„The Line“ in Saudi-Arabien: Eine Stadt wie eine Ader
Saudi-Arabien plant mit „The Line“ eine Stadt, die wenig mit dem Bild einer Stadt zu tun hat, wie man sie kennt. Sie besteht aus einer einzigen Linie und soll eines Tages einer Million Menschen Platz bieten.
Quelle: Neom
Die Natur in Gehdistanz vor der Haustüre: die Wüste bei "The Line".
„The Line“ erscheint zumindest auf den ersten Blick als das Gegenteil einer Stadt: Eine schnurgerade Linie, die sich vom Roten Meer über eine Strecke von 170 Kilometern ins Landesinnere zieht. Wer hier dereinst wohnt, soll in lediglich fünf Minuten beinahe überall sein, egal ob auf der Arbeit, bei Erholung und Freizeit, beim Arzt oder an anderen Orten des täglichen Bedarfs. Und dies nicht mit dem Auto, sondern zu Fuss oder mit dem öffentlichen Verkehr.
„The Line“ ist Teil der künftigen Planstadt Neom, mit der die Region zwischen dem Roten Meer und den Grenzen zu Jordanien und Ägypten erschlossen werden soll: Die sich über eine Fläche von 26‘500 Quadratmeter erstreckende Megacity ist als unabhängige Wirtschaftszone gedacht, mit einem eigenen, im Vergleich zum übrigen Saudi-Arabien liberalen Rechtssystem.
Umstrittenes Gigaprojekt
Neom ist allerdings nicht
unumstritten: Ortsansässige Beduinenstämme, die in dem Gebiet seit Generationen
leben, haben das Nachsehen und müssen ihr Zuhause räumen. Für sie sei in
Neom keinen Platz, meldete die Süddeutsche Zeitung vergangenen Mai. Immer mehr Stammesangehörige setzten sich zur Wehr und lehnten
die Entschädigungssummen der Regierung ab.
Zudem berichtete die saudiarabische Menschenrechtsorganisation Alqst laut der Zeitung von Verhaftungen von Stammesmitgliedern, die sich weigerten ihre Häuser zu verlassen. Ein Mitglied des Al-Huwaitat-Stamms hatte sich in einer Videobotschaft an die Öffentlichkeit gewandt – und dies tags darauf mit dem Leben bezahlt.
„The Line“ – die Stadt der Zukunft
Quelle: Screenshot
Eine Stadt wie eine Linie: "The Line".(Screenshot aus dem Video zum Projekt)
In diesen Tagen ist „The
Line“ nun vorgestellt worden. „In den als am
weitest fortgeschritten angesehenen Städten, verbringen die Menschen aufs Leben
gerechnet Jahre mit Pendeln“, lässt sich Kronprinz Mohammed bin Salman in der
Medienmitteilung zitieren. Bis 2050 werde sich die Dauer der Wege zur Arbeit
verdoppelt haben. Und bis 2050 müsse eine Milliarde Menschen wegen steigender CO2-Emissionen
und erhöhten Meeresspiegels ihr Zuhause verlassen, prognostiziert bin Salman. Solche Entwicklungen könnten laut dem Prinzen Städte wie „The Line“ eindämmen helfen. „Das
Konzept der konventionellen Stadt muss
sich deshalb wandeln.“
Quelle: Neom
So funktioniert der Verkehr in "The Line": Der öffentlichen Verkehr sowie der Warentransport (rechts im Bild) wird unter die Erde verlegt. Lediglich der Fussverkehr ist oberirdisch.
Die Lebensader der Stadt bildet
der öffentliche, unterirdische Verkehr: Dabei handelt es sich um Ultrahochgeschwindigkeitsverkehrsmittel
analog Elon Musks Hyperloop, und um selbstfahrende Transportmöglichkeiten. Allerdings
gelangen nicht nur die Fahrgäste innert weniger Minuten ans Ziel,
sondern auch Waren. Für sie ist eine separate Untergrundstrecke vorgesehen. Lediglich
der Fussverkehr findet oberirdisch statt.
Zudem sollen alle Unternehmen und
Stadtteile entlang der Line hochdigitalisiert und somit auch virtuell
miteinander verbunden werden. Für den nötigen Strom sorgen die einzelnen
Quartiere selbst, nachhaltig, etwa mittels Solar- oder Windenergie. - Dennoch stellt sich die Frage, ob die derart produzierte Energie für die Hightechstadt ausreicht. Nur schon der ÖV dürfte äusserst stromintensiv sein.
Die Bauarbeitens sollen gemäss Medienmitteilung noch dieses Quartal starten: „The Line“ sei eines der komplexesten, anspruchsvollsten Infrastrukturprojekte in der Welt. (mai)
Video zum Projekt auf Youtube.
Video zum Projekt.