Zuger Industriegeschichte: Theilerhaus erwacht aus dem Dornröschenschlaf
Es erzählt ein Stück Zuger Industriegeschichte: das Theilerhaus. Einst sind hier Elektrozähler hergestellt und damit der Grundstein für den Technologiekonzern Landis+Gyr gelegt worden. Nun wird es saniert. Vergangene Woche fand der Spatenstich statt.
Quelle: ARGE CST Architekten AG/Eggenspieler Architekten AG, Zug
Visualisierung: So sollen das Theilerhaus und dessen Umgebung dereinst aussehen.
Mit dem stattlichen, 1896 erbauten Backsteingebäude hatte alles angefangen. Es ist das erste Gebäude auf dem ehemaligen Areal des Electrotechnischen Instituts Theiler und Co. Gründer und treibende Kraft hinter dem Unternehmen war Richard Theiler (1841-1923): Ursprünglich hatte der gebürtige Einsiedler 1866 mit seinem Vater und seinem Bruder in London einen Elektrotechnikbetrieb gegründet.
Später führte er diesen allein weiter und kehrte aber schliesslich im Alter von 50 Jahren England den Rücken und zog in die Schweiz zurück, wo er in Luzern die Vertretung für den Shallenberger-Elektrizitätszähler übernahm. In der Folge entwickelte er das Gerät weiter – und erhielt 1896 das Patent für seine optimierte Version. Um den verbesserten Zähler herstellen zu können, gründete er zusammen mit Adelrich Gyr (1843-1928) die Theiler und Co. Der ebenfalls aus Einsiedeln stammende Gyr dürfte ähnlich umtriebig wie Theiler gewesen sein. Er hatte zunächst mit Gewürzen, später mit Eisenwaren gehandelt. Dann war er Leiter der Spinnerei in Einsiedeln geworden, beteiligte sich am Bau der Südostbahn und amtete zeitweise als Schwyzer Kantonsrat.
Weil keiner von Theilers Söhnen in seine Fusststapfen treten wollte, stiess der Elektroingenieur Heinrich Landis 1903 als dritter Gesellschafter zum mittlerweile erfolgreichen Unternehmen; Zuvor war er mehrere Jahre bei der Maschinenfabrik Oerlikon tätig gewesen. Als sich Theiler kurz darauf aus dem Geschäft zurückzog, übernahm Landis das Unternehmen, in das sein Studienfreund, der Chemiker Karl-Heinrich Gyr einstieg. Kurz darauf, im Jahr 1905, wurde dann aus der Theiler & Co die Landis & Gyr. In der Folge wuchs das Areal: 1906 kamen die Shedhalle hinzu und der Hochbau Süd. 1928 verlegte das Unternehmen seinen Hauptsitz und einen Grossteil der Produktion auf ein neues Areal an der Gubelstrasse, in Bahnhofsnähe. Möglicherweise wären die gebauten Zeitzeugen aus den Anfängen des längst zum Weltkonzern avancierten Unternehmens irgendwann neuen Bauten gewichen. Doch so weit sollte es nicht kommen.
Theilerhaus stand mehrheitlich leer
Als Landis+Gyr 1989 das Theilerhaus abbrechen wollte, erwarb der Kanton noch im selben Jahr das gesamte Fabrikgelände für 16,5 Millionen Franken. Damit war das Gebäude gerettet, ebenso die anderen beiden Bauten. Mittlerweile stehen alle drei unter Denkmalschutz. - Ursprünglich hätte auf dem Areal eine Kaufmännische Berufsschule Platz finden sollen. Aus diesen Plänen wurde jedoch nichts. Schliesslich fanden in der Shedhalle respektive im Hochbau Süd unter anderem das Museum für Urgeschichte, das Amt für Denkmalpflege und Archäologie, die Kunstsammlung und Büroräume des Museums Burg Zug Platz. Derweil stand das Theilerhaus in den vergangenen Jahren leer und verfiel zusehends.
Anfang 2023 stimmte das Zuger Parlament mehrheitlich dem 12,59 Millionen-Objektkredit für die Sanierung des Theilerhauses zu. Und wenige Monate später bewilligte der Kantonsrat den Kredit für 106 Millionen Franken für die Sanierung der Shedhalle und des Hochbaus. Zudem wird das arg baufällige Gebäude im Osten des Geländes mit einem Neubau ersetzt. - Damit kann das Areal nun weiterentwickelt werden. Die Nutzungen bleiben mehr oder weniger dieselben. Lediglich das Theilerhaus wandelt sich: Im Parterre wird ein Bistro mit 80 Innen- und 100 Aussenplätzen untergebracht. In den darüberliegenden Geschossen zieht dereinst das Verwaltungsgericht ein. Während im zweiten Obergeschoss das ehemalige Direktorenzimmer erhalten und vom Gerichtspräsidium genutzt werden soll, ist im dritten der Gerichtssaal geplant.
Statische Ertüchtigungen und Brandschutz
Quelle: Elena Ternovaja, eigenes Werk, CC BY-SA 3.0
Das Theiler stand während Jahren leer. Wenn die Sanierungsarbeiten abgeschlossen sind soll hier das Zuger Verwaltungsgericht einziehen.
Letzte Woche fand nun der Spatenstich für die Sanierung des Theilerhauses statt. Ausgeführt wird das Projekt von der Arbeitsgemeinschaft CST Architekten AG und Eggenspieler Architekten AG aus Zug. Die Planung des Projekts sei in enger Absprache mit der kantonalen Denkmalpflege erfolgt, schreibt das Hochbauamt des Kantons Zug in seiner Medienmitteilung.
Im Fokus steht der Erhalt der historischen Gebäudestruktur, der äusseren Erscheinung und der Innenausstattung des Direktorenzimmers. So wird die Backsteinfassade saniert, die Fenster werden nach denkmalpflegerischen Gesichtspunkten instandgesetzt. Zudem werden die Vordächer, Dachaufbauten und Rollladenverkleidungen restauriert. Weiter sind statische Ertüchtigungen sowie Anpassungen an neueste Anforderungen bezüglich Erdbebensicherheit und Brandschutz geplant: So werden etwa bestehende Stahlstützen und Träger verstärkt, sowie ein neues Treppenhaus und ein Lift eingebaut. “Auch energietechnisch müssen wir den Bau massgeblich ertüchtigen. Das fängt bei den Fenstern und der Dämmung an und hört mit der Heizung auf”, erklärte der Zuger Baudirektor Florian Weber vor rund zwei Jahren im Interview mit dem Newsportal zentralplus.ch. Auf eine Innendämmung der Fassade werde wegen des damit verbundenen erhöhten Bauschadenrisikos verzichtet. Und das Dach soll gedämmt werden, sodass es den wärmetechnischen Ansprüchen genügt.
Des Weiteren wird der Aussenbereich auf die neuen Nutzungen des Theilerhauses ausgerichtet: Mit der neuen terrassierten Treppen- und Rampenanlage im Westen wird vor dem Haus eine Aussenfläche für die Gäste des Bistros geschaffen.
Läuft alles
nach Plan, kann das Theilerhaus im dritten Quartal 2025 bezogen werden.
Dann läuft bereits die zweite Etappe der Sanierung und
Weiterentwicklung des Theiler-Areals: Der Baustart für die Sanierung der
Shedhalle und des Hochbaus Süd sowie für den Neubau Ost soll noch Mitte
diesen Jahres erfolgen, der Bezug der Shedhalle und des Hochbaus Süd ist für Ende 2026 vorgesehen, im dritten Quartal 2027 soll dann der
Neubau bezogen werden können. (mai)
Quelle: ARGE CST Architekten AG/Eggenspieler Architekten AG, Zug
Visualisierung: Das Bistro im Erdgeschoss des Theilerhauses nach dessen Umbau.