Lüftungstechnik: Damit es das Coronavirus eiskalt erwischt
In geschlossenen Räumen ist die Gefahr der Übertragung des Coronavirus gross. Ein an zwei Fraunhofer-Instituten entwickeltes Lüftungssystem filtert die Viren aus der Raumluft und verbrennt sie kalt. Übrig bleiben nur geringe Mengen Kohlenstoffdioxid und Wasserstoff.
Quelle: Geralt, Pixabay-Lizenz
Coronaviren (Symbolbild)
Ein Raumlüfter, der Keime so effizient aus der Raumluft
filtert und zerstört, sodass nur für die Gesundheit unschädliches CO2 übrig
bleibt – eine solche Lösung entwickeln derzeit die Fraunhofer-Institute für
Keramische Technologien und Systeme (IKTS) in Dresden und für Toxikologie und
Experimentelle Medizin (ITEM) in Hannover im Rahmen des Projekts «CoClean-up».
Filter, die Raumluft reinigen, gibt es zwar schon, allerdings
halten sie die Viren lediglich zurück. Wird der Filterwechsel einmal versäumt,
kann es zu einem Durchbruch kommen, bei dem eine geballte Virenmenge in die
Luft gerät. Überdies stellt sich die Frage nach der Entsorgung verbrauchter
Filter. UV-Filter bieten nur bedingt eine Alternative: Denn auch wenn sie die
Viren grösstenteils zerstören, entstehen dabei oftmals andere
gesundheitsschädliche Substanzen.
Äusserlich unterscheidet sich der Raumlüfter der beiden
Fraunhofer-Institute kaum von bestehenden Modellen. Der Prozess dahinter ist
hingegen vollständig neu, wie es in der Medienmitteilung der Institute heisst.
«Unser Raumlüfter zerstört Viren und anderes organisches Material vollständig –
übrig bleiben nur kleine Mengen CO2 und Wasserstoff», sagt Hans-Jürgen Friedrich,
Gruppenleiter am IKTS. «Unser Prozess macht mit Corona-Viren also wirklich
kurzen Prozess.»
Viren landen der Salzlösung und oxidieren zu CO2
Wo bei bisherigen Anlagen nur ein Filter steckt, werden die
Viren in der neuen Anlage kalt verbrannt. Dazu wird die Raumluft in eine
Salzlösung eingeleitet, in der die Viren und andere organische Bestandteile
hängen bleiben. Die gereinigte Luft wird wieder in den Raum entlassen. In der
Salzlösung befinden sich zwei Elektroden, zwischen denen eine elektrische
Spannung anliegt. An einer davon werden die organischen Substanzen, aus welchen
die Viren bestehen, vollständig zu CO2 oxidiert – also kalt verbrannt. An der
anderen entstehen geringe Mengen Wasserstoff.
Laut dem Forschungsteam kommen bei einer üblichen Raumgrösse
und etlichen Personen im Raum über mehrere Stunden nur einige hundert
Milliliter CO2 und Wasserstoff zusammen, die sich auf die gesamte Raumluft
verteilen. Zum Vergleich: Die Luft, die ein Mensch ausatmet, enthält etwa 40
Milliliter CO2 in einem einzigen Liter, und dies bei jedem Atemstoss.
Zurzeit laufen Tests mit ungefährlichen Substanzen: «Für die
Tests nutzen wir aus Sicherheitsgründen keine Corona-Viren, sondern
repräsentative Surrogate, die sehr ähnliche Eigenschaften haben», sagt
Katharina Schwarz, Abteilungsleiterin am ITEM. Am IKTS wurden, um den Aufbau zu
überprüfen, die biologischen Testsubstanzen direkt in die Salzlösung gegeben –
und dann sowohl die Zersetzung der Testsubstanz an den Elektroden analysiert,
als auch die Konzentration an Testsubstanz in der ausgeleiteten, sauberen Luft
gemessen. Das Ergebnis: Die Vorgänge bei der Elektrolyse – oder vielmehr im
Herzstück des Systems – funktionieren wie gewünscht.
In einem weiteren Schritt sollen die Aerosole nun mit Viren
beladen und über Pumpen in die Salzlösung eingeleitet werden. Auch hier greifen
die Forscherteams zu ungefährlicheren Surrogatviren. Wie Schwarz erklärt, gibt
es in ganz Europa zurzeit keine standardisierte Möglichkeit, gefährliche Viren
als Aerosol für Untersuchungen der Wirksamkeit von Luftreinigungs- und
-desinfektionssystemen zu nutzen.
Potenzial – nicht nur für Coronaviren
Für ein anderes von der Fraunhofer-Gesellschaft gefördertes
Projekt untersucht Schwarz an gesunden Probanden, wie sich die Zusammensetzung
des ausgeatmeten Aerosols ändert, je nachdem ob die Testperson ruhig atmet,
spricht, hustet oder singt. Anhand dieses Wissens plant die Wissenschaftlerin,
unterschiedliche Aerosolsorten herzustellen, die dann mit Testviren beladen und
in die Elektrolysezelle eingeleitet werden.
Der im Projekt «CoClean-up» entwickelte Raumlüfter wird zum
Projektende im April als Demonstrator fertiggestellt. Wie die Fraunhofer
Institute mitteilen, dürfte es noch etwa eineinhalb Jahre dauern, bis das
System soweit ist, dass eine Markteinführung möglich wäre. Dann allerdings
beseitigt der Raumlüfter nicht nur Corona-Viren, sondern könnte auch bei
anderen Fragen der Raumluftverbesserung helfen, wie zum Beispiel bei Viren in
der Tierhaltung, Schweine- und Geflügelpest.
Weitere Möglichkeiten zur Beseitigung von luftgetragenen Schadstoffen werden derzeit innerhalb des Fraunhofer IKTS überprüft. «Es gibt nur wenige Möglichkeiten, solche Probleme derart zu lösen, dass am Ende nur CO2 rauskommt», sagt Hans-Jürgen Friedrich. «Unser Ansatz hat da viel Potenzial – nicht nur, aber auch bei Corona.» (mgt/mai)