Baubfälle: Basel am Rand eines Deponienotstands
In der Region Basel wird der Platz in den Bauschutt-Deponien knapp. Jetzt soll Baumaterial vermehrt wiederverwertet werden. Gleichzeitig will der Kanton Baselland knapp 18 Millionen Kubikmeter neuen Deponieraum schaffen.
Es ist ein ehrgeiziges Ziel, das sich die Kantonsregierungen der beiden Basel gesetzt haben: Die Menge der Bauabfälle, die auf Deponien landen, soll in den nächsten Jahren um ein Drittel gesenkt werden. Dafür soll der Anteil der wiederverwerteten Baustoffe deutlich steigen. Heute werden in Baselland und Basel-Stadt zu viele Bauabfälle deponiert und zu wenige Recyclingbaustoffe eingesetzt. Das hat die Region an den Rand eines Deponienotstands geführt. Die Baselbieter Regierung spricht von einer «Fehlentwicklung». Die eigens eingesetzte Taskforce «Baustoffkreislauf Regio Basel» soll nach Lösungen suchen.
Taskforce-Leiter Hansruedi Müller nannte an der Infra-Tagung in Luzern einige Zahlen: Jährlich werden in den beiden Basel rund 3,3 Millionen Tonnen Aushub- und Rückbaumaterial bewegt. 1,75 Millionen Tonnen sind sauberes Aushub- und Abbruchmaterial, das problemlos wiederverwendet werden kann.
550 000 Tonnen werden als Recycling-Materialien wieder zurück in den Baustoffkreislauf geführt. Rund 900 000 Tonnen unverschmutzte beziehungsweise nur schwach mit Schadstoffen belastete Bauabfälle werden in Deponien im Baselbiet abgelagert – im dicht besiedelten Stadtkanton gibt es keine Deponien. Zum Vergleich: Diese Menge entspricht ungefähr dem Gebäudevolumen des Roche- Turms in Basel samt seinen Annex-Bauten.
Starke Bautätigkeit
Bauabfälle und Rückbaustoffe machen den mengenmässig weitaus bedeutendsten Abfallstrom aus. Was die Fachleute in den beiden Basel beunruhigt: Die Menge der Bauabfälle nimmt zu. Die Hauptgründe sind die starke Bautätigkeit und verschiedene Grossprojekte. Aber auch das verdichtete Bauen, das wegen der haushälterischen Flächenausnutzung gelobt wird, trägt zu einer Zunahme der Bauabfälle bei. Denn auch Verdichtung ist oft mit dem Abbruch eines bestehenden Gebäudes verbunden, und es wird vermehrt in die Höhe und die Tiefe gebaut. Das führt wegen der notwendigen Fundation und Unterkellerung zu mehr Aushubmaterial.
Die wichtigste Deponie im Baselbiet für inerten, das heisst nicht reagierenden Bauschutt wie Beton, Ziegel, Asphalt und ähnliches Material ist die «Höli». Sie wurde in einem Naherholungsgebiet oberhalb von Liestal gebaut. Als die Deponie mit einem Fassungsvermögen von 3,5 Millionen Kubikmetern 2010 eröffnet wurde, rechnete man mit 30 Betriebsjahren, bis sie aufgefüllt ist.
Doch es kam anders. Allein 2015 bis 2017 wurden deutlich mehr als eine Million Kubikmeter Bauschutt in den Wald auf dem Schleifenberg gekippt. Knapp drei Viertel des Materials stammten aus den beiden Basel, der Rest vor allem aus den Kantonen Aargau und Solothurn. Seit 2014 landen 70 bis 80 Prozent des im Baselbiet abgelagerten Bauabfalls auf der Deponie. Bereits Mitte 2020 werde die Deponie aufgefüllt sein, schätzen die Baselbieter Kantonsbehörden.
Quelle: F. Hoffmann-La Roche Ltd
Die Baugrube des neuen Roche-Forschungszentrums «pRED Innovation Center» in Basel. Wegen der starken Bautätigkeit und verschiedenen Grossprojekten nimmt die Menge der Bauabfälle zu.
Günstige Deponiepreise
Die Gründe orten sie bei der zentralen Lage, der Nähe zur Autobahnausfahrt Arisdorf, den günstigen Deponiepreisen und der Zusammensetzung der Betreibergesellschaft. An der AG beteiligt sind die Bürgergemeinde Liestal, auf deren Grund und Boden sich die Deponie befindet, sowie drei grosse regionale Baufirmen und bauwirtschaftliche Transportunternehmen: die Wirz Immobilien und Beteiligungen AG, die Ziegler AG Bauunternehmung und die Surer Kipper Transport AG.
Die Deponiegebühren für die Aktionäre werden nicht veröffentlicht, doch die Baselbieter Regierung sprach in einer Interpellationsantwort von «möglichen Spezialkonditionen». Jedenfalls gelangen erhebliche Abfallmengen aus anderen Regionen – zum Beispiel Baden, Lenzburg und Zofingen – auf die Deponie «Höli» und beanspruchen den kostbaren Deponieraum im Kanton.
Ein Grossteil des Materials werde von Aktionären der Deponie angeliefert, schreibt die Kantonsregierung. Der Verwaltungsrat der Deponie habe in Eigenverantwortung ein Einzugsgebiet von 50 Kilometer Luftlinie um den Deponiestandort festgelegt, das deutlich über den Wirtschaftsraum Basel hinausgehe. Dieser Wirtschaftsraum umfasst neben den Kantonen Basel-Stadt und Baselland auch das untere Fricktal im Aargau und die solothurnischen Bezirke Thierstein und Dorneck.
Steuerung abgelehnt
Aus nicht nachvollziehbaren Gründen habe die Deponiebetreiberin eine Steuerung der Annahmemenge und damit der Auffüllgeschwindigkeit wie auch eine Begrenzung des Einzugsgebiets auf den Wirtschaftsraum Basel abgelehnt. Lenkende staatliche Eingriffe seien unter dem Gesichtspunkt der Wirtschaftsfreiheit unerwünscht.
Stattdessen stellte sich die Betreibergesellschaft auf den Standpunkt, die Behörden hätten Kenntnis von der raschen Auffüllung und es wäre an ihnen, Massnahmen wie die Förderung des Baustoff-Recyclings zu ergreifen. Die Verantwortlichen bei der Bürgergemeinde Liestal haben inzwischen die Quittung für ihre Deponiepolitik erhalten: Drei der vier bisherigen Bürgerräte wurden im vergangenen Februar vom Volk abgewählt.
Da im Baselbiet noch drei kleinere Inertstoffdeponien in Betrieb sind, ist die Entsorgungssicherheit laut der Regierung für die nächsten vier bis fünf Jahre weiterhin gewährleistet. Jetzt sollen knapp 18 Millionen Kubikmeter neuer Deponieraum geschaffen werden. Eine entsprechende Anpassung des kantonalen Richtplans wird zurzeit von der Bau- und Planungskommission des Landrats vorberaten.
Geplant ist unter anderem eine Erweiterung der «Höli» um 3,6 Millionen Kubikmeter. Künftig sollen dort aber Steuerungsmassnahmen ergriffen werden, damit die Deponie nicht wieder in einem Bruchteil der vorausgesagten Zeit aufgefüllt ist.
Ab hier ist dieser Artikel nur noch für Abonnenten vollständig verfügbar.
Jetzt einloggenSie sind noch nicht Abonnent? Übersicht Abonnemente