07:07 BAUPROJEKTE

Wird das Sanatorio del Gottardo nun doch zur Wintersport-Akademie?

Geschrieben von: Pascale Boschung (pb)
Teaserbild-Quelle: Gemeinfrei

Das «Sanatorio del Gottardo» oberhalb der Tessiner Gemeinde Quinto könnte nun doch noch zu einer Wintersport-Akademie werden. Das seit Jahren geplante Projekt um die wohl unheimlichste Ruine der Schweiz scheint langsam in Gang zu kommen.

Sanatorio del Gottardo um 1919

Quelle: Gemeinfrei

Aufnahme von 1919: Während rund 57 Jahren wurde das «Sanatorio del Gottardo» bei Quinto TI als Spital genutzt.

Während rund 57 Jahren wurde das am Berghang oberhalb von Quinto gelegene «Sanatorio del Gottardo» als Spital genutzt. In der Blütezeit bestand die Klinik aus einem Hauptgebäude, einem Ärzte- und Waschhaus und diente 1918 während dem Ersten Weltkrieg als Militärspital für verwundete Soldaten.

Nach Kriegsende ging das fünfstöckige Bauwerk dann in den Besitz des Kantons Tessin über und wurde bis in die frühen 1960er-Jahre als «Sanatorio Popolare Cantonale di Piotta» zur Behandlung von Tuberkulosekranken genutzt. im Jahr 1962 stellte man den unrentabel gewordenen Betrieb ein. Seither steht der prachtvolle Jugendstil-Bau leer.

Beliebtheit als «Lost Place»

Heute ist das Gebäude praktisch eine Ruine, die sich die Natur nach und nach zurückerobert. Die Fenster und Eingänge sind grösstenteils mit Brettern verbarrikadiert, um unerwünschte Besucher davon abzuhalten, in die Innenräume zu gelangen. Denn das ehemalige Sanatorium ist in den letzten Jahren in «Lost-Places»-Foren zu einem beliebten Ausflugsziel geworden.

Grund dafür dürfte auch der Umstand sein, dass es in der Schweiz im Vergleich zu anderen Ländern eher wenige verlassene Orte gibt – und diese aus Sicherheitsgründen oft stark abgeriegelt sind. Darüber hinaus bietet das Sanatorium mit seiner stattlichen Grösse und seiner Vergangenheit als Klinik für verwundete Soldaten und Lungenkranke natürlich auch viel Platz für Gruselgeschichten.

Die Faszination für die stillgelegte Klinik am Berg brachte im Internet zahlreiche Videos und Bilder sowie Blog- und Forenbeiträgen hervor. Zwar wurde der schaurigen Atmosphäre teilweise mit gekonnt platzierten Gegenständen nachgeholfen. Die Aufnahmen sind aber auch ohne den Grusel-Faktor schön anzusehen und zeugen von einem vergänglichen Ort, der vor einem halben Jahrhundert noch belebt war.

Unklares Projekt für eine Wintersport-Akademie

Seit mehreren Jahren besteht in Quinto eigentlich ein Bauprojekt, das eine Umnutzung, respektive einen Umbau des «Sanatorio del Gottardo» vorsieht. Denn vor rund sieben Jahren wechselte die Anlage für 750'000 Franken den Besitzer und ging vom Kanton an die Ice Sport International Academy SA über. Hinter der Firma steht der kasachische Unternehmer Timur Azimov.

Laut dem «Corriere del Ticino», wollte dieser die Klinik für rund 40 Millionen Franken in ein Ausbildungszentrum für Wintersport umbauen. Bis zu 320 Schüler sollten hier unterrichtet werden. Neben der Sanierung des alten Gebäudes sah das Projekt auf einer angrenzenden Parzelle zudem einen siebengeschossigen Neubau vor, in dem Studentenzimmer, eine Mensa sowie Turn- und Schwimmhallen Platz finden sollten.

Doch die Bagger fuhren letztlich nie auf. Bis heute hat sich beim Sanatorium nichts getan. Dies trotz dem Umstand, dass seit 2016 eigentlich eine Baugenehmigung der Gemeinde Quinto für die Umbaupläne vorliegt. Diese wurde aufgrund ihres Alters 2021 sogar noch einmal erneuert. Auf Nachfrage des Baublatts vor zwei Jahren konnte die Verwaltung der Tessiner Gemeinde nichts zum Stand des Projekts sagen.

Sanatorium Piotta um 1919

Quelle: Gemeinfrei

Eine historische Aufnahme von 1919 zeigt das Sanatorium (oben links) am Berghang.

Sanatorium del Gottardo bei Quinto im Jahr 2022

Quelle: Sceenshot, Youtube-Video, Robin Imboden

So präsentierte sich die einstige Klinik im Jahr 2022. Im Zuge der geplanten Wintersport-Akademie könnten hier nun dereinst Unterrichtsräume Platz finden.

Wird die Akademie nun doch Realität? 

Nun scheint es aber Bewegung zu geben. Wie der «Corriere del Ticino» Mitte August berichtete, soll die Akademie nun doch Realität werden. Die Kosten haben sich aber verdreifacht: Statt der 40 Millionen dürfte das Projekt nun 120 bis 150 Millionen Franken kosten. Zudem soll neu ein regelrechter Schulcampus entstehen, der Platz für 500 Schüler bietet. Laut der Zeitung sind neben der Akademie in der Umgebung weitere Infrastrukturen geplant.

Die Informationen für die neuerlichen Pläne stammen aus einer Botschaft, die vom Rathaus von Quinto an den Stadtrat weitergeleitet wurde. Darin wird dieser gebeten, einen Kredit von 80'000 Franken für die Ausarbeitung einer Machbarkeitsstudie zur Errichtung eines Sportcampus im «Villaggio Altoleventinese» zu bewilligen. Auf Anregung des Kantons wurde zudem bereits eine erste Vorstudie hinsichtlich planerischer, städtebaulicher und rechtlicher Themen durchgeführt.

Mit der Machbarkeitsstudie sollen nun insbesondere die Einfügung der geplanten Gebäude in die Landschaft, die allfällige Bewertung von Alternativen mit einer Analyse der Risiken und Chancen sowie alle relevanten sektoriellen Aspekte durch Fachleute aus den verschiedenen Bereichen bewertet werden, heisst es im Zeitungsbericht weiter.

Ein Video von Januar 2022 gibt einen Einblick in den Zustand des Sanatoriums. (Quelle: Robin Imboden)

Sanatorium soll Unterrichtsräume beinhalten

Das Akademie-Vorhaben setzt sich aus drei Teilen zusammen. Im Sanatorium sollen Unterrichtsräume eingebaut und auf dem Gelände des Kraftwerks Ritom Wohnheime für die Studenten realisiert werden. Als drittes Projekt war ursprünglich eine Eislaufbahn geplant. Diese fällt nun aber weg, da die Studenten dank einer Zusammenarbeit mit dem HC Ambri-Piotta die bestehende Gotthardo Arena nutzen können.

Rund 100 Arbeitsplätze sollen mit dem Sportcampus in der Region entstehen, berichtet der «Corriere del Ticino». Das Projekt sei deshalb von historischer Bedeutung und würde das Sportangebot im oberen Tal nach der Einweihung der Gottardo Arena vom September 2021 vervollständigenMit der Machbarkeitsstudie rückt das millionenschwere Projekt seiner Realität nun ein kleines Stück näher. 

Die Studie wird laut Aris Tenconi, dem Bürgermeister von Quinto, denn auch für die Bauherren «sehr nützlich» sein. Diese könnten aufgrund der Ergebnisse «fundierte Entscheidungen» treffen. Denn die Arbeit wird laut Tenconi alle planerischen und rechtlichen Aspekte im Allgemeinen untersuchen, bevor die verschiedenen formellen Verfahren eingeleitet werden.

Doch warum nimmt das Projekt, das bereits seit rund sieben Jahren bekannt ist, erst jetzt konkrete Züge an? Laut dem «Corriere del Ticino» habe unter anderem der Ukrainekrieg das Projekt verzögert. Timur Azimov sei nun aber bereit, dem Tal ein modernes Trainingszentrum zu geben. Fortsetzung folgt. 

Postkarte Ambri Piotta 1921 mit Sanatorio del Gottardo

Quelle: Gemeinfrei

Das Sanatorio del Gottardo als Motiv einer Postkarte zu Piotta von 1921.

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Redaktorin Baublatt

Zeichnet, schreibt und kreiert gerne. Themenbereiche: Bauprojekte sowohl international als auch regional, News aus Wissenschaft, Forschung, Technik, Architektur und Design.

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