Ausblick auf das Jahr 2024: «Wohnbautätigkeit sinkt weiter»
Die Neubautätigkeit geht trotz Wohnungsknappheit weiter zurück. Eine Trendwende ist vorerst nicht in Sicht. Dagegen dürfte sich das Wachstum der Anzahl Haushalte 2023 sogar auf 1,2 Prozent beschleunigt haben. 2024 ist mit einer tieferen Leerwohnungsziffer und anhaltendem Aufwärtsdruck bei den Mieten zu rechnen.
Quelle: zvg
Fabian Waltert, Ökonom, UBS Chief Investment Office GWM
Der Neubau von Wohnungen ist in der Schweiz gemäss Baubewilligungen bereits seit 2017 rückläufig. In den vergangenen zwölf Monaten wurden lediglich 35 900 Wohneinheiten baubewilligt – so wenig wie nie in den vergangenen 20 Jahren. Gegenüber 2022 ist damit nochmals ein Rückgang von 14 Prozent bei Einfamilienhäusern und von 7 Prozent bei Mehrfamilienhäusern auszumachen. Damit dürften 2024 erneut weniger Neubauwohnungen erstellt werden.
Zu tiefe Neubautätigkeit
Dass zurzeit zu wenig Wohnungen gebaut werden, zeigt die Gegenüberstellung des Wachstums der Anzahl Haushalte und Neubauwohnungen eindrücklich. 2022 ist die Anzahl Haushalte um 1,1 Prozent gewachsen. Höher lag der Anteil bewilligter Wohnungen letztmals 2018. Im Gegensatz zur Bautätigkeit dürfte sich das Wachstum der Anzahl Haushalte 2023 sogar auf 1,2 Prozent beschleunigt haben.
Dies ist in erster Linie auf die stark gestiegene Zuwanderung zurückzuführen, die zurzeit primär auf dem Mietwohnungsmarkt zu spüren ist und dort für ein anhaltende Verknappung sorgt. Entsprechend ist für 2024 mit einem weiteren Rückgang der Leerwohnungsziffer und einem anhaltenden Aufwärtsdruck bei den Mieten zu rechnen. Dagegen kommt die tiefere Neubautätigkeit bei Wohneigentum gelegen, hat sich damit das Angebot trotz zinsbedingt stark gesunkener Nachfrage bisher nur leicht erhöht.
Zürich als Zugpferd
Aktuell weist die Agglomeration Zürich die stärkste Bautätigkeit auf. Das Volumen bewilligter Projekte belief sich in den letzten vier Quartalen auf mehr als 1 Prozent des Wohnungsbestands. In den Regionen Knonauer Amt und Freiamt wurden gar mehr als 2 Prozent des Wohnungsbestands baubewilligt. In der Westschweiz weist die Agglomeration Lausanne den höchsten Wert aus. Dagegen hat sich die erwartete Bautätigkeit in den Agglomerationen Genf und Basel mit jeweils 0,5 Prozent bereits deutlich verlangsamt.
Vorerst keine Entspannung
Obwohl die Wohnungsleerstände seit 2020 um beinahe einen Drittel gesunken sind und auf dem tiefsten Stand seit 2014 liegen, ist bei der Projektierung neuer Wohnungen bisher kaum eine Reaktion auszumachen. Zwar hat die projektierte Anzahl Wohnungen gemäss Baugesuchen in den vergangenen 12 Monaten gegenüber 2022 um 3 Prozent zugelegt. Ein Ausrufen der Trendwende erscheint jedoch verfrüht. Ein entscheidender Grund für die Bauflaute liegt in der Raumplanung. Sinkende Baulandreserven und zu langsam voranschreitende Verdichtungsprozesse beschränken vielerorts die Möglichkeiten einer Beschleunigung der Neubautätigkeit.
Quelle: Baublatt, UBS
Rückgang der Wohnbautätigkeit hält an: Baubewilligungen und -gesuche Neubau, in Anzahl Wohneinheiten (*2023: 12-Monats-Summe Stand September).
Hinzu kommen die seit Ausbruch der Corona-Pandemie stark gestiegenen Baupreise. Zwischen Oktober 2020 und Oktober 2023 sind die Gesamtkosten für den Bau eines Mehrfamilienhauses gemäss Bundesamt für Statistik um knapp 16 Prozent gestiegen. Zwar haben sich die Materialpreise jüngst etwas reduziert, Bauen dürfte aber deutlich teurer bleiben als vor der Pandemie.
Gute Neuigkeiten von der Zinsfront
Ein weiterer Grund für die schwache Bautätigkeit waren zuletzt die gestiegenen Finanzierungskosten. Hier zeichnet sich zurzeit eine gewisse Entspannung ab, welche sich 2024 fortsetzen dürfte. Mit einer weiteren Leitzinserhöhung durch die Schweizerische Nationalbank ist derzeit nicht mehr zu rechnen. Die Inflationsrate hat zuletzt deutlich nachgegeben und betrug im November 2023 noch 1,4 Prozent. Bereits ab Juni dieses Jahres könnte es daher zu drei Leitzinssenkungen um je 0,25 Prozentpunkte kommen. Diese dürften jedoch erst ab 2025 zu einer Stabilisierung der Bautätigkeit beitragen.
Experten ordnen ein
Die Inflation scheint unter Kontrolle zu sein. Doch die Industrie kommt nicht auf Touren, der Konsum bleibt wegen des Kaufkraftverlusts verhalten. Zinssenkungen könnten den Bau von Mietwohnungen stützen, und Bürobranchen mehr Geschäftsflächen nachfragen. Einschätzungen von zwei Experten und einer Expertin geben ein Streiflicht auf mögliche Entwicklungen der Konjunktur und die Folgen für die Bauindustrie.
Weitere Einschätzungen:
Fredy Hasenmaile, Chefökonom Raiffeisen Schweiz
Ausblick: Kaltstart ins Jahr 2024
Alice Paula, Immobilienökonomin, Fahrländer Partner Raumentwicklung
Ausblick 2024: «Kaum Optimismus im Büroflächenbau»