Anarchie im Wohnzimmer
Mit Millionen von Styroporkügelchen gefüllte Säcke und Haufen aus Polyurethan – das zeigt die Ausstellung „Formlose Möbel“ des Museums für Gestaltung in Zürich. Sie lädt zu einer kleinen Reise durch ein Stück exzentrischer Designgeschichte ein.
Zum ersten Mal tauchte der Sitzsack 1968 auf, als Kreation des italienischen Designertrios Piero Gatti, Cesare Paolini und Franco Teodora. War seine Form einst revolutionär und ausgefallen, hat das gemütliche Riesenkissen heute die Wohnungen längst erobert. Seine Urversion gilt als Designklassiker. Ganz im Geist des Trends zu formlosen Möbeln geschaffen, gehört er in dieser Stilrichtung zu den konventionelleren Stücken. Das zeigt die aktuelle Ausstellung im Zürcher Museum für Gestaltung. Denn der kleine Rundgang durch ein Stück schrille Designgeschichte wartet mit noch schrägeren Objekten auf. Zum Beispiel mit Gunnar A. Andersens "Armchair" aus Polyurethan, der wie ein aus der Form geratener Pudding oder ein Haufen nasser Sand aussieht. Oder Robert Deans „Sea Urchin Chair“, eine an einen halben Seeigel erinnernde Sitzgelegenheit.
Die formlosen Möbel waren in den 60er Jahren eine Absage an konventionelle Einrichtungsgegenstände und an die „gute Form“. Wer sich ein solch anarchisches Ding ins Wohnzimmer stellte, musste es anders benutzen als ein „normales“ Möbel. So fordern solche Objekte etwa andere, und entspanntere Sitzpositionen, die damals gesellschaftlich nicht akzeptiert waren. – Ausgelöst hatten diesen Trend wohl Künstler wie Joseph Beuys, Robert Morris, Michelangelo Pistoletto oder Lynda Benglis. Sie machten Mitte der 60er Jahre die Formlosigkeit in ihren Werken zum Thema. Dabei experimentierten sie mit damals ausgefallenen Materialien wie Lumpen, Fett, Erde oder Kunststoff.
Die Ausstellung macht neugierig auf mehr und vor allem darauf, wie es sich auf den gezeigten Möbeln sitzt. Eigentlich müsste man die Sessel ausprobieren können. (mai)
"Formlose Möbel" bis 14. Februar
Galerie im Museum für Gestaltung, 8005 Zürich
Öffnungszeiten:
Dienstag bis Donnerstag, 10 bis 20 Uhr; Freitag bis Sonntag 10 bis 17 Uhr
24., 26., 31 Dezember sowie 2. Januar 10 bis 17 Uhr
Montags sowie 25. Dezember und1. Januar geschlossen
Weiter Informationen unter www.museum-gestaltung.ch