Äthiopien setzt auf Wasserkraft
Äthiopien dürfte zu einem bedeutenden Stromproduzent Afrikas aufsteigen, und zwar mit vier neuen Staudämmen. Laut dem staatlichen Energieunternehmen werden die neuen Wasserkraftwerke zusammen mit den bestehenden Anlagen bis zu 11'000 Megawatt Strom produzieren.
Äthiopien besitzt ein riesiges Ausbaupotential für Wasserkraft. Es wird auf 30'000 MW geschätzt und ist nach der Republik Kongo das zweitgrößte in Afrika. Mehr als 90 Prozent der erzeugten Elektrizität wird aus Wasserkraft produziert. Allerdings steht elektrische Energie nur für 20 Prozent der mehr als 75 Millionen Einwohner Äthiopiens und nur etwa in der Hälfte der Städte zur Verfügung. Zum Vergleich: der gesamtafrikanischen Wert liegt bei 25%. Dank forciertem Bau von Wasserkraftwerken ist der Elektrizitätsverbrauch Äthiopiens innerhalb der letzten sieben Jahre um mehr als 60 Prozent gestiegen.
Gilgel Gibe III wächst
2004 ging ging das Kraftwerk Gilgel Gibe I mit 185 MW ans Netz. Im 2008 folgte Gilgel Gibe II mit 428 Megawatt. Und vor einem Jahr ging Tana Beles an einem Zufluss des Blauen Nils mit einer Leistung von 460 MW erstmals ans Netz. Als nächstes folgt das gigantische Kraftwerk Gibe III mit einer 240 Meter hohen Staumauer und einem 151 Kilometer langen Stausee am Fluss Omo, in dem 1870 Megawatt Strom erzeugt werden sollen.
Nun plant das Land am Horn von Afrika bereits den Bau vier weiterer grosser Wasserkraftwerke an Zuflüssen des blauen Nil mit einer Leistung von 5250 Megawatt. Zusammen mit den bereits bestehenden Anlagen dürfte die Gesamtproduktion des Landes auf 11'000 Megawatt gesteigert werden. Damit erhalten immer mehr Menschen Zugang zur Elektrizität und, damit verbunden, auch eine bessere Versorgung mit (Trink-)Wasser. Die Kosten für diesen grossen Ausbauschritt werden auf etwa 4,7 Milliarden Dollar geschätzt. Der Baubeginn ist auf 2015 angesetzt. Damit übersteigen die zur Verfügng stehenden Wasserkrxaft-Ressourcen den eigentlichen Bedarf, so dass Äthiopien zum Strom-Exporteur werden könnte.
Im Schatten von Staudamm und Co.
Die äthiopische Regierung feiert den Kraftwerksbau als gewaltigen Entwicklungsschritt für eines der ärmsten Länder der Welt, bei dem die Vorteile für das Land uns seine Bevölkerung überwiegen. Zudem ist Wasserkraft eine klimafreundliche Energiequelle. Diese Sicht bleibt aber nicht unumstritten. Gerade im Zusammenhang mit dem Kraftwerk Gibe III und seinem riesigen Stausee sorgte gab es seitens Umweltschutz-Organisationen Kritik. Sie befürchten, dass empfindliche Ökosysteme unter Druck gesetzt werden und dass der Damm und das zwei Jahre dauernde Auffüllen des Sees unter der halben Million betroffener Einwohner für Konflikte sorgt. Menschenrechtsorganisationen wie Survival International nehmen an, dass der Bau auch die Lebensgrundlage mehrerer 100 000 Angehöriger indigener Gruppen in Äthiopien und Kenia bedroht: Bauern und nomadische Viehhirten sind vom Omo-Flusswasser abhängig. Die dort ansässigen Stämme warten jedes Jahr, bis nach der Regenzeit das angeschwollene Flusswasser zurückgeht, um auf dem fruchtbaren Schlamm Hirse und Bananen zu pflanzen. Nach dem Bau des Dammes dürfte diese Selbstversorgung nicht mehr möglich sein. (mai)
Der Omo-Fluss
Der 760 km lange Omo entspringt westlich von Addis Abeba im Äthiopischen Hochland und fliesst von dort in Richtung Süden, um dann nahe der kenianischen Grenze in den Turkanasee zu münden. Entlang des Flusses haben sich zahlreiche Volksstämme angesiedelt, die von ihm abhängig sind.
Das Tal am Unterlauf des Omo gehört seit rund zwanzig Jahren zum Weltkulturerbe der Unesco. In der Gegend wurden spektakuläre archäologische Funde gemacht: Überreste des Homo sapiens, die laut neueren Forschungen bis zu 195 000 Jahren als sind. (mai)