Ständerat will Kampf gegen erneuerbare Energieprojekte einschränken
Geht es nach dem Ständerat, soll der Zubau von Wasserkraft-, Solar- und Windanlagen beschleunigt werden: Er will auch die Beschwerderechte gegen solche Projekte beschneiden. Laut der linken Minderheit ist damit eine "rote Linie" überschritten.
Heute Dienstag hat die kleine Kammer als Zweitrat mit der Beratung des sogenannten Beschleunigungserlasses begonnen. Aufgrund von Zeitmangel sind diverse Entscheide auf Donnerstag verschoben worden. Der Ausgang zeichnet sich jedoch bereits jetzt ab: Der bürgerlichen Mehrheit ist es ein Anliegen, dass der Ausbau der erneuerbaren Energien im Inland nicht durch langwierige Planungs- und Bewilligungsverfahren ausgebremst wird. Deshalb sollen diese Verfahren gestrafft und die Rechtsmittel eingedampft werden. Das Volk habe mit dem deutlichen Ja im Juni zum Energie-Mantelerlass dazu grünes Licht gegeben, so der Tenor.
"Das Projekt ist wichtiger als die Ersatzmassnahme"
Vorbehältlich eines Ja zur Vorlage in der Gesamtabstimmung beschloss der Ständerat, dass dem Bau von Energieanlagen zum Opfer fallende Schutzgebiete nicht mehr zwingend ersetzt werden müssen, bevor die Baubewilligung erteilt wird. Neu muss der Projektträger solche sogenannten Ersatzmassnahmen nur finanziell sicherstellen. Der Kanton entscheidet erst danach über deren Standort und deren Ausgestaltung.
Kommissionspräsident Beat Rieder (Mitte/VS) erinnerte daran, dass über den Weg der Ersatzmassnahmen erneuerbare Energieprojekte über Jahrzehnte verzögert worden seien. "Das Projekt ist wichtiger als die Ersatzmassnahme", stellte er klar. Derweil gab Martin Schmid (FDP/GR) zu bedenken, dass Ersatzmassnahmen auch während einer jahrelangen Bauphase definiert werden könnten. "Wir wollen keinen Blockadeerlass." Schliesslich folgte der Rat seiner Kommission in diesem Punkt mit 23 zu 15 Stimmen bei 2 Enthaltungen.
Verwässerung des Umweltschutzrechts?
Laut Céline Vara (Grüne/NE) stellte aus Sicht der Minderheit klar, dass damit eine "rote Linie" überschritten werde. Die Ersatzmassnahmen seien ein "fundamentales und seit Jahrzehnten zentrales Element des Umweltschutzrechts". Der Ersatz von Schutzgebieten müsse vor deren Zerstörung geklärt sein. Auch andere Ratsmitglieder warnten vor einer Verwässerung dieses Artikels. Die Mehrheit der Kantone sei gegen eine Neuregelung, sagte Heidi Z'graggen (Mitte/UR). Die schwierige Aufgabe, Ersatzstandorte für Schutzgebiete zu finden, werde einfach von den Projektleitenden auf die Kantone überwälzt. "Am Schluss haben wir einen prall gefüllten Ausgleichsfonds, ohne konkrete Projekte." Energieminister Albert Rösti verwies darauf, dass mit der Änderung des Artikels zwar eine Beschleunigung der Bewilligungsverfahren einhergehen könnte. "Wir gefährden aber die Mehrheitsfähigkeit der Vorlage."
Mitsprache für Gemeinden bei Enerigeprojekten
Im Ständerat weniger umstritten war die Änderung im Energiegesetz, wonach für Solar- und Windenergieanlagen von nationalem Interesse in einem Eignungsgebiet keine projektbezogene Festsetzung im kantonalen Richtplan mehr erforderlich ist. Das werde heute schon so praktiziert, sagte Bundesrat Rösti dazu. In den beschleunigten Bewilligungsverfahren für Solar- und Windenergieanlagen sollen die Gemeinden gemäss einem weiteren Beschluss des Ständerats mitreden können - sofern das kantonale Recht nichts anderes vorsieht. Hat eine beschwerdeberechtigte Person gegen einen Nutzungsplan keine Rügen erhoben oder sind die Rügen rechtskräftig abgelehnt worden, so darf die Person laut dem Ständerat diese Rügen im Baubewilligungsverfahren nicht mehr vorbringen. Die Rüge der Unangemessenheit ist unzulässig.
Rösti sorgt sich um Energiesystem: "Wir brauchen einen Befreiungsschlag."
Wie in vorangegangenen Debatten zur schweizerischen Energiepolitik stand auch am Dienstag die Abwägung zwischen Umweltschutz und Versorgungssicherheit im Fokus der Debatte. Die Mehrheit argumentierte, dass man sich keinen Stillstand mehr leisten könne.
"Wir müssen vorwärtsmachen", so Damian Müller (FDP/LU). Heute dehnten die Gerichte wegen Rechtsunsicherheit die Schutzbedürfnisse laufend aus, hielt Stefan Engler (Mitte/GR) fest. Martin Schmid (FDP/GR) sprach von einem "Verfahrensdickicht".
Energieminister Rösti sagte, er mache sich Sorgen um das Schweizer Energiesystem. "Wir brauchen einen Befreiungsschlag." Gleichzeitig warnte er davor, die Vorlage zu überladen: "Wenn wir nach einem Referendum nichts haben, hilft uns das wenig." (sda/mai)