150 Jahre Amt für Verkehr: Eine bewegte Geschichte
Das Bundesamt für Verkehr feiert 2023 sein 150-jähriges Bestehen. Die Geschichte des Amtes war wechselvoll, mit sich ändernden Aufgaben und zahlreichen Reorganisationen. Geblieben ist die Kernaufgabe: Der Einsatz für den öffentlichen Verkehr und den Schienengüterverkehr.
Quelle: unbekannt
Die BAV-Mitarbeiter waren auf verschiedene Orte verteilt gewesen, unter anderem auch im Bundeshaus.
Das Bundesamt für Verkehr (BAV) feiert
heuer sein hundertfünfzigjähriges Jubiläum. Zu diesem Anlass ist eine Broschüre
zu seiner Geschichte erschienen. Als Grundlage diente dabei vor allem ein Buch,
welches 1914 zum 40-jährigen Bestehen des Amtes verfasst wurde. Aus diesem
Grund seien die ersten Jahrzehnte am besten aufgearbeitet, die anderen
Zeitabschnitte unterschiedlich gut dokumentiert, erklärt das BAV.
Das Amt erhebt keinen Anspruch auf
Vollständigkeit, obwohl die Stelle mit vielen Quellen und haufenweise
Sekundärliteratur gearbeitet sowie intensive Recherche betrieben hat. Dennoch,
schreibt das BAV bescheiden, solle es bloss «um eine Annäherung an die
Entwicklung des BAV im Verlauf seiner 150 Jahre gehen».
Das Parlament funkt dazwischen
Angefangen hat alles mit der Gründung des
schweizerischen Bundesstaats 1848. Damit tauchte die Idee einer nationalen
Eisenbahn auf. Die Bundesversammlung beauftragte den Bundesrat bereits 1849,
den Plan zu einem schweizerischen Bahnnetz vorzulegen und ein Gesetz zur
Abtretung von Privatrechten vorzubereiten. Daraufhin richtete der Bundesrat ein
technisches «Eisenbahn-Bureau» ein. Das Bureau war an die Abteilung für
Bauwesen im Post- und Baudepartement angegliedert, wie man dem Heft entnimmt.
Der Bundesrat konnte der Bundesversammlung
seine Botschaft zum ersten Eisenbahngesetz bereits 1851 vermitteln. Das
Parlament jedoch überliess per Gesetz den Eisenbahnbau und -betrieb der
Privatwirtschaft und die Konzessionierung den Kantonen, so das BAV. Dem Bund blieb
mit dem ersten Eisenbahngesetz nur die Kompetenz, die kantonalen Konzessionen
zu genehmigen. Das Eisenbahn-Bureau hatte somit nichts mehr zu tun und schloss
seine Türen 1852 / 53.
Vorschriften bezüglich der Linienführung, der Koordination unter den Bahngesellschaften oder der Tarife gab es damals übrigens noch nicht. Die Finanzierung erfolgte über – oft ausländisches – Privatkapital oder über Beiträge von Kantonen und Gemeinden, hat das BAV recherchiert.
Schaffung der Bundeskompetenz
Wir erfahren, dass man in Bern Eisenbahn-Themen jetzt im Rahmen des übrigen Bauwesens aufgriff. Zuständig war zuerst ein Beamter der Postverwaltung, später dann der Telegraphen-Direktor. Es war klar, dass man so «nur das Allernotwendigste» erledigen konnte.
Die Privatbahnen standen in erbittertem Konkurrenzkampf zueinander. Die 1852 eingeführte Kompetenzordnung reichte nicht aus, um die Streithähne angemessen zu beaufsichtigen und ein sinnvolles nationales Netz zu schaffen, so die Recherche.
In der Broschüre kommt auch der Gotthardvertrag von 1869 /1871 mit Italien und dem Deutschen Reich zur Sprache. Der Bundesrat wurde verpflichtet, den Bau der Gotthardbahn intensiv zu beaufsichtigen. Dafür bedurfte der Bund grösserer Kompetenzen, die nach geltendem Recht den Kantonen zustanden. So übertrug das Parlament mit dem zweiten Eisenbahngesetz von 1873 die Kontrolle über Bau, Betrieb, Tarif- und Rechnungswesen sowie das Recht der Konzessionserteilung für alle Eisenbahnen dem Bund.
Quelle: ETH-Bibliothek Zürich/Bildarchiv
Gruppenfoto mit stolzen Beamten in einem SBB-Stellwerk von Max Jüdel & Cie, Braunschweig, Baujahr 1897.
Die neue Eisenbahnabteilung
1872 übernahm der Bund weiter die Plangenehmigung aus dem kantonalen Recht, «welche bis heute eine Kernaufgabe des Amtes geblieben ist», schreibt das BAV. 1873 wurde eine neue, sogenannte Eisenbahnabteilung gegründet, die 20 Normalspurbahnen, die Rigi-Bahn und das Tram in Genf, (die alle privat betrieben wurden) beaufsichtigte.
1879 passte der Bundesrat seine Organisation und diejenige der Verwaltung erneut an und schuf ein Post- und Eisenbahndepartement. Die neue Eisenbahnabteilung wurde dabei unverändert vom Handels- ins neue Post- und Eisenbahndepartement überführt.
Die SBB: eine neue Staatsbahn
Die Eisenbahngesetzgebung entwickelte sich beachtlich. Von 1873 bis 1902 erliess der Bund 23 Gesetze und zwölf Bundesbeschlüsse über das Eisenbahnwesen und genehmigte 20 Eisenbahn-Staatsverträge.
Wir lesen, dass die Bundesräte Emil Welti (1870er- und 1880er-Jahre) und Josef Zemp (1890er-Jahre) sich als Vorsteher des Eisenbahndepartements stark für den «Rückkauf» der Privatbahnen und die Schaffung einer Staatsbahn einsetzten.
Die Befürworter der Staatsbahn, die unter dem Motto «Die Schweizerbahnen dem Schweizervolk» angetreten waren, erzielten 1898 in einer Volksabstimmung mit 68 Prozent Ja-Stimmen eine klare Mehrheit. Am 1. Januar 1902 wurden die SBB als schweizerische Staatsbahn gegründet und dem Post- und Eisenbahndepartement unterstellt. Sie erhielt eine eigene Verwaltungsstelle, die sogenannte «Staatsbahnverwaltung».
Quelle: ETH-Bibliothek Zürich, Bildarchiv
Die Schpanisch-Brötli-Bahn im Jahr 1947.
Eidgenössisches Amt für Verkehr
1896 schon hatte der Bundesrat den Zuständigkeitsbereich des Eisenbahndepartements in einem wesentlichen Punkt verändert: Er hatte ihm die Kontrolle der Dampfschiffe und anderer Motorschiffe mit gewerbsmässigem Personen- oder Gütertransport übertragen. Es hatte allerdings vielerorts Handlungsbedarf gegeben. Hinzu kamen Luftseilbahnen, die Konzessionierung von Automobilunternehmen und «geleislosen Bahnen» (heute: Trolleybusse). Dazu kam die Aufsicht über einzelne Aufzüge wie etwa den Berner Matte-Lift oder der Wetterhorn-Lift in Grindelwald.
Neue Aufgaben und neue Mitarbeiter für das Eisenbahndepartement ergaben sich auch durch das Aufkommen der Elektrizität. Einerseits mussten die Kreuzungen von Starkstrom- und Bahnlinien neu geregelt und beaufsichtigt werden. Andererseits beteiligte sich das Eisenbahndepartement an den Studien und Normierungen zur Elektrifizierung des Bahnbetriebs.
1929 legte der Bundesrat im Beschluss über die Erteilung von Konzessionen für regelmässige Auto- und Autobussfahrten fest, dass solche Gesuche bei der Oberpostdirektion einzureichen und vom Post- und Eisenbahndepartement zu erteilen seien. In dieser Phase dürfte in der Eisenbahnabteilung der Aufbau des Automobildienstes begonnen haben, der zu Beginn des Zweiten Weltkriegs laut BAV beträchtliche Ressourcen beanspruchte.
Der Name «Eisenbahnabteilung» schien in Anbetracht der vielen Aufgaben nicht mehr richtig. 1935 wurde die bisherige Eisenbahnabteilung deshalb in das Eidgenössisches Amt für Verkehr (EAV) umbenannt. Mit der zunehmenden Verbreitung von Auto und Flugzeug, aber auch der elektrischen Energie erweiterte sich auch das Aufgabengebiet des Departements. Nach dem Zweiten Weltkrieg hatte das Post- und Eisenbahndepartement zahlreiche Ämter. Daneben führte es die Bundesunternehmen SBB und PTT.
Quelle: ETH-Bibliothek Zürich, Bildarchiv/Fotograf: Heinz Baumann/CC BY-SA 4.0
Oerlikon, BBC-Werk, Montagehalle: Die elektrischen Teil werden in die Lokomotiven eingebaut.
Vom EAV zum EVED
1963 integrierte der Bundesrat das Eid-genössische Amt für Verkehr in das neu entstehende Verkehrs- und Energiewirtschafts-Departement (VED). Seit der Schaffung des Post- und Eisenbahndepartements waren unter anderem die Luftfahrt und die Aufsicht verkehrspolitische Meilensteine: Die Stimmbevölkerung lehnt 1935 das Verkehrsteilungsgesetz ab und ist für Einschränkungen der Strassen zu Gunsten des Schienentransports. Das Parlament schafft 1957 mit dem revidierten Eisenbahngesetz die Grundlagen für eine ordentliche Finanzierung der Bahn durch den Bund. In den achtziger Jahren wurde der Taktfahrplan eingeführt, das Projekt Bahn 2000 startete, und das Halbtax-Abo wurde billiger: Es war eine Renaissance der Bahn.
Dann wurde das Amt vom Furka-Eclat erschüttert: «Der Bau dieses Tunnels ist als Skandal in die Schweizer Geschichte eingegangen. Seine Bauzeit hat nicht wie geplant fünf, sondern neun Jahre gedauert. Seine Kosten haben sich vervierfacht – von budgetierten 80 Millionen auf 318,5 Millionen Franken», kommentiert die NZZ.
Mit der Reorganisation der Bundesverwaltung von 1979 benannte der Bundesrat das Departement in Eidgenössisches Verkehrs- und Energiewirtschaftsdepartement (EVED) um. Im gleichen Zuge wurde das EAV zum Bundesamt für Verkehr (BAV).
Quelle: Heinz Baumann
Die Strecke Oberwinterthur-Etzwilen wurde 1875 eröffnet und hatte 1975 ihr 100-Jahr-Jubiläum.
Vom EVED zum UVEK
1998 wurde auch das Departement unter Vorsteher Moritz Leuenberger erneut reorganisiert und in Eidgenössisches Departement für Umwelt, Verkehr, Energie und Kommunikation (UVEK) umbenannt. Einschneidender war die Neuorganisation des Amtes auf den 1. Januar 2000. Bis dahin war das Amt bei der Eisenbahn vor allem für die Privatbahnen zuständig gewesen. Nun aber wurde mit dem Projekt «hoheitliche Aufgaben» die Bahnreform umgesetzt. Mit dieser wurde die SBB von der Staatsbahn zu einer Aktiengesellschaft. Damit wurden Aufsichtsaufgaben wie Baubewilligungen, Fahrzeugzulassungen und Sicherheitsaufsicht, welche der Bund 1919 an die SBB übertragen hatte, zum Bund zurücktransferiert.
Hinzu kamen weitere Aufgaben aufgrund des freien Netzzugangs im Eisenbahnverkehr. Der Personalbestand des BAV stieg um nicht weniger als 86 Stellen. Davon übernahm das Amt 43,5 Stellen – häufig inklusive der Stelleninhaber – direkt von der SBB. Neu wurde das BAV in die vier Abteilungen Bau, Verkehr, Technik und Aufsicht aufgeteilt. Mit einigen Ausnahmen entspricht dieser Aufgabenkatalog zu einem grossen Teil der heutigen Tätigkeit des BAV. In einigen Fällen lassen sich erstaunliche Parallelen zu heutigen Geschäften erkennen.
Ittigen in Bern
Auf Anfang 2000 zog der grösste Teil der Mitarbeitenden an den neuen Hauptsitz am Bollwerk 27/29 in Bern. Zuvor war das BAV auf sechs Standorte verteilt gewesen. Allerdings reichte der Platz aufgrund des Personalzuwachses in Folge der Bahnreform trotzdem nicht aus, sodass das Amt weiterhin Aussenstellen betreiben musste.
Erst als es im Januar 2006 zusammen mit der Mehrzahl der anderen UVEK-Ämter in den Campus Ittigen zog, erhielt das BAV ein ausreichend grosses Gebäude. Dieses ist an die aktuelle Grösse von 350 Mitarbeitenden angepasst und erlaubt es, alle Abteilungen und Sektionen unter einem Dach zu beherbergen.
Quelle: ETH-Bibliothek Zürich, Bildarchiv/Fotograf: Patrick Lüthy/CC BY-SA 4.0
Freude über den Furka-Basistunnel nach dem Durchstich. Der Bund jedoch war aufgrund der langen Dauer und den überbordenden Kosten erschüttert.
Das BAV der Zukunft
Die zunehmende Urbanisierung des Landes wird dazu beitragen, dass die Bedeutung des öffentlichen Verkehrs (öV) und neuer Mobilitätsangebote in der Schweiz weiter steigt, ist das BAV überzeugt.
Auf Basis dieser Entwicklung werde der Anteil des öV am Personenverkehr gemäss den Verkehrsperspektiven des Bundes bis 2050 von 21 auf 24 Prozent steigen. Beim Güterverkehr werde der Anteil der Schiene gemäss dieser Prognose von 37 auf 39 Prozent zunehmen. Verkehrs- und Infrastrukturplanung in der Raumentwicklung müsse ein nationaler Prozess sein. Die Rolle des Bundes werde dabei zunehmend wichtiger.
«Bei der Planung des öV müssen wir lernen, in Regionen und in Metropolitanräumen zu denken. Das sind jene Einheiten, die künftig die Rolle als Besteller für das Verkehrsangebot übernehmen sollten, denn Kantonsgrenzen engen den Horizont ein. Die Aufteilung des öV in Fern-, Regional-, Orts- und touristischen Verkehr wird sich in Zukunft immer mehr auflösen. Aufgabe des künftigen BAV wird es demzufolge sein, diese Strukturreform sukzessive voranzutreiben», konstatiert das BAV.
Ein digitales Ticket
«Eine Reise – ein Ticket» muss über die Grenzen des öV hinaus auf alle Mobilitätsanbieter ausgeweitet werden, so das BAV. «Der Ticketverkauf wird zunehmend digital erfolgen und für Drittanbieter geöffnet, damit das öV-Angebot breiter genutzt und in multimodale Angebote integriert werden kann.»
Die Förderung des Schienengüterverkehrs wird eine Kernaufgabe des BAV bleiben und noch weiter an Bedeutung gewinnen. Angesichts der klimapolitischen Ziele ist es unverzichtbar, weiter an der Erreichung des Verlagerungsziels im Güterverkehr durch die Alpen und innerhalb der Schweiz zu arbeiten sowie den Binnengüterverkehr auf der Schiene zu stärken. Hier stehen bereits in den nächsten Jahren wichtige politische Weichenstellungen bevor.
Die Broschüre «150 Jahre BAV» kann auf
www.bav.admin.ch, heruntergeladen werden.
Grundlage für das heutige Normalspurnetz
Die Verordnung über die technische Einheit im schweizerischen Eisenbahnwesen war 1854 gerade einmal vier Seiten schmal. Es handelte sich um die erste Version der heutigen Eisenbahnverordnung (EBV) und ihrer Ausführungsbestimmungen (AB-EBV). Während die damalige Verordnung auf den vier Seiten 20 Artikel enthielt, sind es in der EBV aktuell 84 Artikel auf 63 Seiten, wobei die Ausführungsbestimmungen 540 Seiten stark sind. In der Verordnung geregelt wurde namentlich die Spurweite. Dies legte die Grundlage für das heutige Normalspurnetz. Der Bund legte mit dem ersten Eisenbahngesetz von 1852 zudem «die Pflicht der Eisenbahnunternehmungen zur Gewährung des Anschlusses untereinander» fest.
Wichtigste Daten
- 1850 / 52: Eisenbahnbureau im Post- und Baudepartement als Vorläufer des Amtes.
- 1852: Erstes Eisenbahngesetz: Die Kompetenz liegt bei den Kantonen, die Bahnen sind privat.
- 1869: Staatsvertrag zur Gotthardbahn: Dieser macht eine Regulierung auf Bundesebene notwendig.
- 1873: Zweites Eisenbahngesetz und Gründung der Eisenbahnabteilung im Eisenbahn- und Handelsdepartement: Die Aufsicht über Bau, Betrieb, Tarif- und Rechnungswesen sowie das Recht der Konzessionserteilung wird Bundessache.
- 1896: Die Eisenbahnabteilung wird auch zuständig für die Schifffahrt.
- 1898: Die Volksabstimmung «Verstaatlichung der grossen Eisenbahnen» wird angenommen: Die SBB entsteht.
- 1902: Die Eisenbahnabteilung wird auch zuständig für Seilbahnen und Busse.
- 1915: Umzug vom Bundeshaus West ins neu erstellte Bundeshaus Nord.
- 1919: Die Eisenbahnabteilung gibt Aufsichtskompetenzen an die SBB ab und reduziert den Personalbestand.
- 1923: Neu steht dem Amt nur noch ein Direktor vor (zuvor je ein technischer und administrativer Inspektor).
- 1935: Umbenennung in Eidgenös-sisches Amt für Verkehr: Neu ist das Amt auch zuständig für Gesamt-verkehrsfragen (Verhältnis Bahn-Strassenverkehr) und die Tourismusförderung.
- 1958: Inkrafttreten des dritten, totalrevidierten Eisenbahngesetzes.
- 1963: Das Departement wird umbenannt von Post- und Eisenbahn-departement in Verkehrs- und Energiewirtschaftsdepartement.
- 1979: Umbenennung des Amtes in Bundesamt für Verkehr.
- 1981: Übergabe der Tourismusförderung an das Bundesamt für Industrie, Gewerbe und Arbeit (BIGA).
- 1998: Das Departement wird um-benannt in Eidgenössisches Departement für Umwelt, Verkehr, Energie und Kommunikation (UVEK).
- 2000: Übernahme von 43,5 Stellen von der SBB infolge der Bahn-reform. Reorganisation und Umzug des Amtes ins Bollwerk Bern.
- 2006: Umzug des Amtes in den UVEK-Campus in Ittigen BE.