«The Tokyo Toilet»: Wenn Architekten öffentliche Toiletten entwerfen
Im Zuge des Projekts «The Tokyo Toilet» entwerfen bekannte Architekten für 17 Standorte im Stadtbezirk Shibuya in Tokio öffentliche Toiletten. Entstanden sind so herzige kleine Bauwerke, unter anderem aus der Feder von Kengo Kuma und Shigeru Ban.
Japan zählt zu den saubersten Ländern der Welt. Selbst die öffentlichen Toiletten im Land haben meist einen höheren Hygienestandard als andernorts. Trotz diesem Umstand würden die stillen Örtchen von der Bevölkerung in Japan aber oft nur ungern genutzt, weil sie als dunkel, schmutzig und unheimlich gelten würden, schreibt der Sanitärkeramik-Hersteller Toto Europe in einer Pressemitteilung. Das Projekt «The Tokyo Toilet» soll diesem Vorurteil entgegenwirken.
Toilette nach Kengo Kuma und Shigeru Ban
Die Stadtverwaltung von Shibuya gestaltet im Zuge von «The Tokyo Toilet» seit 2020 gemeinsam mit der Nippon Foundation öffentliche Toilettenhäuser im Bezirk neu oder renoviert bestehende. Konkret enstehen so an 17 Standorten in Shibuya moderne Toilettenhäuser, die für die Bevölkerung einladender wirken sollen. Die Entwürfe für die aufgehübschten WC-Hütten stammen von 16 bekannten Architekten und Designern, darunter Kengo Kuma, Toyo Ito und Shigeru Ban.
Der Sanitärkeramik-Hersteller Toto Europe fungiert im Projekt nach eigenen Angaben als Berater und bringt Vorschläge für die Ausstattung und Gestaltung der Toiletten ein. Ein Grossteil der kleinen WC-Bauwerke wurde inzwischen fertiggestellt, einige müssen noch gebaut werden. Bis Ende 2022 sollen gemäss Toto aber alle 17 Toilettenhäuser des Projekts fertiggestellt sein.
In einer Bilderstrecke stellen wir unten einige der bereits
realisierten Toilettenhäuschen vor. Eine Übersicht zu den bereits realisierten
und den geplanten Anlagen gibt es unter: tokyotoilet.jp/en
Ein strahlender Kubus von Kashiwa Sato
Im Juli 2021 öffnete beim Westeingang des Bahnhofplatzes der
Ebisu-Station ein erstes Toilettenhäuschen seine Pforten. Entworfen wurde es
vom bekannten japanischen Grafiker Kashiwa Sato. Das ganz in Weiss gehaltene
kleine Bauwerk wirkt von aussen wie ein leuchtender Kubus. In der Dämmerung und
nachts wird die vorgesetzte Hülle aus Aluminiumlamellen von Boden-Leuchten
angestrahlt, die das Häuschen zum Leuchten bringen. Sato entwickelte daneben gemäss
Mitteilung auch die Piktogramme, respektive WC-Symbole, die bei allen Gebäuden
des «The Tokyo Toilet»-Projekts zur Anwendung kommen werden.
Drei leuchtende Pilze von Architekt Toyo Ito
Der japanische Architekt und Pritzkerpreisträger Toyo Ito
setzte bei der Gestaltung seiner «Tokyo-Toilet» auf Vielfalt, heisst es in der
Mitteilung. Im Inneren gibt es neben den klassischen Kabinen für Männer und Frauen
deshalb auch einen Unisex-Bereich. Die öffentliche Toilette von Ito steht am
Rande des städtischen Parks und Wäldchens Yoyogi Hachimann und setzt sich aus
drei Gebäudeteilen zusammen, die auf den ersten Blick wage an drei Pilze
erinnern. Das Design nimmt gemäss Mitteilung Bezug auf den naheliegenden, über
800-jährigen Wald.
Bei Nacht reflektieren die abgesetzten, pilzschirmartigen
Dächer ausserdem das Licht von Innen und lassen die Gebäude auf diese Weise wie
kleine Laternen erscheinen. Die Aussenwände der Gebäude wurden mit massgefertigten
Mosaikfliesen mit selbstreinigender Oberfläche verkleidet, deren Farbe von
einem erdigen Dunkelbraun am Fuss nach oben hin heller wird. Jeder der drei
Toilettenräume ist geräumig gestaltet und die Ausstattung so gewählt, dass sie
auch für ältere Menschen oder Kinder benutzerfreundlich ist.
Hölzerne WC-Hütten von Kengo Kuma
In der Nähe des Bahnhofs Shinsen in Shibuya liegt der grüne Nabeshima
Shoto Park, umgeben von einer ruhigen Wohngegend und Galerien. Am Rande des Parks
entstanden im Zuge des Projekts fünf Toilettenhäuschen, die vom japanischen Architekten Kengo Kuma
entworfen wurden. Die kistenartigen WCs-Hütten liegen auf unterschiedlichen
Höhenniveaus und sind leicht zueinander versetzt angeordnet.
Durch unregelmässige Fassadenverkleidungen aus Zedernholz
fügen sie sich in ihre grüne Umgebung ein. Im Innenraum wurde gemäss Mitteilung
rohes Schnittholz verwendet. Bei seinem Entwurf habe Kengo Kuma auf Räume
für unterschiedliche Anforderungen gesetzt, anstatt klassisch nach Geschlechtern
zu sortieren, heisst es weiter. Die Toiletten sind so sowohl für Kinder,
als auch für beeinträchtigte oder ältere Menschen konzipiert.
Sprechende WC-Kugel von Kazoo Sato
Im Nanago Dori Park an der Seventh Street befindet sich die
Toilette des Designers Kazoo Sato, die wie eine strahlend weisse
Halbkugel daherkommt. Die Schalenkonstruktion der Toilette ist leicht abgesetzt
vom Boden und soll dadurch den Eindruck erwecken, sie würde schweben. Sato
entwickelte für das stille Örtchen eine Sprachsteuerung, so dass die Tür und
die sanitären Anlagen im Inneren bei Bedarf über Sprachbefehle bedient werden
können. Dadurch müssten die Gäste der sogenannten «Hi Toilet» nichts anfassen,
heisst es in der Mitteilung. Für den Fall, dass die Sprachsteuerung defekt
sein sollte, können die Elemente aber auch normal bedient werden.
Damit die Kugel ihre weisse Oberfläche möglichst lange
erhält, wurde für ihre Aussenbeschichtung laut Mitteilung ein
photokatalytischer Lack verwendet, der Schmutz mit Hilfe von Sonnenlicht
zersetzt. Die Kugel wurde zudem so konstruiert, dass Frischluft am Sockel
zugeführt wird und entlang der Kuppel zirkuliert, womit eine effiziente
Belüftung erreicht wird. Das Kugel-WC wurde im August 2021 eröffnet.
Shigeru Ban entwirft transparente Glas-Toiletten
Im Yoyogi Fukamachi Park und im Haru-no-Ogawa Community Park
steht der Wurf des japanischen Architekten und Pritzkerpreisträgers Shigeru Ban.
Das Besondere am WC-Häuschen: Die farbigen Wände sind vollkommen transparent
und ermöglichen Passanten von aussen einen guten Blick auf die Sanitäranlagen. Dank einer neuen Technologie ist es möglich, dass das von Ban
gestaltete, verglaste Toilettenhaus bei Nichtbenutzung transparent ist, sobald
aber die Verriegelung der Tür von innen betätigt wird, verfärbt sich das Glas
als undurchsichtige Wand. Die WC-Anlage wurde im August 2020 eröffnet.