13:11 BAUBRANCHE

Bauprofi im Porträt: Auf acht Achsen unterwegs

Teaserbild-Quelle: Simone Matthieu

Mäx Frei bedient und steuert den grössten Pneukran der Schweiz. Mit seinem 96-Tonnen-Koloss bewegt er Panels für eine Solaranlage in Oftringen. Trotz Böen und fehlender Sicht meistert Frei den Job – für ihn nach über 20 Jahren als Kranführer kein Problem.

Mäx Frei

Quelle: Simone Matthieu

Mäx Frei wollte als Kind zwar Helikopterpilot werden, als Kranführer ist er aber nun dennoch in seinem Traumberuf angekommen.

Wie fährt sich ein achtachsiges Fahrzeug, das gleichzeitig der grösste Pneukran der Schweiz ist? Das Baublatt wollte das wissen und fragte Mäx Frei, Mitarbeiter der Emil Egger AG mit Hauptsitz in St. Gallen. Der 46-Jährige ist derzeit bei der erzo ARA (Abwasserreinigungsanlage) in Oftringen tätig. Über den Klärbecken der ARA wird eine Solaranlage mit einer Fläche von 5500 Quadratmetern und einer Leistung von 905 kWp installiert.

 «Der Standort ist ideal», erklärt der Bauleiter. «Wir nutzen eine Fläche, auf der bereits Industrieanlagen stehen, und müssen keine neuen Bauten in unberührten Gebieten errichten.» Zudem können die Arbeiten an den Klärbecken unter den Solarpanels künftig im Schatten ausgeführt werden, geschützt vom häufig starken Wind in der Gegend – eine willkommene Neuerung für die Arbeiter der ARA. «Es ist nicht ganz günstig, doch die Investition amortisiert sich nach 12 bis 15 Jahren – je nachdem, wie das Wetter mitspielt.» 25 bis 30 Prozent Eigendeckung des für die ARA gebrauchten Stroms soll zukünftig durch Photovoltaik erzeugt werden.

«Es ist fast wie ein Blindflug»

Mäx Frei hat seine heutige Arbeit abgeschlossen. Etwas verlegen streicht er sich über das Kinn, als er erfährt, dass er auch noch fotografiert werden soll: «Ich hab mich gar nicht rasiert», meint er mit einem sympathischen Lachen. Der 46-Jährige bedient den LTM 1650-8.1 vor Ort, ein Gerät der Krankonstrukteurfirma Liebherr aus Deutschland. Es ist der Nachfolger des legendären LTM 1500-8.1, dem meistverkauften Grosskran aller Zeiten, wie Liebherr auf seiner Website schreibt. Auch Frei hat den Vorgänger gefahren und bedient. «Aber er ist halt inzwischen technisch überholt.» Der Ausleger des LTM 1650-8.1 kann bis auf 154 Meter Höhe verlängert werden. Deshalb kommt er in Oftringen zum Einsatz: Er muss die zuvor zusammengesetzten Solarpanels bis in die hinterste Ecke des entstehenden Solarparks transportieren können, und das schafft er nur mit dem Riesenkran. Dabei hat der Kranführer keinen Sichtkontakt mit dem hinteren Teil seines Einsatzgebiets. «Es ist fast wie ein Blindflug», kommentiert der Bauleiter. Per Funk weisen Monteure Mäx Frei an, damit er seine Last millimetergenau einpassen kann.

«Für mich ist das eher ein Alltagsjob», sagt der Toggenburger. Aufträge, bei denen er nervös wird oder die ihn speziell herausfordern, gibt es nach 22 Jahren als Kranführer für ihn praktisch nicht mehr: «In der langen Zeit habe ich schon alles gemacht. Wenn du sauber ‹kränlen› willst, ist es immer knifflig und du musst stets hochkonzentriert arbeiten.» Die Herausforderung hier in der Region sei der Wind – der ist grundsätzlich das grösste Problem für Kranarbeiten; Schnee und Regen haben keinen Einfluss. Da Böen meist unangekündigt auftreten, kann der Kranführer ihnen nichts entgegensetzen, sein Gefährt beginnt leicht zu wanken. «Der Wind kann schon mal an den Nerven ziehen, wenn ich voll nach oben ausgefahren bin, dann spüre ich das schon auch in der Kabine. Momentan bin ich aber nicht mal zur Hälfte ausgefahren.

Der Aufbau des Riesen-Pneukrans, dessen Bauteile mit acht zusätzlichen Lkws angeliefert werden, gelang plangemäss innerhalb eines Arbeitstags. Hilfskrane halfen dabei, Gitterelemente und Gegengewichte zu montieren. Überführt wurde der LTM 1650-8.1 aus dem Wallis von einem anderen Kranfahrer mit einem Zwischenstopp am Emil-Egger-Standort in Härkingen, um aufzutanken und allenfalls etwas zu reparieren.

Mit 96 Tonnen auf der Autobahn

Auch Mäx Frei fährt den Achtachser durch die Schweiz. «Ohne die Zusatzteile hat er 96 Tonnen Eigengewicht. Dafür muss man den Ortswechsel offiziell beantragen und eine Bewilligung einholen.» Das ASTRA oder die Kantone geben dann vor, wo Frei mit seinem Riesenvehikel durchfahren kann. Teilweise muss die Polizei Bereiche absperren. Zudem ist immer ein Begleitfahrzeug dabei, da die Route nur zu 90 Prozent über Autobahnen verläuft. Frei ist darauf angewiesen, dass das Begleitfahrzeug den Verkehr für ihn stoppt und Platz für sein Gefährt schafft.

Oft findet die Arbeit auch abends oder am Wochenende statt. «Die Hauptarbeit dieses Krantyps ist es, Brücken zu ersetzen. Und das macht man halt nicht während der Werktage.» Dafür ist Frei auch mal ein paar Tage unter der Woche daheim im Toggenburg, wo er aufgewachsen ist. Er hat zwei Söhne (10 und 12 Jahre) und eine Tochter (14). «Man braucht schon eine flexible Familie, sonst geht das nicht», meint er mit seinem charmanten Lächeln. Während mehrtägigen Einsätzen stellt die Firma Frei ein Hotelzimmer zur Verfügung. Um von da zur Baustelle und zurück zu kommen, hat jeder grössere Kran einen Roller an Bord. Frei bekommt zusätzlich ein Firmenfahrzeug gestellt, wenn freie Tage vor ihm liegen und er zu seiner Familie ins Toggenburg möchte. Aktuell bewohnt er ein Zimmer mit Dusche/WC und kleiner Kochnische am Emil-Egger-Standort in Bassersdorf. «Ich könnte mir selber etwas zu Essen machen, gehe aber doch lieber in ein Restaurant», meint er augenzwinkernd, weil: Kochen könne er nämlich nicht.

LTM 1650-8.1

Quelle: Simone Matthieu

Ein Schwergewicht: der grösste Pneukran der Schweiz, der LTM 1650-8.1.

Kranführer mit Lastwagenmechaniker-Lehre

Auffällig sind Freis Ohrringe: Im linken Ohr funkelt vorne ein Brillant und gleich hinten dran steckt ein goldener Schraubenschlüssel. Den hat er zur Lehrabschlussprüfung als Lastwagenmechaniker erhalten. Es gibt keine eigentliche Kranführer-Lehre. Idealerweise bringt man einen Abschluss als Mechaniker oder Schlosser mit. «Voraussetzung ist natürlich auch ein Führerausweis in der Kategorie C, aber den hatte ich als Lastwagenmechaniker natürlich.» Danach bestellt man bei der SUVA einen Kran-Lernfahrausweis. «Mit dem darfst du den Kran bewegen. Firmenintern besuchst du Kurse und gehst zur praktischen Ausbildung zur SUVA nach Sursee. Sie verlangen 600 Stunden Praxis, die in einer zweitägigen Prüfung getestet werden.» Nach der Prüfung könne man ab einem dreiachsigen Pneukran bis zu seinem Achtachser alles fahren. «Die anderen Krane sind natürlich nicht so breit und lang wie dieser, aber mit der Zeit bekommst du ein Gefühl, wie du ihn fahren musst.» Ausserdem sei der Koloss rundum mit Kameras ausgestattet, die ihm beim Manövrieren helfen.

Die Technik dieser Krane habe sich in den letzten zehn Jahren mit Computern und Software massiv verändert. Sensorik und digitale Überwachung nehmen dem Kranführer ein Stück seiner Arbeit ab: «Früher hat es dir mal den ‹Popo› gelupft, wenn du etwas zu Schweres heben wolltest, das verursachte ein bisschen ein mulmiges Gefühl. Heute ginge das gar nicht mehr, das System stellt sofort ab, wenn ich versuche, zu schwere Lasten zu heben. Das hilft, Unfälle zu vermeiden.»

Als einzige Gefahr sieht Frei heute noch die Beschaffenheit des Untergrunds, auf dem ein Kran wie seiner arbeitet. «Ich sehe ja nicht unter den Boden, da muss ich mich schon auf die Projektleiter und Bauherren verlassen, dass sie das sicher berechnet haben.» Er habe es zwar selbst und im Kollegenkreis noch nie erlebt, aber man höre immer wieder, dass Grossvehikel einbrechen, weil der Boden ihrem Gewicht nicht standhält.

Der Traum vom Helikopter

Hat er noch einen beruflichen Traum? «Ich habe ja schon den grössten Kran gefahren, den es in der Schweiz gibt: Nach dem Raupenkran LR 11000, der 1000 Tonnen hebt, gibt es keine Steigerung mehr», meint er. Im Ausland arbeiten möchte er nicht – auch aus Rücksicht auf die Familie. Nach etwas Nachdenken gibt er dann doch preis: Helikopter-Transportflüge, das wäre etwas für ihn. «Das ist schon cool. Wenn ich jetzt frei wählen könnte und alle Möglichkeiten offen stünden, würde ich mit dem Heli Lasten fliegen, das fasziniert mich sehr.» Leider wird es, glaubt er, ein Traum bleiben: «Ich habe eine Familie und eine solche Ausbildung kostet 40’000 Franken. Das liegt leider nicht drin.»

Doch Frei braucht auch gar keine Veränderung – er liebt seinen Job, die Teamarbeit, die Stimmung auf den Baustellen, das stimmt für ihn. «Wir verstehen uns immer gut, selbst wenn ich die Leute, mit denen ich zusammenarbeite, vorher nicht gekannt habe. Ich bin nie allein, weil ich immer auf andere angewiesen bin. Sei es durch die Monteure, die mir sagen, wo ich meine Last ablegen soll, oder die Chauffeure, die mir helfen, meinen Kran aufzubauen. Unterwegs ist das Begleitfahrzeug und dessen Fahrer dabei.»

Zukunftssorgen macht er sich keine, seine Arbeit ist gefragt: «Solange der Bau gut läuft, geht es der Schweiz gut. Bei uns ist der Bau das Zugpferd. Ohne ihn würde viel Anderes auch stillstehen.» Er könnte aktuell an drei Stellen arbeiten und wurde auch schon «ausgeliehen» an andere Firmen, die jemanden brauchten, der Grosskrane bedienen kann. Trotz des heimlich gehegten Helikoptertraums lebt Frei jetzt schon seinen Wunschberuf: «Als auf dem Bauernhof meiner Eltern einmal die Scheune erneuert werden musste, brauchte es einen Kran. Zuvor habe ich nicht gewusst, dass es sowas gibt. Das hat mich als 13-Jährigen total fasziniert.» Und tut es noch heute. 

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