neubau «Mitte 1» und alte Anatomie (rechts) im Gloriapark.
Die gestiegenen Zinsen machen immer mehr Interessenten einen Strich durch die Rechnung.Namentlich am Genfersee, in vielen Regionen des Kantons Bern sowie im Aargau und im Wallis zeigt sich schon jetzt eine deutliche Abkühlung. Angestiegen ist die Einfamilienhausproduktion in der Innerschweiz, im Tessin sowie im Berner Oberland. Auch die Einzugsgebiete von Zürich und Basel sind attraktiv für den Neubau von Einfamilienhäusern.
Tiefe Bautätigkeit bei Bürogebäuden, punktuell grosse Infrastrukturprojekte
Der Bau von Büroflächen ist in weiten Teilen der Schweiz fast zum Erliegen gekommen. Es werden kaum noch Baugesuche eingereicht und demzufolge auch immer weniger Bewilligungen erteilt. Einen Zuwachs verzeichnen wenige, meist ländlich geprägte Regionen, wo auch einzelne kleinere Projekte schon einen grossen Skaleneffekt auslösen wie in den Kantonen Jura und Thurgau oder in der Region Schwarzwasser. Auch einige wichtige Büromärkte werden von einzelnen Grossprojekten dominiert: In Genf ist es die Renovation des UNO-Hauptsitzes. Dabei handelt es sich mit einer veranschlagten Bausumme von 837 Millionen Franken um das derzeit grösste Bauprojekt in der Schweiz. In und um die Stadt Luzern wurden ebenfalls einige grössere Projekte bewilligt. So entsteht an der Stadtgrenze zwischen Kriens und Luzern ein nachhaltig konzipiertes Stadtquartier, in welchem ab 2026 unter anderem das Sozialversicherungszentrum WAS Luzern den Betrieb aufnehmen wird.
Von den aktuell zehn grössten Bauprojekten gehören sieben zum Bereich Infrastruktur. Besonders grosse Investitionen er-fordert der Bau von Spitälern: In der Stadt Zürich sind derzeit zwei Spitäler im Bau wie das Universitäts- und Kinderspital, in Chur wird das Kantonsspital ausgebaut.
Quelle: Baublatt Info-Dienst; BFS; Wüest Partner / Stand 2. Quartal 2023
Aussichten für 2024
Wir schätzen die Aussichten für eine Trendumkehr in der kurzen Frist als unwahrscheinlich ein. Nominal rechnen wir für 2024 beim Neubau mit einer roten (–0,8%) und beim Umbau mit einer schwarzen Null (+0,7%). In beiden Fällen dürfte das zu einem realen Rückgang der Investitionen führen, denn bei den Baupreisen ¬erwarten wir im nächsten Jahr eine leicht positive Teuerung. Dies weil die Teuerung im Ausland weiterhin so hoch ist, dass sie nicht durch die Frankenaufwertung vollständig kompensiert wird. Entsprechend bleiben die Importe teuer. Zudem werden die Löhne im Baugewerbe nominal weiterwachsen, auch aufgrund des Fachkräftemangels.
Bauprognose: Der Report zur Auftragslage von morgen
Wie entwickelt sich die Bautätigkeit in der Schweiz, in den Kantonen oder einem für einen Handwerksbetrieb relevanten Bezirk? Kann man künftig mit erhöhten Investitionen für Hotels, Schul- oder Mehrfamilienhäusern rechnen und wie viele Anteile davon entfallen auf geplante Schreinerarbeiten? Diese Fragen und mehr beantwortet die Bauprognose. Der Report, herausgegeben von der Docu Media Schweiz GmbH und Wüest Partner, gibt der Schweizer Baubranche Aufschluss darüber, wie die Auftragslage in naher Zukunft aussehen wird, ob Ressourcen beschafft und wann sie eingeplant werden müssen.
Weitere Informationen unter: www.docu.ch/de/data-solutions/bauprognose