Wärmepumpen: Energie aus stillgelegtem Kohlebergwerk in Bochum
Im Ruhrgebiet befinden sich viele stillgelegte Kohlebergwerke. Mit der Kombination von Solarthermie und Wärmepumpen lässt sich das Grubenwasser als Speicher für die Wärme- und Kälteversorgung von Gebäuden nutzen. Diesen Ansatz verfolgen die Stadtwerke Bochum und die Fraunhofer-Einrichtung für Energieinfrastrukturen und Geothermie IEG. Was als Pilotprojekt begann, soll sich bald im realen Betrieb bewähren.
Quelle: zvg
Der mit Schächten durchsetzte Untergrund des ehemaligen Steinkohlebergwerks war eine bohrtechnische Herausforderung.
Die Kohleförderung diente im Ruhrgebiet über viele Jahrzehnte dem Betrieb von Stahlwerken. Doch inzwischen sind viele Zechen stillgelegt, weil Gebäude mit anderen fossilen Energieträgern beheizt werden und die Stahlproduktion in andere Länder verlagert wurde. In der Nähe von Bochum befindet sich eines dieser Steinkohlebergwerke, das zwischen 1953 und 1958 in Betrieb war zur Förderung von rund 37 Tausend Tonnen Flöze. Nach und nach sickerte Wasser in die Schächte, sodass die verbliebenen Hohlräume heute mit rund 20 Tausend Kubikmeter Grubenwasser gefüllt sind.
Nun wollen die Stadtwerke Bochum das Grubenwasser als gigantischer Wärme- und Kältespeicher nutzen. An der Erschliessung der Wärme- und Kältequelle ist von Forschungsseite die Fraunhofer-Einrichtung für Energieinfrastrukturen (IEG) mit von der Partie, die die Stadtwerke berät. Umgesetzt wird das Gesamtkonzept eines Wärme- und Kältenetzes der fünften Generation, auch kaltes Nahwärmenetz genannt. Solche Netze gelten als besonders effizient, weil sie nur eine sehr geringe Arbeitstemperatur des umlaufenden Arbeitsmediums erfordern.
Flexibles System für nachhaltiges Heizen
Computersimulationen haben ergeben, dass sich die gefluteten Bereiche als Wärmespeicher für Temperaturen von rund 60 Grad Celsius gut eignen, wie die Fraunhofer IEG in einer Mitteilung schreibt. Im Sommer soll Solarthermie das Grubenwasser erwärmen. In Heizperioden kann die Hochtemperaturwärmepumpe die Wärmequelle anzapfen.
Durch den Einsatz von leistungsstarken Wärmepumpen lasse sich mit wenig Aufwand Wärme in das lokale Fernwärmenetz einspeisen, welches laut Planung in einer ersten Phase Haushalte im Bochumer Süden versorgen solle. Die Wärmepumpe sei auf die Randbedingungen massgeschneidert und berücksichtige, dass in Zukunft auch lokale Abwärme-Quellen in das System integriert werden könnten.
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Die Nutzung von Hohlräumen des Untertagebaus in Kombination mit Solarenergie oder des Einbezugs von Abwärme eröffnen neue Möglichkeiten bei der Wärme- und Kälteversorgung.
Die komplexe Pilotanlage wurde schrittweise entwickelt, vergangenen Sommer wurden alle Teile zusammengefügt, nachdem Pumptests und weitere Analysen die Planungen bestätigten. Für Tests wurden laut den Forscherinnen und Forschern spezielle Tauchkreiselpumpen auf rund 300 Meter in die Bohrpfade abgelassen. Sensoren und Messeinrichtungen sammelten Daten zu Temperatur, Druckverhältnissen, Fördervolumen und Zusammensetzung des Grubenwassers sowie für Leistungsdaten der Förderpumpen und mögliche seismische Auswirkungen.
Bestehendes Fernwärmenetz nutzen
Auch für die Kälteversorgung wird das Grubenwasser genutzt. Dafür wird aus einer Tiefe von 340 Metern Wasser mit einer Temperatur von rund 17 Grad Celsius gefördert. Im Vergleich mit konventioneller Wärme- und Kälteversorgung mit Erdgasbetrieb und elektrischen Kompressionskältemaschinen lassen sich gesamthaft pro Jahr rund 3200 Tonnen des Klimagases vermeiden.
Nun muss die Anlage auch im realen Betrieb kommender Heizperioden den Beweis antreten, dass die Wärmepumpen die geforderten hohen Temperaturen des Fernwärmenetzes zuverlässig erreichen. In Folgeprojekten sollen in der Region weitere Bergwerke als Wärme- und Kältespeicher erschlossen werden, um Grossstädte an Rhein und Ruhr zu versorgen. An das bestehende Fernwärmenetz ist der Campus der Ruhr-Universität Bochum angeschlossen, dazu 4800 Mietwohnungen, 760 Häuser und 115 weitere Kunden eines nahen Stadtteils.
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Mit dem aufgeheizten Grubenwasser als Energiequelle erreichen leistungsfähige Wärmepumpen eine hohe Effizienz.
Bohrtechnisch eine Herausforderung
Noch ist der Markt für derartige Anlagen nicht entwickelt. Insbesondere die hohen Temperaturen und Leistungsklasse zeichnet die Wärmepumpe aus, wie das Institut schreibt. Um die geforderten Werte erreichen zu können, hat das Entwicklungsteam neue Berechnungsmodelle für die Leistungen von Arbeitsmedien und Komponenten unter den verschiedensten Betriebsbedingungen entwickelt.
Alle Ergebnisse führten zu einer zweistufigen Wärmepumpe, die im Niedertemperaturbereich mit Ammoniak und im Hochtemperaturbereich Butan als Arbeitsmedien einsetzt, wie die Fraunhofer IEG mitteilt. Mit der Anlage soll weiterhin Forschung betrieben werden, um Betriebsmodelle für Grosswärmepumpen weiterzuentwickeln zu können, wie es weiter heisst.
Die geothermische Nutzung eines ehemaligen Steinkohlenbergwerks ist eine besondere bohrtechnische Herausforderung. Denn der Untergrund des alten Bergwerks ist mit bis zu acht Abbauebenen durchsetzt. Mit der Erschliessung der Erdwärme und -kälte bis rund 820 Metern gilt das Bochumer Projekt der Tiefengeothermie als das derzeit grösste in Nordrhein-Westfalen. (mgt/sts)