Venedigs zweite «Seufzerbrücke» soll sicherer werden
In Venedig ist die «Ponte della Costituzione» seit Jahren ein Ärgernis. Denn bei der Konstruktion aus Stahl und Glas besteht für Fussgänger eine latente Verletzungsgefahr. Vor Kurzem wagte die Bauherrschaft einen neuen Versuch, die Brücke endlich sicherer zu machen.
Quelle: Wikimedia Commons – Mariordo (Mario Roberto Duran Oriz) – eigenes Werk
Die «Brücke der Verfassung» soll endlich sicherer werden. Dieser Tage begannen die Bauarbeiten.
Über 94 Meter spannt sich die «Ponte della Costituzione» über den Canal Grande zu Venedig. Vom Vorplatz des Endbahnhofs auf der Laguneninsel sollte die «Brücke der Verfassung» die Quartiere ennet des Hauptkanals erschliessen. Geplant war gleichsam ein modernes Signature Building, das die Touristenscharen gleich beim Eintreffen in der beliebten Feriendestination entzücken sollte. Entworfen hatte die Brücke das Büro von Santiago Calatrava. Doch das Bauwerk wurde zu einer zweiten «Ponte dei Sospiri», deutsch für Seufzerbrücke, in Anlehnung an den berüchtigten Übergang von Dogenpalast in die umliegenden Gebäude.
Rutschpartie auf Treppenstufen aus Glas
Kurz nach der Einweihung waren die Einheimischen entsetzt, über die Schlussabrechnung. Mit 11,6 Millionen Euro kostete das Brückenbauwerk rund 4,6 Millionen Euro mehr als ursprünglich veranschlagt, wie das Baublatt bereits früher berichtete. Bald stellte es sich zudem heraus, dass die Stahlkonstruktion mit 284 Treppenstufen keine geeignete Einheit von Form und Funktionalität bildeten. Denn von den gläsernen Stufenflächen ging eine latente Verletzungsgefahr aus. Einerseits hielten sie der permanenten Beanspruchung durch die Touristenströme und Einwohnerschaft nur bedingt Stand. Schon bald nach der Einweihung mussten die Glaselemente, denen die Planung eine Nutzungsdauer von 20 Jahren zugeschrieben hatte, hätten ersetzt werden müssen, verschmutzt und abgenutzt.
Andererseits machten Regen und die hohe Luftfeuchtigkeit der mitten in einer Lagune gelegen Stadt den Übergang immer wieder zu einer Rutschpartie, sodass es in der Vergangenheit zu zahlreichen Stürzen kam. Über Jahre kam es zu Schadenersatzklagen und Prozessen. Montierte Warnschilder mahnten zur Vorsicht. Schnee und Eisglätte zogen Komplettsperrungen nach sich, denn Streusalz hätte die Oberfläche der Glasstufen ruinieren können. Gleichwohl dachten die Verantwortlichen immer wieder ans Nachbessern.
Für kurze Zeit trittsicher auf Vulkangestein
Mehr Oberflächenhaftung versprachen teilweise Abdeckungen der Treppenstufen mit dem Vulkangestein Trachyt. Doch auch diese Lösung sollte sich als wenig nachhaltig erweisen, da sich die rutschfesten Steinplatten vom Trägermaterial lösten. Nach der Einweihung 2008 wurde sodann 2013 für 1,8 Millionen Euro eine Gondelbahn realisiert. Personen mit körperlicher Beeinträchtigung konnten in einer Gondel, die seitlich über eine Fahrschiene der Brücke geführt wurde, den Kanal überqueren. Doch bereits kurz nach der Inbetriebnahme stellte es sich heraus, dass die Bahn im praktischen Gebrauch untauglich war, was schliesslich zur Demontage der Konstruktion führte. Für Sanierungs- und Wartungsarbeiten hatte die Stadtverwaltung früher bereits eine halbe Million Euro bereitgestellt. Aufgrund der Erfahrung über Jahrhunderte, welche die Stadt Venedig mit dem Umgang historischer Bausubstanz vorweisen kann, stellt sich allerdings die Frage, warum die Bauherrschaft eine solche Lösung überhaupt ins Auge fasste und schliesslich bewilligte. Dieser Tage wagten laut dem Architekturportal «Archinect» die Verantwortlichen mit dem Beginn der Bauarbeiten einen neuen Versuch, die Brücke endlich sicherer zu machen. (mgt/sts)