Bauen wir in der Schweiz zu teuer?
Die Schweiz ist generell bekannt für ihren hohen Lebensstandard. Beim Bau haben die meisten Bauherren den Anspruch auf robuste und dauerhafte Bauwerke mit geringen Unterhaltskosten. Entsprechend hoch sind der Ausbaustandard und die Qualität unserer Bauten. Dies hat selbstverständlich auch seinen Preis. Aber bauen wir in der Schweiz wirklich zu teuer?
Die Kosten eines Bauwerkes basieren grundsätzlich auf Löhnen, Geräten und Material. Je weniger Stunden, je weniger Geräte und je weniger Material verwendet werden, desto günstiger kann ein Bauwerk erstellt werden. Dieser Grundsatz gilt bei der Planung und bei der Realisierung, bei den Bauherren, bei den projektierenden Ingenieuren und den ausführenden Unternehmern. Ausserdem wird der Erhaltung bestehender Bauwerke oft zu wenig Beachtung geschenkt. Wie schnell wird entschieden, ganze Bauteile oder Bauwerke zu ersetzen, obschon mit minimalen Kosten die Restnutzungsdauer erheblich verlängert werden könnte. Sind wir uns dessen wirklich bewusst und gestalten wir unsere Prozesse in der Art, dass die richtigen Ressourcen eingesetzt und die Restnutzungsdauern ausgenutzt werden können, damit wirtschaftliche Bauwerke entstehen?
Wir alle erleben in der täglichen Arbeit eine andere Situation. Für eine seriöse Planung und Vorbereitung der Projektierung und der Realisierung fehlt den Bauherren, den Planern und den ausführenden Unternehmern häufig die Zeit. Die Projektierung erfolgt zwar meistens nach dem Phasenmodell der SIA-Honorarordnungen. Für umfangreiche Variantenstudien und Optimierungen fehlen aber die Ressourcen, und die einzelnen Phasen werden mit einer ungenügenden oder falschen, nicht phasengerechten Projekttiefe abgeschlossen. Dafür stecken wir die Energie in aufwendige Dokumentationen. Gemeinsam gefällte Entscheide werden in späteren Phasen umgestossen, wodurch ganze Projekte zum Teil mehrfach überarbeitet werden müssen. Erfolgt dies während der Phase der Ausführung, so hat es einen wesentlichen Einfluss auf die Kosten, insbesondere dann, wenn ein Bonus-/Malussystem oder die Vermietung der Fahrbahn im Werkvertrag festgelegt ist. Bei diesen Bestellungsänderungen besteht zudem die Gefahr, dass aufgrund fehlender Zeit keine seriösen Entscheidungsprozesse erfolgen und Fehler in der Projektüberarbeitung oder in der Ausführung entstehen, welche weitere Kostenfolgen auslösen und die Qualität des Werkes infrage stellen.
Den Vorwurf des zu teuren Bauens können wir zurückweisen, wenn wir generell das Richtige zum richtigen Zeitpunkt tun, wenn wir uns auf das Wesentliche konzentrieren, wenn wir zeit- und phasengerecht aufgrund einfacher Überlegungen und Darstellungen entscheiden. Stützen wir unsere Entscheide doch bei allen am Bau Beteiligten ab und stehen zu unseren Entscheidungen bis zum Abschluss der Bauarbeiten. Setzen wir alles daran, einfache aber klare, verständliche und vollständige Dokumente in der Planung und für die Ausführung zu erstellen. Geben wir uns wieder mehr Zeit für eine seriöse Planung und eine vollständige Arbeitsvorbereitung beim Aufstarten einer Baustelle. Arbeiten wir mit kleinen, interdisziplinären Projektteams, welche ein Projekt von A-Z durchziehen können. Wenn es uns gelingt, nur einige dieser Aspekte zu berücksichtigen, errichten wir nicht zu teuer, sondern qualitativ hochwertige, dauerhafte und robuste Bauwerke zu günstigen Konditionen.
Andreas Isler, Vorstandsmitglied Usic-Regionalgruppe Zürich und Gesamtleiter ewp-Gruppe