Ärger über drohende Sperrungen
Nach bald 30 Jahren muss der Gotthard-Strassentunnel saniert werden. Die anstehenden Bauarbeiten drohen zum Politikum zu werden, weil sie den Verkehr offenbar intensiver beeinträchtigen als angenommen. Wie die „Sonntagszeitung“ berichtete, dauert die Erneuerung des Tunnels rund 1000 Arbeitstage.
Laut dem Bundesamt für Strassen (Astra) sei ist mit einer Sperrung von tausend Tagen zu rechnen, erklärte Urner Regierungsrat Josef Dittli gegenüber der Zeitung. Zur Diskussion stehen entweder eine vollständige Schliessung während dreier Jahre oder vorübergehende Sperren an 280 oder 180 Tagen pro Jahr, wie dem Artikel zu entnehmen ist. Dieser Umstand könnte die Sanierungszeit auf fünf oder gar sechs Jahre verlängern. Im Sommer rollte der Verkehr über den Pass. Auch Dittlis Amtskollegen aus dem Tessin, Luigi Pedrazzini und Marco Borradori, bestätigten gegenüber der „Sonntagszeitung“ diesen Sachverhalt. Nur das Astra wollte ihn weder bestätigen noch dementieren.
Die Bauarbeiten (siehe dazu Artikel „Gesperrt und saniert“ vom 26.4.2010) lassen sich mit Nachtsperrungen nicht bewältigen, sie müssen in zusammenhängenden Etappen vorgenommen werden. Kosten soll die Sanierung rund 500 Millionen Franken. Es wird abgeklärt, ob die 20'000 Fahrzeuge, die täglich den Tunnel queren, zwischen Göschenen und Airolo auf die Schiene verladen werden könnten. Überdies will man eruieren, ob sich die Passtrasse ausbauen und länger offen gehalten liesse. Eine zweite Gotthardröhre könnte das Problem ebenfalls lösen, ist aber kein Thema. So oder so, Handlungsbedarf scheint dennoch zu bestehen. So wäre es laut Verkehrspolitiker Ulrich Giezendanner zwar möglich die Passstrasse ganzjährig zu offen zu halten. Aber ihre Kapazität reiche niemals aus.
Angst vor wirtschaftlichen Einbussen
„Tausende Tage ohne Gotthard-Durchfahrt wäre der Wahnsinn“, so Dittli in der „Sonntagszeitung“. Der Bund sage man könne die Fahrzeuge zwischen Airolo und Göschenen via Bahn befördern und stütze sich dabei auf ein Gutachten der Alpeninitiative. Aber diese müssten hinterfragt werden, weil sie etwa die Auswirkungen der Stosszeiten des Ferienverkehrs nicht berücksichtigten. Dittli wirft dem Astra vor, dass es etwas „durchboxen“ wolle, was in dieser Form nicht wirklich nötig sei.
Leiden würde unter einer solchen Sperre die Tessiner Wirtschaft. Das befürchtet zumindest Tessiner Regierungspräsident Luigi Pedrazzini. „Ohne Alternative muss unsere Wirtschaft enorm bluten“, erklärt er in der heutigen Ausgabe von „20 Minuten“. Besonders betroffen sei der Tourismus-Sektor. Denn 60 Prozent der Touristen kommen laut Leventina-Tourismus aus der Deutschschweiz. - Die Tessiner Regierung hat in einem Brief Bundesrat Moritz Leuenberger aufgefordert, den Tessin mit in die Planung für die Schliessung des Gotthards mit einzubeziehen. Doch laut Borradori hat man noch keine Antwort erhalten.
Keine Lastwagen mehr im Gotthardtunnel
Positive Seiten kann immerhin die Alpeninitiative diesem Umstand abgewinnen: Man nehme erfreut zur Kenntnis, dass der Bund offenbar ihren Vorschlag aufgenommen habe, den Strassenverkehr während der Sanierung über einen Autoverlad abzuwickeln, kommentiert die Alpeninitiative den Artikel in der „Sonntagszeitung“. Wie auf der Strasse werde die Nachfrage in den Sommermonaten das Angebot übersteigen. Deshalb schlägt die Alpen-Initiative vor, die Sperrung in den Sommermonaten aufzuheben und die Bauarbeiten im Tunnel auf die verkehrsschwächeren Monate zu konzentrieren. Werde der provisorische LKW-Verlad im Basistunnel auch während der Sommermonate aufrecht erhalten, so könnten die Staus sogar im Vergleich zu heute reduziert werden, meint die Alpeninitiative in ihrem Communiqué. Und zwar, weil zum einen keine Lastwagen durch den Tunnel fahren und zum andern, weil auf das sicherheitsbedingte Dosiersystem ganz oder weitgehend verzichtet werden kann. Dieser Zustand käme dem gleich, was die Alpeninitiative schon lange fordert: einem LKW-Verbot für den Gotthardtunnel. (mai)