Wärmeversorgung: Zürich heizt aus der Ferne ein
Unter Hochdruck baut die Stadt Zürich das Fernwärmenetz aus. Als Energiequelle dienen die Kehrichtverwertungsanlage (KVA) Hagenholz und das Holzheizkraftwerk Aubrugg im Norden der Agglomeration. Ein neu gebauter Tunnel ermöglicht nun die Erschliessung mehrerer Quartiere. Herausfordernd beim Bau war die Koordination mit den Anliegen des Verkehrs. Eine Daueraufgabe bleibt die Dekarbonisierung. Zwar ist gesamthaft genug erneuerbare Energie vorhanden, aber nicht immer zur rechten Zeit.
Quelle: Stefan Schmid
Vom Werkleitungsschacht Milchbuck wurden in beide Richtungen im Microtunneling-Verfahren Versorgungsstollen gebohrt. Im Rohr oben fliesst der Vorlauf, im unteren der Rücklauf zur Energiequelle.
Im Keller des zweistöckigen Reihenhauses im Zürcher Milchbuckquartier führen die Heizungsinstallateure die letzten Arbeiten bei der Sekundärleitung aus. Bei der kompakten Armatur mit diversen Messinstrumenten entnimmt ein Plattenwärmetauscher dem Vorlauf die Wärme, bevor das kältere Rücklaufwasser wieder in die Quartierleitung abgegeben wird. Im Haus ist es bereits angenehm warm.
Der Anschluss ans Fernwärmenetz der Stadt Zürich kam gerade zur richtigen Zeit, denn Tage zuvor fegte eine beissende Bise übers Land mit Minustemperaturen in diesem zu warmen und niederschlagsarmen Winter. Der Eigentümer, ein älterer Herr, ist zufrieden mit der neuen Lösung für die Wärmeversorgung als Ersatz für die alte Gasheizung. In der Häuserzeile sind drei Haushalte ans Fernwärmenetz angeschlossen. Vereinzelt nutzen Eigentümer bereits Erdsonden als Energiequellen.
Auch kleine Gebäude am Netz
Mit dem Ausbau des Fernwärmenetzes der Stadt Zürich ergab sich vor anderthalb Jahren, als das Grossprojekt bereits in vollem Gange war, bei diesen Häuserzeilen die Möglichkeit für eine Speziallösung. Denn die städtische Dienstabteilung Entsorgung + Recycling Zürich (ERZ) hat während des Ausbaus den politischen Auftrag erhalten, einen bestimmten Anschlussgrad zu erreichen. «Das bedingt, dass auch solche kleine Häuser angeschlossen werden müssen. Das funktioniert in den kleinen Häusern aber nicht reibungslos», sagt Daniel Ponca, Projektleiter Fernwärmeausbau bei ERZ.
Der Energieversorger darf zudem die Lieferung von Wärme lediglich bis zum Haus führen, die Installationen im Innern der Häuser ist Sache der Eigentümer. Beim Sekundärnetz dieses Gebäudes muss die Temperatur auf rund 70 bis 75 Grad und der Druck auf drei bar abgesenkt werden. Der Aufwand für den Anschluss bei Kleingebäuden ist allgemein grösser als bei Mehrfamilienhäusern. Die Erschliessung kleinerer Gebäude erlaubt allerdings den Einsatz flexibler Stahlrohre, die kostengünstiger sind. Bei der ERZ-Fernwärme handelt es sich um einen städtischen Eigenwirtschaftsbetrieb, der die Produktion und Lieferung von Wärme kostendeckend anbieten muss. Mittlerweile gilt das Quartier als beispielhaft für die thermische Erschliessung anderer Gebiete.
Heizzentrale im Mehrfamilienhaus
Die eigentliche Heizzentrale für das angeschlossene Gebäude ist in einem nahen Mehrfamilienhaus eingerichtet, von wo ERZ mit rund 500 KW insgesamt 41 Häuser im Quartier mit Wärme versorgen. Bei Volllast, wenn etwa am Morgen eines kalten Wintertages der Wärmebedarf am höchsten ist, sind dort vier Wärmetauscher sowie Druckregulatoren im Einsatz. Ein Expansionsgefäss fängt dort auch temperaturbedingte Volumenänderungen des Wassers auf. Die kleine Heizzentrale im Mehrfamilienhaus bezieht das Heisswasser von einer der drei Leitungen, über welche die Quartiere Guggach und Milchbuck versorgt werden sowie das Hochschulquartier.
Quelle: zvg
Seit den ersten Konzepten 2015 hat die städtische Dienstabteilung den Ausbau des Fernwärmenetzes zügig vorangetrieben. Terminlich wird es eine Punktlandung und die Kosten liegen unter dem Budget.
Anschlüsse entlang des Tunnels
Der Schacht in unmittelbarer Nähe zur Pauluskirche ist der Angelpunkt für den Ausbau des Stadtzürcher Fernwärmenetzes. Er markiert die Schnittstelle zur Erschliessung von insgesamt sechs Quartieren und ist Teil umfangreicher baulicher Massnahmen. In der Stadt Zürich bestanden bislang zwei voneinander unabhängige Fernwärmenetze: Das grössere Netz liegt im Norden der Stadt mit der KVA Hagenholz und dem Holzheizkraftwerk Aubrugg als Haupt-Energiequellen. Das kleinere, ältere Netz liegt in Zürich-West rund um die ehemalige KVA Josefstrasse. Die älteste KVA der Schweiz wurde im März 2021 stillgelegt.
Um das Fernwärmenetz weiterhin mit ökologischer Wärme zu beliefern, wurden die zwei Fernwärmenetze durch eine Verbindungsleitung miteinander verknüpft. Die Stimmbevölkerung hat das 235-Millionen-Projekt im Jahr 2018 gutgeheissen. Für den ersten Abschnitt der Verbindungsleitung wurde ein bestehender Energiekanal aus den 1970er-Jahren zwischen der KVA Hagenholz und dem Hochschulquartier genutzt.
Von der Kaverne Strickhof über den Milchbuck, unter der Limmat hindurch bis zur neuen Energiezentrale Josefstrasse wurde ein 2,5 Kilometer langer Tunnel gebaut. Dazu wurden vom Werkleitungsschacht Milchbuck im Microtunneling-Verfahren zwei Röhren mit einem Durchmesser von 3,2 Meter gebohrt, einer in Richtung Strickhof, der andere in Richtung Josefstrasse. Insgesamt erreicht der Verbindungstunnel von Hagenholz bis zur Josefstrasse eine Länge von rund sechs Kilometern.
Quelle: zvg
Energiequellen sind die KVA Hagenholz und das Holzheizkraftwerk Aubrugg. Als Brennstoff dient Siedlungsabfall, der etwa zur Hälfte biogen ist sowie Holzschnitzel von Frischholz.
Anschlüsse entlang des Tunnels
Durch das Tunnelsystem werden die Hauptleitungen geführt. Vor- und Rücklauf fliessen durch zwei Röhren mit einem Durchmesser von jeweils 500 Millimetern, die mit einer Isolationsschicht eingepackt sind. Der Wärmeverlust ist dadurch marginal. In der Vorlaufröhre strömt 105 Grad heisses Wasser, beim Rücklauf sind es nach der Wärmeabgabe in den Gebäuden noch rund 50 Grad. Beim Endausbau und der Nutzung des Netzes unter Volllast beträgt der Betriebsdruck 36 bar, zumal die sechs Kilometer lange Leitung einen entsprechend hohen Druck erfordert. Da momentan noch wenige Abnehmer Wärme vom Netz beziehen, beträgt der Druck in den Leitungen lediglich 12 bar.
Physikalischen Kräften trotzen
Bei Temperaturunterschieden wirken physikalische Kräfte, welche zu einer thermischen Ausdehnung der Stahlrohre führen. Bei 100 Grad Temperaturdifferenz dehnt sich beispielsweise ein Stahlrohr pro Meter zirka einen Millimeter aus. An beiden Enden der Verbindungsrohre werden die Ausdehnungen daher mittels Dehnschenkeln und Axialkompensatoren aufgefangen. Auf diese Weise bleibt das System flexibel und die Hauptleitung nimmt keinen Schaden. Die maximale Fliessgeschwindigkeit ist auf einen bis drei Meter pro Sekunde definiert. Die dabei entstehende Reibung kann zu Strömungsverlusten von vier bis fünf bar im gesamten Leitungsabschnitt führen. Das Wasser in den Leitungen ist so aufbereitet, dass die Leitungen nicht korrodieren.
Quelle: Stefan Schmid
Für das Reiheneinfamilienhaus reicht eine kompakte Armatur, auf welcher der Plattenwärmetauscher zwischen Vor- und Rücklauf sowie ein Manometer und andere Messgeräte Platz finden. Stephan Gertsch will die Armatur noch weiterentwickeln.
Bau fürs Klima fördert Einsicht
Bei den Leitungen in den Quartieren, die einen geringeren Durchmesser aufweisen, handelt es sich dagegen um vorkonfektionierte Kunststoffmantelrohre (KMR), bestehend aus einem Metallrohr mit Schaum- und Kunststoffaussenisolation. Geliefert werden die KMR von diversen Herstellern wie Brugg Rohrsystem, Isoplus oder Logstor. Verlegung und Verschweissarbeiten im Tunnel und in den Strassengräben stellen laut Ponca nicht sehr hohe Anforderungen. «Schwieriger ist die Koordination der Arbeiten mit den Erfordernissen des Strassenverkehrs», betont Ponca. Gräben durch Strassen ziehen, führten zu Lärm, Dreck und Staus.
Auch bestehende Werkleitungen im Untergrund der Strassen könnten Probleme bereiten. «Baustellen nerven, aber wenn die Anwohner wissen, dass es um Fernwärme geht, ist die Akzeptanz sehr hoch», weiss Ponca aus Erfahrung. Das System besteht jeweils aus geschlossenen Kreisläufen mit Quartierhauptleitungen, kleineren Quartierteilleitungen sowie Sekundärleitungen in den Häusern. Berührungspunkte der Kreisläufe sind jeweils Wärmetauscher, welche die Wärme abgeben beziehungsweise aufnehmen. «Es gibt keine kommunizierenden Wasserleitungen zwischen den hausinternen Heizleitungen und den ERZ-Fernwärmeleitungen», erklärt Ponca.
Bedarfsschwankungen als Krux
Das Fernwärmenetz liefert über das Transportmedium Wasser Wärme zum Heizen, sowie Brauchwarmwasser (z.B. zum Duschen). Zwischen Dezember und März kommt es vor allem morgens und abends wegen des Bedarfs zu Spitzenlasten, bei denen viel mehr Energie benötigt wird als zur Verfügung steht. Im Moment kommen bei Spitzenlasten zur Unterstützung des Systems noch Gaskessel zum Einsatz.
Auf dem Stadtgebiet sind momentan rund 6500 Liegenschaften ans Fernwärmenetz von ERZ angeschlossen. Mit dem Ausbau werden weitere 1800 Gebäude ans Netz gekoppelt. Der Bau einer dritten Verbrennungslinie in der KVA Hagenholz in den nächsten Jahren soll zusätzliche Kapazität schaffen als Ersatz für die stillgelegte Anlage an der Josefstrasse, wobei das Leitungssystem bereits auf die höhere Produktionsleistung ausgerichtet ist.
Quelle: Stefan Schmid
Die Energiezentrale, von welcher 41 Wohnungen mit Wärme versorgt werden, ist pragmatisch in einem kleinen Raum von drei auf vier Metern eingerichtet. Dort fängt auch ein Expansionsgefäss temperaturbedingte Volumenänderungen des Wassers auf.
«Grosses Interesse»
In mehreren Abstimmungen stimmte die Bevölkerung dem Ausbau des Fernwärmenetzes zu. Der Wärmebedarf aller angeschlossenen Häuser wurde anhand von Machbarkeitsstudien berechnet, damit die Leitungen entsprechend auf die Leistung ausgelegt werden konnten. Die Investitionsplanung bestimmte die Meilensteine des Ausbaus sowie die geplante Anzahl der Hausanschlüsse und der abonnierten Leistungen, damit das Netz wirtschaftlich betrieben werden kann. Bei der Zahl der Hausanschlüsse wurden die Vorgaben des Controlling- und Marketingskonzepts übertroffen, sie befindet sich bereits heute auf dem Planstand von 2025. «Wir spüren grosses Interesse, Häuser entlang der Verbindungsleitung ans Fernwärmenetz anzuschliessen», sagt Daniel Ponca.
Termine und Kosten im Griff
«Das Umfeld hilft uns momentan», sagt Ponca beim Gang entlang der Gräben für die Quartierleitungen. Während des Ausbaus seien weitere Quartiere an ERZ herangetreten, um Fernwärme beziehen zu können. Doch der Projektumfang sei klar umrissen. Terminlich war das Projekt bisher eine Punktlandung. Nach der Erarbeitung erster Konzepte zwischen 2015 bis 2017 sei die Umsetzung rasch an die Hand genommen worden und der Baufortschritt sehr zufriedenstellend. Bei den Kosten befindet sich das Projekt unter den Budgetvorgaben von 235 Millionen Franken, die bei der Volksabstimmung beantragt wurden. «Die Zwischenabrechnung sieht sehr gut aus», stellt Ponca mit Genugtuung fest.
Quelle: Stefan Schmid
Wenn 105 Grad heisses Wasser durch das Vorlaufrohr fliesst, entstehen bei den langen Stahlrohren thermische Ausdehnungen, die im Werkleitungsschacht Milchbuck mittels Kompensatoren ausgeglichen wird. Wegen des hohen Drucks von 36 bar sind auch Dehnschenkeln installiert.
ERZ will weiterhin das Netz ausbauen und verdichten, also mehr Siedlungsgebiete abdecken. Die Zürcher Stimmbevölkerung hat dafür im November 2021 einen Rahmenkredit über 330 Millionen Franken gesprochen. Ziel ist es aber auch, dass die gelieferte Energie fossilfrei erzeugt wird. «Die KVA Hagenholz und das Holzheizkraftwerk Aubrugg können rund 70 Prozent der benötigten Wärme fossilfrei liefern», sagt Philipp Brunner, Projektleiter für die Dekarbonisierung der ERZ-Fernwärme. Die Nutzung der Abwärme der Kehrichtverwertung für die Fernwärme gilt als CO2-neutral. Und beim Holzheizkraftwerk Aubrugg werden Hackschnitzeln aus Frischholz verwertet, was ebenfalls CO2-neutral ist.
Für das gesamte Fernwärmenetz rechnet ERZ laut Brunner mit einem maximalen Bedarf von 350 MW. Momentan stammen knapp 100 MW der Leistung aus erneuerbaren Energiequellen. Diese Bandenergie reicht bis auf die kalten Wintertage für den Tagesdurchschnittsverbrauch, nicht aber für punktuelle Lastspitzen. Gaskessel waren in der Vergangenheit eine gute Lösung für die Unterstützung des Betriebs, da diese wenig Platz beanspruchen und schnell zu- und abgeschaltet werden können. Die Herausforderung besteht nun darin, deren Leistung durch erneuerbare Energieträger zu ersetzen, die genauso flexibel genutzt werden können.
Dekarbonisierung als Daueraufgabe
Mit dem Ausbau des Fernwärmenetzes wird der Leistungsbedarf weiter steigen, «die energetischen Sanierungen der angeschlossenen Gebäude wirken diesem Trend jedoch entgegen», wie Philipp Brunner betont. Das ERZ-Fernwärmenetz wird im Vollausbau 30 Prozent des Siedlungsgebiets abdecken. Heute sind es 25 Prozent. Übers Ganze gesehen rechnet ERZ bei der nachgefragten Energiemenge mit einem Anstieg von rund 15 Prozent. ERZ prognostiziert eine benötigte Leistung von gut 400 MW. «Und diese Leistung muss aufgrund der Klimaziele fossilfrei erzeugt werden», betont Brunner.
Effiziente Anlagen und Speicher
Reichlich Potenzial schlummert in bestehenden Anlagen, die sich für mehr Effizienz um- und ausbauen lassen. Konkret ist bei der KVA Hagenholz geplant, die Wärmerückgewinnung aus dem Rauchgas zu optimieren. Bisher entweicht diese Wärme durch den Kamin in die Umwelt. Durch eine effiziente Nutzung für die Fernwärme lässt sich über 30 MW mehr Leistung aus dem Prozess gewinnen. Der Wärmebedarf ist im Tagesverlauf nicht durchgehend gleich und auch in der Nacht ist die benötigte Leistung zu gewissen Stunden deutlich tiefer als im Tagesdurchschnitt. Deshalb sind grosse Warmwasserspeicher eine weitere Massnahme zur Dekarbonisierung der ERZ-Fernwärme. Die KVA liefert durchgehend gleich viel Energie, so genannte Bandenergie, und produziert somit teilweise überschüssige Wärme. Diese kann an Speicher abgegeben werden, etwa in der Nacht, um sie später bei Spitzenlasten als Tagesspeicher wieder nutzen zu können.
Grosskunden einbeziehen
Einen Ansatzpunkt zur Dekarbonisierung sieht Brunner auch im kundenseitigen Lastmanagement, insbesondere bei Grosskunden wie grossen Wohnbauten, Schulen und Spitälern, die zwar lediglich ein Prozent des Kundenstamms ausmachen, jedoch rund 20 Prozent der Leistung beziehen. Grundsatzüberlegungen gehen dahin, dass Grosskunden antizyklisch Wärme beziehen könnten oder mit eigenen Erdsonden mithelfen, zu Gunsten der Dekarbonisierung Spitzenlasten zu brechen. Die Dienstabteilung ERZ schätzt die Einsparungen dabei auf rund 20 Prozent. Um zusätzliche erneuerbare Energie zu erzeugen, werden weitere Optionen wie die Nutzung des Limmatwassers mittels Wärmepumpen geprüft.
Quelle: Stefan Schmid
Im Quartier Aussersihl werden die Leitungen zuerst entlang der Hauptverkehrsachsen zu einem Ringschluss verlegt wie hier an der Dienerstrasse. Später werden nach und nach die Querstrassen erschlossen.
Doch grosse Warmwasserspeicher, neue Energiezentralen und Wärmepumpen benötigen Platz. Dabei prallen bei möglichen innerstädtischen Standorten viele Interessen aufeinander. Neben den Standorten Josefstrasse, Hagenholz / Aubrugg und dem Hochschulquartier bräuchte ERZ laut Evaluationen noch weitere Standorte für den Betrieb des Netzes. Die Dekarbonisierung erfordert laut Brunner unterschiedlichste Ansatzpunkte: «Es gibt nicht die eine Lösung, welche die Produktionslücke füllen wird, sondern die Wärmeversorgung wird eine Kombination aus verschiedenen Energieträgern sein». Diversifizierung mache das System auch robuster.
Dennoch ist die zu bewältigende Aufgabe der Dekarbonisierung des Heizbedarfs für ERZ sehr anspruchsvoll. Vorerst gehen in Aussersihl die Bauarbeiten für die Verlegung der Quartierleitungen weiter. Rund um das Quartier werden hier in einer Tiefe von 1,6 bis 1,7 Meter in den Strassen Hauptleitungen verlegt. Daniel Ponca, der das Ausbauprojekt leitet, nennt die Erschliessungsphase Ringschluss, indem die grossen Verbindungsleitungen zuerst entlang der Hauptverkehrsachsen des Quartiers verlegt werden wie bei der Brauer- und Feldstrasse sowie der Militär- und Schöneggstrasse. In zwei Jahren werden dann von diesen Leitungen die Häuserzeilen der Querstrassen ans Fernwärmenetz angeschlossen.
Andere Energieversorger folgen
Bis im Jahr 2040 sollen laut der kommunalen Energieplanung 60 Prozent des Siedlungsgebiets in der Stadt Zürich mit Fernwärmenetzen erschlossen sein. Der Anteil des ERZ-Netzes liegt heute bei 25 Prozent Fläche und 16 Prozent des Wärmeenergiebedarfs und soll auf 30 Prozent Fläche und 25 Prozent Energie ansteigen. Zusätzliche Fernwärmenetze werden vom städtischen Elektrizitätswerk und dem Gasversorger gebaut. Doch das Potenzial von Erdsonden, Luft-Wasser-Wärmepumpen, Geothermie oder Solaranlagen ist auch in der Region Zürich noch längst nicht ausgeschöpft. Im «Planungsbericht Energieversorgung» kommen die städtischen Energieplaner zum Schluss, dass «bezogen auf das gesamte Stadtgebiet das Angebot an erneuerbarer Energie und Abwärme in der Summe die Nachfrage nach Wärme bei weitem übersteigt». Zwölf mögliche Quellen werden aufgelistet und der Wärmenachfrage 2050 einem Referenz- und einem Effizienzszenario gegenübergestellt. Neben der Nutzung der Abwärme von Kehrichtverbrennungs- und Kläranlagen wäre bei der Wärmeerzeugung das Potenzial beim Zürichsee am grössten.
Verwertung oder Einlagerung
Gemäss der Kantonalen Kapazitätsplanung für Kehrichtverwertungsanlagen soll die KVA Hagenholz ausgebaut werden. Durch den Bau einer dritten Verbrennungslinie sollen in Zürich künftig 360'000 Tonnen Kehricht pro Jahr verwertet werden können. Der Zürcher Stadtrat hat dem Gemeinderat dafür einen Kredit über 367 Millionen Franken beantragt, der voraussichtlich im Herbst zur Volksabstimmung kommt. Durch den Ausbau wird die KVA mehr CO2-neutrale Wärme für die Fernwärmeversorgung bereitstellen können. Beim Vollausbau der KVA Hagenholz gelangen jedoch pro Jahr bis zu 400'000 Tonnen CO2 über den Kamin in die Umwelt.
Das Klimagas kann aus dem Kamin abgeschieden und verflüssigt werden – die technische Machbarkeit ist gesichert. Das abgeschiedene Kohlendioxid kann eingelagert oder zu synthetischen Brennstoffen verarbeitet werden. Letztere könnten in Form von Methanol zur Dekarbonisierung der Wärmeversorgung beitragen. Doch die industrielle Weiterverarbeitung des Klimagases ist sehr teuer und energieintensiv. Alternativ kann das abgeschiedene CO2 in bestimmten Gesteinsschichten auf dem Meeresgrund sicher eingelagert werden. (sts)