Windpark auf dem Gotthard: In Windeseile umgesetzt
Auf dem Gotthardpass wird momentan am lange geplanten Windpark gebaut. Die Windturbinen gehören zu den grössten ihrer Art im Alpenraum. Beim Bau vertrauten die Investoren auf deutsche Technik und die Erfahrung ähnlicher Anlagen in der Nordsee.
Unterschiedliche Temperaturen von Luftmassen bestimmen das
Wettergeschehen, indem der Druckausgleich kontinentale Luftströme verursacht,
die mehr oder weniger stark auch über Pässe fegen. Im Tagesrhythmus auftretende
Fallwinde beeinflussen die Dynamik zusätzlich. Aufgrund der meteorologischen
Bedingungen und der geografischen Lage sind die gleichsam tiefsten Übergänge
über die Alpen auch interessant für die Energiegewinnung aus Windkraft.
Momentan ist auf dem Gotthardpass der Bau eines Windparks im Gang. Auf dem Passrücken verteilt werden fünf grosse Windturbinen errichtet. Vier der fünf Türme stehen bereits. Spezialkräne werden Ende August das 18 Tonnen schwere Maschinenhaus und die 65 Tonnen schweren Generatoren auf die Türme heben. Dann folgt die Montage der Rotorblätter, immerhin 9,7 Tonnen sind die aus Fiberglas gefertigten Teile jeweils schwer. Bis zum Naben-Dynamo erreichen die Türme im Endausbau eine Höhe von 98 Metern.
Quelle: zvg
Die Rotorblätter wurden per Schiff nach Basel und dann per Lastwagen auf den Pass transportiert.
Elastische Konstruktion schwankt mit
17 runde Betonelemente türmen sich 70 Meter in die Höhe. Dann folgt ein 25 Meter hoher Aufsatz aus Stahl, auf dem sich die Turbinen befinden. Der Turm ruht auf einem drei Meter tiefen Fundament, für das 350 Kubikmeter Beton verbaut wurden. Um die enormen physikalischen Kräfte zu bändigen, werden neben dem Eigengewicht der Konstruktion zusätzlich 22 Stahlseile gespannt. Diese werden durch Kabelkanäle von der Turmspitze bis zum Sockel geführt und dort verankert.
Der Turm ist deshalb kein starres Gebilde, sondern eine elastische Konstruktion, die biegsam auf Schwingungen reagiert. Bis zu einem Meter kann der Turm schwanken, wenn die Rotorblätter bis zu 16 Umdrehungen pro Minute kreisen. In Europa führend beim Bau von Windkraftanlagen sind deutsche Unternehmen wie die im ostfriesischen Aurich domizilierte Enercon GmbH, die viele Windräder in die Nordsee stellte und auch bei den Bauten auf dem Gotthard massgeblich beteiligt ist.
Strom für 4000 Haushalte
Anlagen einer ähnlichen Grössenklasse sind in der Nordsee in Betrieb, im Alpenraum sind die Windräder auf dem Gotthard aber die grössten ihrer Art. Angetrieben werden die Generatoren von Rotoren mit einem Durchmesser von 92 Metern. Wegen der Extrembedingungen auf über 2100 Metern sind die Rotorblätter zur Vermeidung von Eisbildung beheizt, Infrarotbeleuchtung macht die Windräder für Flugradar auch in der Nacht sichtbar.
Verbunden sind die fünf Windräder durch unterirdischen Kabelkanäle, wobei der produzierte Strom direkt dem bestehenden Verteilnetz der Wasserkraftanlagen zugeführt werden kann. Nach ersten Tests Mitte September und der für Mitte Oktober vorgesehenen Einweihung sollen die Windturbinen im November die Stromproduktion aufnehmen. Mit der installierten Leistung von 11,75 Megawatt werden die Generatoren 16 bis 20 Gigawattstunden Strom produzieren, was dem jährlichen Bedarf von 4000 Haushalten oder der Kapazität eines kleinen Wasserkraftwerks entspricht.
Quelle: zvg
Die fünf Windturbinen sind über das Gebiet verteilt.
Genf investiert auf dem Gotthard
Hauptaktionäre der «Parco Eolico San Gottardo SA» sind die Azienda Elettrica Ticinese (AET)mit einem Anteil von 70 Prozent und die Société Industrielle de Genève (SIG), der Wind weht in diesem Fall auch aus dem Westen. An der Gesellschaft beteiligt ist zudem die Gemeinde Airolo mit 5 Prozent. Das Investitionsvolumen beträgt 32 Millionen Franken, wobei 2 Millionen für die Erfüllung von Umweltauflagen zu verwenden sind. Es sind nicht die ersten Anlagen im Gotthardgebiet. Auf dem Gütsch oberhalb von Andermatt stehen bereits vier Windenergieanlagen. Dennoch ist in der Schweiz die Ausbeute aus Windkraft noch gering.
Umliegende Länder mit mehr Windenergie
In den umliegenden Ländern leisten Windkraftanlagen bei der Stromproduktion aber einen weitaus grösseren Beitrag. Österreich deckte bereits 2016 den Strombedarf zu 10,4 Prozent mit Windturbinen, wie die Plattform Windfakten ausweist. 1100 Anlagen mit einer installierten Gesamtleistung von über 2600 Megawatt waren dort in Betrieb. In Deutschland standen mit 27000 Windturbinen über 50000 Megawatt zur Verfügung (Anteil: 12.3%). In der gesamten EU lag der Anteil bei 10,4, in der Schweiz bei 0,15 Prozent. Mittlerweile dürfte sich in der Schweiz der Anteil erhöht haben. Zu Beginn letzten Jahres liefen immerhin 37 Windkraftanlagen mit einer installierten Leistung von 75 Megawatt.