Umweltinstitut in Barcelona: Gebäudetechnik mit einem Gewächshaus
Das Gebäude des Umweltforschungsinstituts in Barcelona ist hinsichtlich Energieeffizienz ein Vorzeigebau. Eine Besonderheit ist etwa ein Gewächshaus auf dem Dach, welches direkt mit der Lüftungsanlage verbunden ist und davon profitiert.
Quelle: Alexandra von Ascheraden
Die Fassade reguliert die Temperatur im Inneren selbsttätig. Zwischen Lamellen und Gebäude befindet sich ein Zwischenbereich, der als Wärmepolster fungiert.
Wie muss das Gebäude eines
Umweltforschungsinstituts aussehen, in dem unter anderem die Plastikbelastung
von Meeressand untersucht und zu Umweltgerechtigkeit oder Umweltkonflikten
geforscht wird? An der Universität Autònoma de Barcelona (UAB) hat man ein energieeffizientes
Vorzeigegebäude errichtet, das Büro- und Laborräume für 200 Umweltforscher
bietet.
Beim Bau im Jahr 2014 nahm das Gebäude eine Vorreiterrolle
in Spanien ein. Das Ganze hat acht Millionen Euro gekostet und wurde durch und
durch ökologisch geplant. So kann etwa die Fassade die Beschattung der
Innenräume selbst regeln. Klimatisiert sind im Gebäude zudem nur einige wenige
Laborräume, in denen empfindliche Geräte bestimmte Temperaturen benötigen.
Die Fassade öffnet und schliesst ihre Lamellen automatisch
je nach Temperatur, Luftfeuchtigkeit, Wind oder Sonneneinstrahlung. So entsteht
zwischen Lamellen und Gebäude ein Zwischenbereich mit Temperaturen zwischen 16
und 30 Grad Celsius. Dieser fungiert als Wärmepolster und stellt in den
Arbeitsbereichen eine angenehme Temperatur bereit. Die beiden unterirdischen
Stockwerke für Parkhaus und Lagerräume sind in den Kühl- und Wärmekreislauf
integriert.
Grosse Teile des sechsstöckigen Gebäudes mit zusammen 7200 Quadratmetern bestehen aus Holz. Es gibt keine Zwischen-decken oder technischen Böden – diese wurden bei der Planung als unnötiger Materialverbrauch angesehen. Die Betonstruktur weist hohe thermische Trägheit auf. Die Trockenbausysteme sind reversibel und wiederverwendbar.
Quelle: Alexandra von Ascheraden
Die Fassade öffnet und schliesst ihre Lamellen automatisch je nach Temperatur, Luftfeuchtigkeit, Wind oder Sonneneinstrahlung.
Quelle: Alexandra von Ascheraden
Die Luft aus den Büros dient auch zur Kühlung und Heizung des Gewächshauses.
Lüftung mit Glashaus integriert
Eine besondere Attraktion aber ist das Dach. «Als wir 2014 gebaut haben, war das Europas erstes völlig in die Gebäudetechnik integrierte Dachgewächshaus», zeigt sich Xavier Gabarrell, Leiter des Forschungsinstituts ICTA-UAB (Institut de Ciència i Tecnologia Ambientals) in Barcelona stolz. Zwei Gewächshäuser versorgen die Institutsangehörigen seitdem ganzjährig mit Gemüse und Salat.
Die Gewächshäuser auf dem Dach bieten je 122 Quadratmeter Fläche, von denen etwa 75 Quadratmeter zum Anbau genutzt werden können. Die Energie-, Lüftungs- und Wasserkreisläufe des Bürogebäudes sind mit dem Glashaus integriert. Die nötige Energie wird mit Wärmepumpen gewonnen – Wasser zu Wasser für das Gebäude, Luft zu Luft für das Gewächshaus.
Die CO2-reiche Luft aus den Büroräumen wird ins Gewächshaus geleitet und sorgt für höhere Erträge. Des Weiteren wird sie auch zur Kühlung und Heizung des Gewächshauses eingesetzt. Im Grunde wäre das ganze als Kreislauf gedacht. Nur erlaubt das die spanische Gesetzgebung nicht. Denn die Lüftung für Büroräume darf nur mit Frischluft von aussen gespeist werden. Im Sommer können die Temperaturen in Barcelona aber locker über 35 Grad Celsius steigen.
Dann wird es zu warm für die Tomaten. In diesem Fall kann Luft aus dem Bürogebäude darunter beim Kühlen helfen. Wenn hingegen im Winter die Temperaturen im Gewächshaus auf rund 15 Grad fallen, kann nachts mit Wärme aus dem Bürokomplex geheizt werden. Auf diese Weise kann die Temperatur im Gewächshaus in der für Gemüseanbau in der Mittelmeerregion empfohlenen Spanne zwischen 14 und 26 Grad Celsius gehalten werden.
Quelle: Alexandra von Ascheraden
Auf nur einem Quadratmeter Anbaufläche konnten dank dem sonnigen Klima in Barcelona bis zu 17 Kilogramm Tomaten im Gewächshaus produziert werden.
17 Kilogramm Tomaten
Auf nur einem Quadratmeter Anbaufläche konnten dank Barcelonas sonnigem Klima bis zu 17 Kilogramm Tomaten produziert werden. Das ist ein Kilo mehr als der durchschnittliche Pro-Kopf-Jahresverbrauch in Spanien. Pro Quadratmeter Anbaufläche braucht es dieselbe Fläche, um Regenwasser für die Bewässerung aufzufangen.
Die Regenwasserzisterne im Unter-geschoss des ICTA-Gebäudes nimmt das Regenwasser vom Dach und den befestigten Teilen des Grundstücks auf. Das Wasser dient zur Bewässerung des Gewächshauses und kommt nach Aufbereitung auch in Toiletten und Geschirrspülern zum Einsatz. Trockenurinale, geringe Spülwassermengen, Strahlregler und Sensoren in den Wasserhähnen helfen Wasser sparen. So werde der Wasserverbrauch gegenüber einem vergleichbaren, konventionellen Gebäude um bis zu neunzig Prozent reduziert, lässt die UAB wissen. Abwässer würden durch Pflanzenkläranlagen gereinigt und die festen Anteile als Kompost verwendet.
Hohes CO2-Einsparpotential
Die Forscher haben ausgerechnet, dass ein Kilo Tomaten, das im Gewächshaus produziert wird, 441 Gramm CO2 und zwölf Megajoule Energie einsparen hilft. Die Zahlen basieren auf einem Vergleich des Verbrauchs, den der Anbau und der Transport aus dem spanischen Hauptanbaugebiet Almería in 900 Kilometern Entfernung verursachen.
Die Forscher konnten auch einige ge-läufige Gegenargumente entkräften. Etwa die Befürchtung, dass die Luftverschmutzung in den Städten die angebauten Nahrungsmittel beeinträchtigen könnte. Die Ergebnisse zeigen, dass weder das Gemüse im Gewächshaus auf dem ICTA-Gebäude, noch das bei anderen Anbauversuchen in stark befahrenen Gebieten Barcelonas geerntete Gemüse mit Schwermetallen be-lastet ist. Die Werte von Nickel, Arsen, Kadmium und Blei lagen weit unter den von der Lebensmittelgesetzgebung erlaubten Grenzwerten. Die Gemüse werden allerdings Hors-Sol in einem Perlite-Substrat angebaut. Das schliesst Kontamination durch Schwermetalle aus belasteten Böden aus.
Quelle: Alexandra von Ascheraden
Die CO2-reiche Luft aus den Büroräumen kurbelt im Gewächshaus die Photosynthese an und dient so als «Dünger». Ganz wie im professionellen Gartenbau.
Aussaat im Januar
Wegen des günstigen mediterranen Klimas können bereits im Januar die ersten Tomaten ausgesät werden. «Im Winter nutzen wir das Gewächshaus, um andere Lebensmittel anzubauen, die weniger anspruchsvoll sind als Tomaten», erklärt Gabarrell. So sei auch der Anbau von grünen Bohnen, Mangold, Spinat, Rucola und Salat möglich, da die thermische Trägheit des Ge-bäudes und des Gewächshauses auch im Winter ausreichend hohe Temperaturen für diese Pflanzen biete.
Schätzungen zufolge werden laut der UAB bis 2050 66 Prozent der Weltbevölkerung in städtischen Zentren leben. Die Städter könnten, so die Forscher, durch urbane Landwirtschaft lokales Obst, Gemüse und Kräuter erzeugen, dabei Luftqualität und Temperatur verbessern und die Umweltauswirkungen, etwa durch lange Transportwege, verringern.
Mit dem Ertrag ist Gabarrell mehr als zufrieden. In der Erntezeit können sich alle Mitarbeiter nach Belieben mit Tomaten versorgen. «Wegen der Lebensmittelgesetz-gebung dürfen wir sie nicht verkaufen, da wir nur ein Forschungslabor sind. Aber die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sorgen durch ihren Eigenverbrauch schon dafür, dass nichts verkommt», so Gabarrell.