Anzeichen einer Immobilienblase in Randgebieten
Basierend auf der Analyse von über einer Million Inserate für Häuser und Wohnungen kommen die ETH Zürich und der Vergleichsdienst Comparis in ihrem Immobilienreport zum Schluss, das es in elf Bezirken der Schweiz Anzeichen für eine Immobilienblase gibt. Dabei handelt es sich nicht um die Zentren sondern um Regionen, die in ihrer Nähe liegen.
Quelle: Luftaufnahme Genfer Seebecken (zvg)
Begehrte Wohnlage: Die Angebotspreise sind rund um den Genfersee massiv teurer geworden.
Laut diesem Report sind die Preise für Wohnungen sind im Vergleich zu 2007 in über 80 Prozent der Bezirke bis zu einem Viertel oder der Hälfte teurer geworden.
Mit einem mathematischen Modell konnten die Wissenschaftler der ETH Zürich unter Leitung von Didier Sornette*, Professor für Entrepreneurial Risks, nicht nur kritische Regionen identifizieren sondern auch berechnen, wie sich die Situation dort entwickeln wird. Im Unterschied zu anderen Immobilien-Studien, welche die frühere oder die heutige Situation untersuchen, erlaubt das hier angewandte Modell auch einen Blick in die Zukunft. Mit dem gleichen Modell hatte Professor Sornette bereits mehrere Immobilienblasen in verschiedenen Regionen der Welt vorausgesagt.Das Projekt wurde von der Kommission für Technologie und Innovation des Bundes (KTI) mitfinanziert.
Die Peripherie der Zentren im Fokus
In insgesamt elf Bezirken der Schweiz bestehen klare Anzeichen einer Immobilienblase für einzelne Typen von Immobilien, z.B. Häuser oder Wohnungen. Es sind allesamt Gebiete, die nicht in den eigentlichen Zentren und klassischen teuren Regionen liegen, aber dennoch in ihrer Nähe. Zum Beispiel sind im Kanton Zürich und am Zürichsee die Bezirke Horgen, Bülach, Hinwil und Höfe betroffen, nicht aber die Goldküste oder die Stadt Zürich. Auch im Kanton Aargau bestehen Anzeichen für eine Blasensituation in Gebieten, die noch im Einzugsgebiet von Zürich liegen. - In der Westschweiz sind Gebiete an der Peripherie der Top-Wohnregionen, etwa die Bezirke Jura-Nord Vaudois sowie Monthey.
Preise stagnieren
Professor Didier Sornette erwartet in den meisten der Bezirke Änderungen innerhalb eines Jahres. Dennoch ist kein böses Ende zu erwarten: «Eine Änderung der Situation hin zu einer Preisstagnation oder einem Soft-Landing ist wahrscheinlicher als ein Crash», sagt Professor Sornette. Zu diesem Schluss kommt der ETH-Forscher durch einen Vergleich der Situation in der Schweiz mit den Daten von Immobilienblasen in anderen Ländern. «Die Art von Immobilienblase, wie wir sie aufgrund der Comparis-Daten jetzt in der Schweiz feststellen, endet üblicherweise in einer Abflachung oder einer Stagnation der Preise».
Diese Erwartung ergibt sich auch aus einer genaueren Betrachtung des Kantons Zug und der Bezirke Dietikon, Dielsdorf, Affoltern, Bremgarten, March und Lausanne. In diesen Gebieten hat sich eine «Bubble» im Jahr 2012 bereits aufgelöst, ohne dass der Markt zusammengebrochen wäre. Bei dieser ersten Analyse der oben erwähnten Regionen berechneten die ETH-Forscher die Situation aufgrund sämtlicher Inserate bis Ende 2011. Ihrem darauf aufbauenden Berechnungsmodell für die Situation im Jahr 2012 im Sinne einer Voraussage wurden in der Folge die tatsächlichen Daten für das Jahr 2012 gegenübergestellt. Es zeigte sich, dass in diesen sieben Bezirken, in denen das Modell eine Änderung der Situation vorausgesagt hatte, die Preise tatsächlich nicht weiter stiegen bzw. stagnierten oder gar zurückgingen.
Preissteigerungen in der ganzen Schweiz
Auch wenn übermässige Preissteigerungen zurzeit nicht zu erwarten sind, so sind die Preise dennoch sehr viel höher als noch vor wenigen Jahren. Die Analyse von der ETH Zürich und comparis.ch beruht darauf, wie schnell und wie stark die Preise in die Höhe geklettert sind. Die Entwicklung zeigt sich besonders in Video-Animationen mit einer Abfolge der quartalsweise berechneten Medianpreise für Wohnungen und Häuser.
Wohnungspreise bis 50 Prozent höher als 2007
Eindrücklich sind auch die Prozentwerte, um welche der Quadratmeterpreis von Wohnungen sich verteuert hat . Vergleicht man die Medianpreise vom ersten Quartal 2007 mit jenen vom vierten Quartal 2012 und beschränkt man sich aus methodischen Gründen auf die Bezirke mit einer genügenden Datengrundlage, so zeigt sich folgendes Bild: In 38 Prozent der Bezirke hat sich der Medianpreis pro Quadratmeter um bis zu 25 Prozent erhöht, in 43 Prozent zwischen 26 und 50 Prozent. Mit anderen Worten: «Die Wohnungspreise sind seit 2007 praktisch in der ganzen Schweiz in die Höhe geklettert. In über vier Fünftel der Bezirke kosten Wohnungen bis zur Hälfte mehr als vor sechs Jahren», sagt Didier Sornette von der ETH.
Bedeutend teurer geworden sind die Angebotspreise zum Beispiel in den Gebieten rund um den Zürich-, den Zuger- und den Genfersee sowie in Tourismusdestinationen im Kanton Graubünden – und zwar im Bereich von 51 bis 75 Prozent. Am heftigsten fiel diese Steigerung mit 133 Prozent im Bezirk Entremont im Kanton Wallis aus.
Wenige Verlierer
Verschwindend klein ist der Anteil der Bezirke, in denen der Medianpreis pro Quadratmeter von Wohnungen günstiger geworden oder gleich geblieben ist: Dies ist bloss in 3 Prozent der Bezirke der Fall, in denen genügend Daten für die Berechnung vorliegen. (mai/mgt)
*Didier Sornette ist Professor für Entrepreneurials Risks und Direktor des Financial Crisis Observatory. Er hat, zusammen mit seinem Team das von ihm entwickelte Modell bereits mehrfach erfolgreich angewendet; er sagte unter anderem die Immobilienblase voraus, die 2007 in den USA platzte, das Platzen der Ölblase in 2008 sowie den Crash des «Shanghai Composite Index» 2007 und 2009.Die Zusammenarbeit zwischen seinem Lehrstuhl und comparis.ch besteht seit einem Jahr und wird von der Kommission für Technologie und Innovation des Bundes (KTI) mitfinanziert.