Tokio: Meditationskabinen für das Getümmel der Megacity
Ein Ort der Meditation mitten in Tokio: Von japanischen Laternen inspirierte, luftige Pavillons sollen in den Wohnquartieren der Megacity gestressten Angestellten als Ruheoasen dienen. Gleichzeitig liessen sich mit den Häuschen temporär kleine Brachen nutzen. Dies ist die Idee eines jungen britischen Architektenteams.
Quelle: Koh Noguchi, Javier Arés und Juan Pablo Lopez Isabella
Die Kabine soll gestressten Angestellten Moment der Einkehr bieten.
In Japan leiden rund 20 Prozent der Arbeitnehmer unter
Stress, Depressionssymptomen und Angstzuständen. Dies geht aus einem Report zur psychischen Gesundheit in
der Arbeitswelt Asiens hervor, den das Beratungsunternehmen McKinsey erstellt hat. Weiter zeigt er, dass die Inselnation
damit zwar unter dem weltweiten Durchschnitt liegt, aber dass die Burnoutrate einiges höher ist: Laut dem Report rangiert sie mit 31 Prozent fünf
Prozentpunkte über dem weltweiten Durchschnitt.
Ausserdem hat die Studie zweier Experten vom Nationalen Institut für psychische Gesundheit respektive vom Nationalen Zentrum für Neurologie und Psychiatrie Japans aus dem Jahr 2011 ergeben, dass 2008 die psychischen Probleme von Angestellten die Wirtschaft konservativ geschätzt rund elf Milliarden Dollar gekostet haben. Dieser Betrag beinhaltet medizinische Behandlungen, depressionsbedingte Selbstmorde und Ausgaben im Zusammenhang mit Arbeitsplätzen.
Parallel zu solchen Entwicklungen schreitet die Digitalisierung Alltag voran. Die zunehmende Nutzung vom Computer bis zum Smartphone kann sich negativ auf die psychische Gesundheit auswirken, sei es wegen Stress im Zusammenhang mit zu viel Zeit auf Social Media oder Schlafstörungen wegen allgemein zu intensiven Bildschirmkonsum.
Ein Hort der Ruhe in der Hektik von Tokio
Von Solchem betroffen dürfte im Besonderen auch die Bevölkerung von Megacities sein. Die internationale Ideenwettbewerbsplattform Buildner.com hat deshalb nach Ideen für kleine Bauten gesucht, in denen müde, ausgelaugte Arbeitnehmer Zuflucht vor dem Getümmel der Stadt und Momente der Ruhe finden können und dazu die „Tokyo Urban Meditation Cabins Competition“ ausgeschrieben. Anforderungen an die „Meditationkabinen“: Sie sollten sich möglichst verschiedenen Orten aufstellen lassen. Die Vorschläge sollten aufzeigen, inwiefern Architektur therapeutisch wirken und wie ein kleiner, ruhiger Raum in einem ansonsten hektischen Umfeld funktionieren kann.
Dazu haben Koh Noguchi, Javier Arés und Juan Pablo Lopez Isabella einen kleinen Pavillon entworfen: eine von der japanischen Zimmermannskunst und traditionellen Laternen inspirierte, luftige Konstruktion aus Holz und einer wasserdichten Plane. Der Pavillon ist gegen oben offen und sorgt laut seinen Schöpfern damit nicht nur für Licht, sondern auch dafür, dass man zum Beispiel bei Regen die Natur wahrnehmen kann aber gleichzeitig von der Umgebung abgeschirmt bleibt.
Kleine Brachen temporär nutzen
„Der japanische Architekt Yoshinobu Ashihara hat 1986 Tokio als ‚Amöben-Stadt‘ beschrieben, eine Stadt, in einem steten Kreislauf von Bauen und abreissen“, erklären die drei in der Dokumentation zum Projekt. „Sie erneuert sich ständig, viele Gebäude sind nicht älter als drei Jahrzehnte.“ Werden Häuser rückgebaut, entstehen in Wohnvierteln kleine, temporär freie Flächen. Und in diesen wiederum sehen die Architekten grosses Potenzial: als Standorte für ihre Pavillons, die „hart arbeitenden Salarymen“, die unterwegs sind oder an einem freien Tag Abschalten möchten, einen Ort der Einkehr bieten.
Ausserdem beziehen sich mit ihrer Idee auf das japanische
Konzept des Oku, bei dem es darum geht, dass jedes umgrenzte Stück Land und selbst eine Stadt ein unsichtbares Zentrum haben. Es geht bei Oku auch um "Innerlichkeit" oder vielmehr Tiefe, allerdings nicht nur in physischer Weise sondern. Es kann auch psychologische Tiefe bezeichnen.
Unter den drei siegreichen Vorschlägen dürfte das Projekt von Koh Noguchi, Javier Arés und Juan Pablo Lopez Isabella das traditionellste sein: „Es konzentriert sich auf das Potenzial der charakterlosen Wohngebiete in Tokio“, sagt Suzuko Yamada, Architektin und Jurymitglied. „Es ist eine sehr japanische Idee, die Verbindung von Innen und Aussen von Fall zu Fall anpassen.“ (mai)
Quelle: Koh Noguchi, Javier Arés und Juan Pablo Lopez Isabella
Die Meditationskabinen sollen auf ungenutzten kleinen Brachen Platz finden.
Quelle: Koh Noguchi, Javier Arés und Juan Pablo Lopez Isabella
Die Kabinen sind von japanischen Laternen inspiriert und gegeben oben offen, sodass man im Innern die Natur, etwa Sonne und Regen spüren kann.
Quelle: Koh Noguchi, Javier Arés und Juan Pablo Lopez Isabella
Als Baumaterial schlagen die Architekten Holz und eine lichtdurchlässige Plane vor.
Quelle: Koh Noguchi, Javier Arés und Juan Pablo Lopez Isabella
Konstruktion.
Quelle: Koh Noguchi, Javier Arés und Juan Pablo Lopez Isabella
Grundriss.
Quelle: Koh Noguchi, Javier Arés und Juan Pablo Lopez Isabella
Plan von kleinen Brachen im Koto-Quartier in Tokio.