12:03 BAUBRANCHE

Ausstieg aus der Atomenergie wird massiv teurer

Teaserbild-Quelle: Axel Hoffmann, pixelio.de

Die Stilllegung der Atomkraftwerke und die Entsorgung radioaktiver Abfälle dürfte mehr kosten als bisher angenommen. Die zuständige Kommission rechnet neu mit insgesamt 23,5 Milliarden Franken.

Teures Ende des Atomzeitalters: Das Kernkraftwerk Leibstadt ist eines der rückzubauenden Objekte.

Quelle: Axel Hoffmann, pixelio.de

Teures Ende des Atomzeitalters: Das Kernkraftwerk Leibstadt ist eines der rückzubauenden Objekte.

Die voraussichtlichen Kosten für die Beendigung des Atomzeitalters werden alle fünf Jahre neu berechnet. Auf Basis der Kostenstudien werden die Beträge festgelegt, welche die AKW-Betreiber in den Stilllegungs- und den Entsorgungsfonds einzahlen müssen. Die Basis liefert der Branchenverband der Kernkraftwerksbetreiber Swissnuclear. Er bezifferte die Gesamtkosten 2016 auf 21,8 Milliarden Franken.

Die Kostenstudie 2016 ist nun von unabhängigen, internationalen Experten überprüft worden. Diese kamen zum Schluss, dass die Berechnung korrekt sei, in einzelnen Punkten aber angepasst werden müsse. Der Gesamtbetrag steigt dadurch auf 23,5 Milliarden Franken, wie die Kommission für den Stilllegungsfonds und den Entsorgungsfonds (Stenfo) mitteilte. Das sind 8 Prozent oder 1,7 Milliarden Franken mehr als in der Kostenstudie und 13 Prozent mehr als bei der letzten Berechnung 2011.

Finanzieller Sicherheitspuffer

Ausschlaggebend für die Anpassung der Kostenschätzung ist ein genereller Sicherheitszuschlag den die Experten weiterhin empfehlen. Dieser berücksichtigt die Wahrscheinlichkeit von Kostenüberschreitungen und soll sicherstellen, dass bei der Ausserbetriebnahme der AKW die erforderlichen Mittel vorhanden sind. «Ziel ist es, dass die gesamten Kosten von den Betreibern während einer angenommenen Betriebsdauer von 50 Jahren einbezahlt werden, so dass der Steuerzahler nicht einspringen muss», sagte Stenfo-Präsident Cron vor den Medien.

Der Zuschlag entspreche der internationalen Best Practice bei komplexen Infrastrukturprojekten und berücksichtige die Erfahrung bei der Stilllegung von AKW in anderen Ländern, so Cron weiter. Gegen den Sicherheitszuschlag wehren sich aber die AKW-Betreiber. Deren Branchenverband hatte in seiner Berechnung weder bei den Stilllegungs- noch bei den Entsorgungskosten einen solchen eingerechnet.

Grüne oder braune Wiese?

Anders beurteilten Swissnuclear und die unabhängigen Experten auch die Frage, ob bei der Stilllegung sämtliche Bauten verschwinden müssen. Aus Sicht der Stenfo muss das Ziel von Gesetzes wegen die «grüne Wiese» sein. Beim Stilllegungsziel «braune Wiese» würden strahlenfreie Strukturen zurückbleiben. Der Branchenverband der Kernkraftwerksbetreiber war von diesem Szenario ausgegangen, als er seine Kostenstudie präsentierte.

Die Berechnung der Stenfo berücksichtigt mögliche Einsparungen durch Bauten, die bestehen bleiben – beispielsweise Verwaltungsgebäude. Sie geht aber von einer geringeren Wahrscheinlichkeit solcher Einsparungen aus als Swissnuclear.

Hohe Rückbaukosten im internationalen Vergleich

Bei den Entsorgungskosten rechnet Stenfo mit einer geringeren Wahrscheinlichkeit als Swissnuclear, dass ein Kombilager für schwach- und mittelradioaktive sowie hochradioaktive Abfälle gebaut wird. Dadurch könnten Kosten gespart werden. Die Anpassungen führen zu Stilllegungskosten von 3,733 Milliarden Franken (ungeprüft 3,406) und Entsorgungskosten von 19,751 Milliarden Franken (ungeprüft 18,361). Insgesamt sind das 23,484 Milliarden Franken, 1,717 Milliarden mehr als gemäss der ungeprüften Kostenstudie.

Die Stenfo weist den Gesamtbetrag der ungeprüften Studie mit 21,767 Milliarden Franken aus, basierend auf dem ursprünglichen Ziel der «braunen Wiese». Mit der «grünen Wiese» als Ziel ergeben die Berechnungen von Swissnuclear 22,8 Milliarden Franken. Pro Reaktor rechnet die Stenfo mit Rückbaukosten von 747 Millionen Franken. Im internationalen Vergleich läge die Schweiz damit «im oberen Drittel», sagte Cron.

Das Uvek entscheidet

Die geprüfte Kostenrechnung 2016 geht nun ans Umweltdepartement (Uvek), das in den kommenden Monaten über die Kostenhöhe entscheiden und die angepassten provisorischen Beiträge der Kraftwerksbetreiber für die kommenden Jahre festlegen wird. Die Stenfo hatte Anfang 2017 auf Basis der ungeprüften Kostenstudie die provisorischen Beiträge für die Jahre 2017 bis 2021 verfügt. Die definitiven Beiträge können erst im Laufe des Jahres 2019 verfügt werden, wenn die revidierte Stilllegungs- und Entsorgungsfondsverordnung in Kraft tritt. (sda/gd)

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