Bau- und Immobilienrecht: Augen auf bei Dienstbarkeiten
Was ist eigentlich eine Dienstbarkeit? Welche Arten einer Dienstbarkeit sind möglich? Und was kann mit einer Dienstbarkeit nicht vereinbart werden? Der nachfolgende Artikel soll Aufschluss über diese Fragen geben sowie Beispiele von möglichen Problemfällen im Zusammenhang mit Dienstbarkeiten aufzeigen.
Von Silvia Eggenschwiler Suppan*
Unter einer Dienstbarkeit versteht man, wenn in Grundstück
zum Vorteil eines anderen Grundstücks (Grunddienstbarkeit; Art. 730 ff. ZGB)
oder einer bestimmten Person (Personaldienstbarkeit; Art. 745 ff. ZGB) in der
Weise belastet wird, dass sein Eigentümer (1) sich bestimmte Eingriffe des
Berechtigten gefallen lassen muss (= dulden; positive Dienstbarkeit) oder (2)
nach gewissen Richtungen sein Eigentumsrecht nicht ausüben darf (= unterlassen;
negative Dienstbarkeit).
Bei einer Dienstbarkeit verhält sich der belastete
Grundeigentümer passiv. Inhalt einer Dienstbarkeit ist also zwingend ein Dulden
oder ein Unterlassen einer Handlung. Eine Verpflichtung zur Vornahme von
Handlungen kann mit der Dienstbarkeit nur nebensächlich verbunden werden.
Praxisbeispiel: Es ist zulässig, dem Dienstbarkeitsberechtigten eine Unterhaltspflicht des Fuss- und Fahrwegs aufzuerlegen, wenn ihm hierfür ein Benützungsrecht eingeräumt worden ist.
Die Grundlast
Im Gegensatz dazu wird bei der Grundlast ein Grundeigentümer
zur Vornahme einer Hauptleistung an einen Berechtigten verpflichtet, für die er
ausschliesslich mit dem Grundstück haftet (Art. 782 ff. ZGB).
Praxisbeispiel: Eine mittels einer Grundlast zu regelnde
Verpflichtung ist zum Beispiel eine Wasserlieferungspflicht eines
Grundstückeigentümers an einen anderen Grundstückeigentümer.
Nicht Gegenstand einer Dienstbarkeit
Zudem können Pflichten, die einem Grundstückeigentümer bereits durch gesetzliche Vorschriften auferlegt worden sind, nicht Gegenstand einer Dienstbarkeit sein. So ist ein Grundstückeigentümer, gestützt auf Art. 684 ZGB, bereits verpflichtet, übermässige Immissionen (zum Beispiel sehr starker Lärm) gegenüber einem Nachbarn zu unterlassen. Für eine solche Unterlassungspflicht ist die Vereinbarung einer Dienstbarkeit nicht erforderlich und damit auch nicht möglich.
Quelle: Zaubervogel / Pixelio.de
Die alten Häuser stehen sehr eng zusammen, sodass oft Dienstbarkeiten, wie ein Wegerecht bestehen, damit die Besitzer der hinteren Gebäude ihr Liegenschaft erreichen können.
Praxisbeispiele:
Die prominentesten Beispiele von zulässigen Dienstbarkeiten
sind:
- Fuss- und Fahrwegrechte
- Durchleitungsrechte
- Baurechte (separates Eigentum an einem Haus, während das Grundstück, auf dem das Haus steht, dem ursprünglichen Eigentümer verbleibt)
- Gewerbe- und Nutzungsbeschränkungen
- Nutzniessungs- und Wohnrechte an Grundstücken
Errichtung einer Dienstbarkeit
Seit dem 1. Januar 2012 muss jeder Dienstbarkeitsvertrag
öffentlich beurkundet werden (Art. 732 Abs. 1 ZGB). Gestützt darauf wird die
Dienstbarkeit im Grundbuch eingetragen. Einzig bei der Errichtung einer
Dienstbarkeit mittels eines eigenhändigen Testaments oder eines
Erbteilungsvertrags sowie bei den gesetzlichen Dienstbarkeiten, den sogenannten
Legalservituten (Notleitung-, Notweg- und Notbrunnenrecht), genügt die
Schriftlichkeit des Rechtsgrundausweises für die Eintragung im Grundbuch.
Des Weiteren entstehen Dienstbarkeiten an äusserlich wahrnehmbaren Leitungen bereits mit der Erstellung der Leitung (Art. 676 Abs. 3 ZGB). Ein notwendiges Durchleitungsrecht kann zudem auch ohne Grundbucheintrag einem Erwerber entgegengehalten werden (Art. 691 ZGB).
Praxisfälle
a) Unklares Fuss- und Fahrwegrecht
Im Grundbuchplan ist ein Fuss- und Fahrwegrecht mit einer
Breite von 3,8 Meter eingetragen. Demgegenüber haben die Parteien im Plan des
Dienstbarkeitsvertrags das Fuss- und Fahrwegrecht lediglich mit einer Breite
von 2,8 Meter definiert.
Welcher Plan ist nun massgebend?
Gemäss Art. 738 ZGB ist für die Auslegung einer
Dienstbarkeit in erster Linie der Grundbucheintrag massgebend. Erweist sich
dieser als unklar, ist in zweiter Linie der Dienstbarkeitsvertrag
heranzuziehen. Ist auch dieser unklar, ist die Dienstbarkeit in dritter Linie
so auszulegen, wie sie während längerer Zeit unangefochten im guten Glauben vom
Dienstbarkeitsberechtigten ausgeübt worden ist. Daneben ist auch auf den Zweck
der Dienstbarkeit abzustellen (zum Vergeich hierzu BGer 5A_657/2014 vom 27.
April 2015 E. 4).
Im vorliegenden Fall geht aus dem Grundbuchplan klar hervor,
dass das Fuss- und Fahrwegrecht 3,8 Meter breit ist. Dieser ist daher
massgebend, und es spielt keine Rolle, dass diese Dienstbarkeit im Plan des
Dienstbarkeitsvertrags lediglich mit einer Breite von 2,8 Meter
eingetragen worden ist, da in erster Linie der Grundbucheintrag, mithin
der Grundbuchplan massgebend ist (Art. 738 ZGB).
b) Notwegrecht ja oder nein?
Ein Grundstück in einer Gemeinde im Kanton Zürich ist nur
über eine Privatstrasse, welche auf einem anderen Grundstück liegt,
erschlossen. Der Eigentümer des Grundstücks mit der Privatstrasse (A) hat ohne
Einräumung eines Fuss- und Fahrwegrechts seit Jahren geduldet, dass der andere
Grundstückeigentümer (B) seine Privatstrasse benutzt. Eines Tages verbietet er
ihm diese Nutzung.
Kann B gegenüber A ein Notwegrecht gestützt auf Art. 694 ZGB
geltend machen und damit die Eintragung einer entsprechenden Dienstbarkeit
mittels entsprechender Zivilklage erzwingen?
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