Wohnungsbau: Ein Pavillon von MVRDV zum Jubiläum der Fuggerei
Sie ist die älteste Sozialsiedlung der Welt: die 1521 errichtete Fuggerei im bayerischen Augsburg. Anlässlich des 500. Geburtstages der Fuggerei lassen die Fuggerschen Stiftungen in Augsburg unter anderem einen Pavillon von MVRDV bauen und laden zur Debatte über den Leitgedanken des sozialen Wohnungsbau-Projektes aus dem 16. Jahrhundert.
Quelle: Diego Delso, CC BY-SA 4.0
Strasse in der Fuggerei.
Jakob Fugger hatte sie vor rund 500 Jahren in seinem und im Namen seiner verstorbenen Brüder Georg und Ulrich als Reihenhaussiedlung für bedürftige Augsburger errichtet. Bis heute hat sich an ihrem Zweck nichts geändert: In den Häuschen mit Garten wohnen aktuell rund 150 Menschen mit geringem Einkommen, sie bezahlen pro Jahr ein Nettomiete von 0.88 Cent, was in etwa dem jährlichen Gulden entspricht, den Fugger einst von den Bewohnern pro Jahr verlangte. Zudem ist mit einem Zuhause in der Siedlung wie zu Zeiten Fuggers die Auflage verbunden, drei Mal pro Tag zu beten.
Sozialer Wohnungsbau im 16. Jahrhundert
Wie eine kleine Stadt in der Stadt angelegt setzt sich die Fuggerei aus insgesamt 67 Reihenhäusern zusammen, eine Kirche und ein Verwaltungsgebäude gehören ebenfalls dazu. Sie erstreckt sich über eine Fläche von rund 15‘000 Quadratmetern und wird von einer Mauer umschlossen. Jakob Fugger dürfte mit seinem sozialen Wohnungsbau-Projekt seiner Zeit weit voraus gewesen sein: Für die beginnende Frühe Neuzeit sei die Infrastruktur der Fuggerei mit ihrer geradlinigen Anordnung von Häusern, Wegen und Plätzen zukunftsweisend und visionär gewesen, heisst es auf fuggerei.de über die Siedlung.
Dieses Jahr feiert die Fuggerei ihren 500. Geburtstag. Das den Menschen in den Mittelpunkt stellende Konzept der Fuggerei habe weltweit Vorbildcharakter und biete eine Antwort auf die grossen sozialen und ökologischen Fragen unserer Zeit, heisst in der Medienmitteilung zum Jubiläum. Die Fuggerschen Stiftungen haben deshalb Persönlichkeiten aus Architektur, Wissenschaft, Politik, Kultur und Religion zur interdisziplinären Debatte über den Leitgedanken der Fuggerei geladen.
Mit von der Partie ist auch MVRDV: Das Rotterdamer Architekturbüro erstellt In diesem Zusammenhang eine Serie von Studien für künftige Fuggereien auf der ganzen Welt sowie einen „Fuggerei-Kodex“ für die Zukunft des sozialen Wohnungsbaus. Kommenden Mai werden die Arbeiten in einem Pavillon vor dem Augsburger Rathaus präsentiert.
Brettsperrholz auf den Geburtstag
Der Pavillon stammt ebenfalls aus der Feder von MVRDV und erinnert entfernt an ein fuggersches Reihenhäuschen: Er besteht aus einem langezogenen, schmalen Giebelgebäude, dessen Ende sich in einem Bogen 8.5 Meter über den Grund erhebt und mit einer Tribüne versehen ist. Es kann damit sowohl als Aussichtspunkt als auch als Bühne für Veranstaltungen genutzt werden. Gebaut wird das geschwungene Gebäude aus Brettsperrholz. Es demonstriere mit seiner grossen Auskragung das statische Potenzial einer noch neuen Technologie, heisst es in der Medienmitteilung von MVRDV.
MVRDV blickt auf eine lange Geschichte mit Wohnungsbauprojekten zurück. Das Büro habe alle Arten von Wohnungen in der ganzen Welt entworfen, von Madrid bis Tianjin, sagt Jacob van Rijs, Gründungspartner von MVRDV. „Aber die faszinierende Geschichte der Fuggerei macht die Siedlung anders als alles, woran wir bisher gearbeitet haben. Sie zeigt, wie vielfältig das Thema Wohnen sein kann; egal, wie viele Ansätze man sich vorstellt, es gibt immer andere Wege.“ (mai)