Sichtbeton-Anbau: Räumliches Kontinuum
Die Stiftung Roth-Haus bietet betreuungsbedürftigen Erwachsenen Wohn- und Beschäftigungsmöglichkeiten. Den Wettbewerb für den Um- und Anbau des historischen Gebäudes neben dem Kloster Muri gewann das Büro Camponovo Baumgartner Architekten. Das Projekt trägt dem Kontext mit Fingerspitzengefühl Rechnung.
Muri im aargauischen Freiamt, das ist für wenig ortskundige erst einmal das Kloster. Im 18. Jahrhundert die reichste Abtei der Schweiz, hob der Kanton Aargau 1841 das Kloster auf. Die prächtige, vom Barock geprägte Anlage ist heute ein kulturelles Zentrum und beherbergt diverse öffentliche Institutionen und Behörden.
Das «Rote Haus» steht unterhalb der Konventgebäude am Hangfuss, direkt an der Durchgangsstrasse. Es nahm einst die südöstliche Ecke der Klosterummauerung ein. Seine Geschichte geht ins ausgehende 17. Jahrhundert zurück. Damals wurde es unter Abt Plazidus Zurlauben als Kaufhaus errichtet. Es diente später als Kornhaus, Postkutschenstation, Metzgerei mit Wohnteil, Seidenwinderei, Bankfiliale und Verwaltungsbau. 1906 erfolgten massive Eingriffe in die Substanz, das Gebäude erhielt seine bis heute existierende klassizistische Gründerzeit-Fassade und eine Farbgebung, welche ihm die Bezeichnung «Rotes Haus» einbrachte. 1995 / 96 erfolgte der Umbau zum Wohnheim der neu gegründeten Stiftung Roth-Haus.
Zum Bedauern der kantonalen Denkmalpflege wurde das Gebäude damals vollständig ausgekernt. Gleichwohl wird ihm ein
hoher Zeugenwert beigemessen, es wurde von der Denkmalpflege inventarisiert und ist mit dem Erhaltungsziel A auch im Inventar der schützenswerten Ortsbilder der Schweiz (Isos) mit regionaler Bedeutung aufgeführt. Im Zusammenhang mit dem Wettbewerb für den Um- und Anbau wurde das Gebäude, das der Stiftung immerhin ihren Namen gab, prosaisch «Nr. 187» genannt – so, wie es für die Gebäudeversicherung heisst.
Quelle: camponovo baumgartner architekten
Zum Strassenraum hin erscheint der Anbau als dreigeschossiges Gebäude.
Moderate Ausdehnung
Anlass für den Projektwettbewerb in Anlehnung an die Ordnung SIA 142 war die Absicht der Stiftung Roth-Haus, auf der Standortparzelle von «Nr. 187» einen Um- und Anbau zu realisieren. Gesucht wurde ein funktional, wirtschaftlich und gestalterisch überzeugendes Projekt. Der Planungsperimeter betraf die gesamte Parzelle, mit dem freistehenden Bestandesbau in deren Südostecke. Nach Norden und Westen erstreckt sich eine baumbestandene Park- und Parkierungsanlage, an der Nordseite ragt das langgezogene Werkstattgebäude der Stiftung in die Parzelle hinein. Für den Annex wurde im Wettbewerbsprogramm eine Fläche westlich des bestehenden Hauses bestimmt, welche an den Südklosterrain grenzt.
Das Roth-Haus operiert im Rahmen von Leistungsverträgen mit dem kantonalen Departement Bildung, Kultur und Sport. Die Wettbewerbsaufgabe betraf in diesem Kontext die Wohnsituation. Das Wohnheim bietet insgesamt 28 Plätze für Menschen mit schwerer geistiger und oft auch körperlicher Behinderung. Sie sind in drei Achter-Wohngruppen und eine Vierer-Wohngruppe aufgeteilt. Das Betreuungspersonal arbeitet in der Wohngruppe zu dritt. Mit Nachtwachen, medizinischem Tagdienst, Hausdienst, Hauswartung und Sekretariat ergeben sich 40 Vollzeitstellen die auf 70 Personen verteilt sind.
Die Wettbewerbsteams erhielten auf dieser Basis ein Soll-Raumprogramm, das so weit wie bautechnisch und betrieblich zweckmässig im bestehenden Gebäude abzudecken war. Der «Rest» durfte im Annexvolumen untergebracht werden, wobei eine gute Zugänglichkeit vom Bestandesbau erwartet wurde. Dessen Grundrisse liessen sich so weit verändern, als dies die in den 1990er-Jahren neu erstellte Tragstruktur zuliess. Sie hatten optimal funktionierende Wohngruppen zu gewährleisten, sowohl bezüglich des Wohnens im Individual- und Gemeinschaftsbereich als auch in der ständigen Betreuung und Pflege. Es ging somit um eine relativ bescheidene Ausdehnung in das Gelände. Als approximativer Kostenrahmen nannte die Ausschreibung eine Summe von sechs Millionen Franken.
Zur Teilnahme am Projektwettbewerb wurden acht Planungsteams eingeladen, welche beurteilungstaugliche Projekte einreichten. Zwei Finalistenteams erhielten nach den ersten Jurydurchgängen eine Einladung zur Überarbeitung ihrer Eingaben anhand von Anmerkungen, welche unter anderem die Gruppierung und Platzierung der Räume in den Wohngruppen betrafen. Das Verfahren endete mit der einstimmig beschlossenen Empfehlung des Preisgerichts, den ex aequo auf dem ersten Rang platzierten Wettbewerbsbeitrag von der Camponovo Baumgartner Architekten GmbH aus Zürich mit dem Projektnamen «intra muros» zur Weiterbearbeitung auszuwählen.
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