12:21 BAUSPASS

So scheiterte die 366 Meter lange Gartenbrücke über der Themse in London

Geschrieben von: Pascale Boschung (pb)
Teaserbild-Quelle: PD, Thomas Heatherwick/Arup

Vor über 20 Jahren entstand in London die Idee für eine begrünte Fussgängerbrücke, die über die Themse die Stadtbezirke City of Westminster und Lambeth verbinden sollte. Realisiert wurde das Projekt aber nie. Dennoch verschlang es am Ende 53 Millionen Pfund.

Visualisierung Garden Bridge in London

Quelle: PD, Thomas Heatherwick/Arup

Visualisierung: So hätte die 366 Meter lange Garden Bridge zwischen den bestehenden Brücken Waterloo und Blackfriars aussehen sollen. An ihrer breitesten Stelle hätte sie bis zu 30 Meter messen sollen.

Das Projekt basierte ursprünglich auf einem privaten Vorschlag für eine neue Fussgängerbrücke über die Themse. Die Idee dazu lieferte 1998 die englische Schauspielerin Joanna Lumley. Unterstützung erhielt ihr Konzept später von Boris Johnson, der von 2008 bis 2016 als Bürgermeister von London amtete. Den Entwurf für die Brücke lieferten der britische Architekt Thomas Heatherwick, das Ingenieurbüro Arup sowie der Gartengestalter Dan Pearson. 

Das Besondere an der geplanten Brücke war weniger ihre Funktion als Verbindungsstück zweier Stadtbezirke, als vielmehr ihr Design: Auf der Brücke sollte eine grossflächige Bepflanzung mit Bäumen, Sträuchern, Hecken- und Kletterpflanzen, Stauden, Farnen und Blumenbeeten Platz finden. Deshalb auch der Name «Garden Bridge». Rein theoretisch betrachtet, handelte es sich beim Projekt also um einen langgezogenen Park über der Themse.

Üppig bepflanzte Gartenbrücke über der Themse 

Mit der prominenten Unterstützung und den bekannten Projektbeteiligten verfügte das Vorhaben eigentlich über eine solide Basis. Doch die Gartenbrücke war von Anfang an stark umstritten. Insbesondere die Kosten und der effektive Nutzen wurden stets in Frage gestellt. Nichtsdestotrotz wurde die Planung weiter vorangetrieben. Heatherwick und Arup lieferten so schliesslich einen Vorschlag für eine Konstruktion aus Beton, Stahl und Kupfernickel und illustrierten dies in Visualisierungen. Diese zeichneten das Bild einer üppig gepflanzten, idyllischen Brücke. 

Die «Garden Bridge» hätte 366 Meter lang und an ihrer breitesten Stelle einen Durchmesser von 30 Meter haben sollen. Realisieren wollte man sie zwischen den bestehenden Brücken Waterloo und Blackfriars. Die Konstruktion hätte vom Dach der U-Bahn-Station «Temple» am Fusse der Arundel Street am Nordufer bis zum Queen’s Walk am Südufer geführt. Bei Letzterem sollte ausserdem eine öffentliche Grünfläche weichen, da an dieser Stelle ein mit der Brücke verbundenes neues Geschäftsgebäude geplant war. 

Die Kosten für das riesige Vorhaben wurden zunächst auf 60 Millionen Pfund geschätzt, danach auf 185 Millionen hinaufkorrigiert und später abermals erhöht, auf 200 Millionen Pfund. Finanziert werden sollte das Projekt mit über 140 Millionen Pfund privaten Geldern (inklusive Spendengelder) und 60 Millionen an zugesagten öffentlichen Geldern – davon sollten der Transport for London (TfL) sowie das Verkehrsministerium je die Hälfte tragen. Wobei dem Tfl eine Rückzahlung von 20 Millionen über einen Zeitraum von 55 Jahren eingeräumt wurde. 

Für die Finanzierung, den Bau und Unterhalt hatte man 2013 den Garden Bridge Trust gegründet, dieser sollte zugleich auch als Eigentümerin der Brücke fungieren. 

Bäume von Kriegsdenkmal hätten gefällt werden müssen

Bereits kurz nach der Vorstellung der Pläne hagelte es Kritik: Für den Bau hätten unter anderem auf beiden Seiten der Themse mehrere ausgewachsene Bäume gefällt werden müssen – ironischerweise, um einem Brückenpark mit Bäumen Platz zu machen. Der kritischste Punkt hierbei: Unter den betroffenen Bäumen befanden sich auch 28 Platanen in der Allee am Queen’s Walk, die in den 60er-Jahren zu Gedenken an Londons Kriegstote gepflanzt worden waren. Für viele ein Affront. 

Zwar hätte die Brücke mit insgesamt 270 geplanten Bäumen vermutlich mehr Grün geliefert, als hätte entfernt werden müssen. Jedoch unterlagen die Bäume auf dem Übergang strengen Vorschriften, um die Windlast auf der Konstruktion zu reduzieren: Man hätte sie etwa so beschneiden müssen, dass sie an den Brückenpfeilern eine Höhe von 15 Metern und in der Nähe der Brückenpodeste eine Höhe von zwei Metern nicht überschritten hätten. 

Visualisierund Garden Bridge in London

Quelle: PD, Thomas Heatherwick/Arup

Das Besondere an der geplanten Brücke war weniger ihre Funktion als Verbindungsstück zweier Stadtbezirke, als vielmehr ihre Ausgestaltung: Auf der Brücke sollte eine grossflächige Bepflanzung mit Bäumen, Sträuchern, Hecken- und Kletterpflanzen, Stauden, Farnen, Blumenbeeten und Gräsern Platz finden.

Doch nicht so öffentlich, wie gedacht? 

Abgesehen davon, dass Bäume hätten gefällt werden müssen, gab es noch weitere Kritikpunkte. Im November 2014 wurde publik, dass die Brücke wohl doch nicht so öffentlich sein würde, wie gedacht. Bekannt wurde dies, nachdem der Gemeinderat von Lambeth die Baugenehmigung erteilt und im Planungsbericht einige Richtlinien zur Benützung beschrieben hatte. Demnach müssten sich Gruppen von acht oder mehr Personen zuerst an den Garden Bridge Trust wenden, um einen Besuch zu beantragen. Begründet wurde diese Richtlinie mit einem ordentlichen Besuchermanagement, und um mögliche Protestgruppen davon abzuhalten, die Brücke zu besetzen. 

Eine solche Massnahme lege nahe, dass es sich bei der Gartenbrücke, wie bereits von Kritikern vermutet, nicht um eine Brücke für die Öffentlichkeit sondern um eine weitere, privat geführte Touristenattraktion handle, wie die Tageszeitung und Online-Newsportal  «The Guardian» berichtete. Vor diesem Hintergrund kritisierte «The Guardian» vor allem, dass für das Projekt 60 Millionen Pfund an öffentlichen Geldern investiert werden sollten. Zudem würde das Besuchermanagement auf ein Ticketsystem hinweisen. 

Eine weitere Richtlinie im veröffentlichen Bericht besagte ausserdem, dass auch Velofahrern die Benützung der Brücke untersagt war. Der Übergang sollte somit lediglich Fussgängern dienen. Nach der scharfen Kritik bezüglich diesem Verbot und der Besucherbegrenzung, krebste die Garden Bridge Trust aber zurück und erklärte später, dass auch Gruppen von acht oder mehr Personen erlaubt seien und auch Radfahrer die Brücke benutzen dürften – sofern diese absteigen und ihre Fahrräder schieben würden. 

Zahlreiche Verbote auf der Garden Bridge 

Doch damit nicht genug. Ein Jahr später enthüllten erneute Planungsunterlagen von Lambeth weitere schwierige Aspekte: So hätte der Zugang der Öffentlichkeit mittels Überwachung der Anzahl Mobiltelefonsignale kontrolliert werden sollen,  um auf der Brücke gefährlich grosse Menschenansammlungen zu verhindern. Des Weiteren war die Installation von Videokameras  vorgesehen gewesen. Zudem hätten Sicherheitsleute  oder vielmehr «visitor hosts» , die über begrenzte polizeiliche Befugnisse verfügten und Geldstrafen verhängen konnten, auf der Brücke patroullieren sollen.

Auf der «Garden Bridge» sollten weiter Regeln gelten, um «Erwartungen an Verhalten und Anstand zu etablieren». Demnach war jede Art von Bewegung ausser Joggen, das Spielen eines Musikinstruments, die Teilnahme an einer Versammlung, das Halten einer Rede sowie das Aufsteigen lassen eines Ballons oder Drachens grundsätzlich verboten, wie in den Unterlagen festgehalten wurde. Das Projekt stand damit schnell unter keinem guten Stern mehr, die Stimmen der Gegner wurden immer lauter. 

Trotz dieser Umstände erhielt das Projekt zwei Monate nach der Baugenehmigung von Lambeth im Dezember 2014 tatsächlich auch von der City of Westminster grünes Licht. Die Bauarbeiten hätten daraufhin im Laufe des Jahres 2015 starten sollen, die Eröffnung der Gartenbrücke war für 2018 vorgesehen. Doch so weit sollte es nie kommen. 

Visualisierund Garden Bridge in London

Quelle: PD, Thomas Heatherwick/Arup

Insgesamt 270 Bäume sollten auf der Garden Bridge Platz finden. Diese hätten jedoch nach strengen Vorschriften beschnitten werden müssen, um die Windlast zu reduzieren. An den Brückenpfeilern hätten sie etwa eine Höhe von 15 Metern und in der Nähe der Brückenpodeste eine Höhe von zwei Metern nicht überschreiten dürfen.

Extrem hohe Kosten im Vergleich zu anderen Brücken 

Mit geschätzten Kosten von 200 Millionen Pfund waren die Kosten für die Gartenbrücke im Vergleich zu anderen Themseüberquerungen extrem hoch. Darauf machte Peter Handy, Finanzchef bei Transport of London, bereits im Jahr 2013 aufmerksam. Er verglich die Kosten mit jenen für den Bau der Londoner Millenium-Brücke, die «nur» 22 Millionen Pfund ausmachten. Genau diese hohen finanziellen Aufwände waren später ein zentraler Grund für das Scheitern des Brückenprojekts.  

Denn die Finanzierung verschlechterte sich zunehmend. So verlor der Garden Bridge Trust im Verlaufe der Planung zwei Grossspender, was zu einem Rückgang der privaten Gelder auf 69 Millionen Pfund führte. Nachdem Boris Johnson zudem nicht mehr Bürgermeister war und Sadiq Khan im Mai 2016 Johnsons Nachfolge angetreten hatte, liess dieser die Entscheidungen seines Vorgängers für das Projekt überprüfen. 

Daraufhin wurden im Juli 2016 die Vorbereitungsarbeiten für die Brücke gestoppt, um die Finanzen zu überprüfen. Bis zu diesem Zeitpunkt wurden für drei Millionen Pfund aber bereits Arbeiten an der U-Bahn-Station Temple ausgeführt, um auf deren Dach wie geplant die Konstruktion bauen zu können. Sadiq Khan liess danach verlauten, dass ab sofort für das Projekt keine weiteren öffentlichen Gelder mehr ausgegeben würden. 

Millenium-Brücke in London

Quelle: Oscar Nord, unsplash

Blick auf die Millenium-Brücke in London: Ihr Bau hatte rund 22 Millionen Pfund gekostet und lag damit deutlich unter den veranschlagten Kosten für die «Garden Bridge». Entworfen wurde die im Jahr 2000 eröffnete Fussgängerbrücke vom Architekten Norman Foster, dem Ingenieurbüro Arup und dem inzwischen verstorbenen Bildhauer Anthony Caro.

Projekt hätte mehr als 200 Millionen Pfund gekostet 

Für das endgültige Aus für das Projekt sorgte schliesslich eine Untersuchung der Parlamentarierin Margaret Hodge: Sie nahm die Projektkosten unter die Lupe und konnte aufzeigen, dass das Projekt auch die zuletzt veranschlagten 200 Millionen Pfund überstiegen hätte. Es wurde empfohlen, das Projekt nicht weiter zu verfolgen. Der Garden Bridge Trust gab dann im August 2017 offiziell bekannt, dass das Projekt eingestellt und die Organisation aufgelöst werde.

Bis dahin wurden bereits 53 Millionen Pfund investiert, davon 43 Millionen aus der öffentlichen Hand. Dies zeigte eine später veröffentlichte Untersuchung der Transport of London (TfL). Darin wurde publik, dass die Garden Bridge Trust beispielsweise 161‘000 Pfund für die Erstellung einer Webseite sowie 417‘000 Pfund für ein Gala-Dinner ausgegeben hatte. Weiter soll nur schon der Entwurf der Brücke mehr als 9 Millionen verschlungen haben. 

Bestätigung für «kompletten Irrsinn» des Projekts

Für viele war damit endgültig bewiesen, dass die Garden Bridge Trust nicht verantwortungsvoll mit den Geldern umgegangen war. Für Caroline Pidgeon, Vorsitzende der Verkehrskommission der London Assembly, waren die Details der Finanzen eine endgültige Bestätigung für den «kompletten Irrsinn» des Projekts, wie sie damals sagte. 

Die Garden Bridge Trust hätte öffentliche Gelder in einer Weise verschleudert, wie es keine verantwortungsbewusste Organisation hätte tun dürfen. Zudem hätte es eine Wohltätigkeitsorganisation nicht nötig, so viel Geld für eine Webseite oder ein Gala-Dinner auszugeben. 

Damit fanden die Pläne für den Brückenpark ein trauriges Ende. Tom Edwards, Verkehrskorrespondent bei der BBC, drückte seine Worte für die gescheiterte Gartenbrücke sehr passend aus: Das Projekt sei ein Diadem an der Themse gewesen, das seinen Glanz verlor und dann starb. 

Artikelserie «Planungsleichen»

In dieser Serie stellen wir in loser Folge die Geschichten hinter geplanten Projekten auf der ganzen Welt vor, die schlussendlich gar nicht oder nur teilweise realisiert wurden.

Geschrieben von

Redaktorin Baublatt

Zeichnet, schreibt und kreiert gerne. Themenbereiche: Bauprojekte sowohl international als auch regional, News aus Wissenschaft, Forschung, Technik, Architektur und Design.

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