13:15 BAUPROJEKTE

Die Geschichte des 330 Meter hohen «Hotel of Doom» in Nordkorea

Geschrieben von: Pascale Boschung (pb)
Teaserbild-Quelle: Nicor wikimedia CC BY-SA 3.0

Es sollte eine Machtdemonstration Nordkoreas sein, stattdessen heimste es sich wegen seiner holprigen Baugeschichte den Spitznamen «Hotel of Doom» ein. Das über 300 Meter hohe Ryugyong Hotel feierte 1987 seinen Baustart. Doch ein Hotel sollte es nie werden.

Wie ein riesiger Monolith stellt der protzige Bau in der nordkoreanischen Hauptstadt Pjöngjang mit einer Höhe von rund 330 Metern alle umliegenden Gebäude in den Schatten. Durch seine markante Form, bestehend aus drei schrägen Flügeln, die im Winkel von 75 Grad ansteigen und an der Spitze zusammenlaufen, dominiert der Wolkenkratzer das gesamte Stadtbild. Von weitem sieht der Stahlbeton-Bau durch das spezielle Design wie eine spitzige Pyramide aus. 

Auf der Spitze thront heute eine «Metallkappe» mit 15 Stockwerken, wovon acht um die eigene Achse rotieren können. Ursprünglich als Grandhotel konzipiert, sollte das riesige Bauwerk unter anderem bis zu 3‘000 Zimmer sowie fünf Drehrestaurants beinhalten. Nur zwei Jahre nach dem Spatenstich um 1987 wollte man das auf «Ryugyong» getaufte Hotel – benannt nach einem historischen Namen für Pjöngjang – bereits eröffnen. Doch es kam alles anders. 

Ryugyong sollte Südkorea-Weltrekord überbieten 

Das Projekt war im Grunde ein Resultat der Rivalität im Kalten Krieg zwischen dem von den USA unterstützten Südkorea und dem von der Sowjetunion unterstützten Norden. Nachdem eine südkoreanische Firma 1986 in Singapur mit dem 226 Meter hohen Westin Stamford das damals höchste Hotel der Welt realisierte und sich die Hauptstadt Seoul parallel dazu auf die Olympischen Sommerspiele 1988 vorbereitete, plante Nordkorea eine politische Reaktion auf die Errungenschaften des Südens. 

Als Teil dieser Reaktion fungierte Nordkorea 1989 unter dem damaligen Führer Kim Il-sung als Gastgeber für die 13. Ausgabe der sogenannten Weltfestspiele der Jugend und Studenten (Weltjugendspiele), die in Pjöngjang stattfinden sollten. Vor diesem Hintergrund plante das Land, das gigantische Ryugyong Hotel pünktlich zur Veranstaltung fertigzustellen und Südkorea mit dem Rekord für das höchste Hotel der Welt zu übertrumpfen. 

Ryugyong Hotel in Pjöngjang im Rohbau 2004

Quelle: Timur wikimedia gemeinfrei

So präsentierte sich der riesige Wolkenkratzer 2004: Ohne Fenster und im rauen Betonkleid. Dieses Aussehen brachte dem Bau den Namen «Hotel of Doom» ein.

Aufgrund von Material- und Konstruktionsproblemen wurde der Prestigebau aber nicht rechtzeitig fertig. Die Regierung hatte währenddessen bereits Milliarden für die Weltjugendspiele investiert. Unter anderem wurde ein neues Stadion gebaut, der Flughafen in Pjöngjang ausgebaut und neue Strassen angelegt. Die grossen Investitionen belasteten die schwache Wirtschaft des Staates. Mit dem Zusammenbruch der Sowjetunion fehlten später zusätzliche Finanzhilfen für das Projekt. 

Wolkenkratzer stand 16 Jahre im Rohbau 

Das Ryugyong Hotel erreichte 1992 – fünf Jahre nach Baubeginn – seine geplante Höhe von 330 Metern. Doch lediglich die Aussenkonstruktion war fertiggestellt, als die Bauarbeiten schliesslich aufgrund fehlender finanzieller Mittel eingestellt wurden. Ein Kran, der damals auf der Spitze des Bauwerks installiert war, wurde gleich mit aufgegeben und thronte so lange Zeit als rostiges Symbol für das Scheitern des Projekts inmitten der Hauptstadt des Einsiedlerstaates.

Insgesamt 16 Jahre stand der unvollständige Rohbau unverändert ohne Fenster und in rauem Betonkleid in Pjöngjang. Das klobige Aussehen und die schwierige Baugeschichte brachte dem Ryugyong dann den Spitznamen «Hotel of Doom» (Hotel des Untergangs) ein. 2008 sollte das Gebäude dann aber noch eine zweite Chance erhalten: Der ägyptische Mischkonzern Orascom traf eine 400 Millionen Dollar schwere Vereinbarung mit Nordkorea, um das Ryugyong zu «verschönern». 

Im Zuge der Arbeiten wurde unter anderem der rostige Kran schliesslich entfernt und die gesamte Gebäudefassade für 180 Millionen Dollar mit Glas- und Metallplatten ausgestattet, um es zumindest äusserlich zu vervollständigen. 2011 wurden diese Arbeiten fertiggestellt. 

Ryugyong Hotel in Pjöngjang im Oktober 2010

Quelle: David Stanley flickr CC BY 2.0

16 Jahre lang stand der Wolkenkratzer im Rohbau, bis ihn der ägyptische Mischkonzern Orascom 2008 verglaste.

Zweifel an Statik des Gebäudes 

Die Wiederaufnahme der Bauarbeiten sorgte für Gerüchte. Es wurde spekuliert, ob das Ryugyong nun doch noch eröffnet wird. Eine solide Grundlage dafür bot Ende 2012 die deutsche Luxushotelgruppe Kempinski, die ankündigte, das Hotel im darauffolgenden Jahr unter ihrer Leitung zu eröffnen. Wenige Monate später revidierte die Gruppe ihre Bekanntmachung aber wieder und erklärte, dass ein Markteintritt «derzeit nicht möglich» sei. 

Bereits bestehende Zweifel an der Statik des Wolkenkratzers wurden dadurch noch lauter. So sagte etwa Calvin Chua, ein in Singapur ansässiger Architekt, der den Städtebau in Pjöngjang erforscht und in der Vergangenheit mit Nordkoreanischen Architekten zusammengearbeitet hat, gegenüber «CNN», dass das Gebäude von aussen zwar strukturell solide, im Inneren aber vollkommen anders aussehen könne. 

Der Architekt äusserte die Vermutung, dass das eigentlich Problem beim Ryugyong der Umstand ist, dass es mit Stahlbeton erstellt wurde. Zusätzliche Service- oder Lüftungssysteme für neue Nutzungen müssten gemäss Chua komplett neu erstellt und verkabelt werden, weil das Gebäude ursprünglich nach den Anforderungen erstellt wurde, die in den 80ern galten. Der Gebäudeaufbau ist heute schlichtweg veraltet. 

Ryugyong Hotel in Nordkorea im August 2012

Quelle: Nicor wikimedia CC BY-SA 3.0

Wie ein riesiger Monolith: Der rund 330 Meter hohe Bau in Pjöngjang stellt alle umliegenden Gebäude in den Schatten.

Reklametafel für politische Propaganda 

Die letzte grosse Veränderung erlebte der Wolkenkratzer 2018: Auf seiner gesamten Fassade wurden grossflächig LED installiert. Seither werden auf diesen die Geschichte von Nordkorea und verschiedene politische Parolen abgespielt. Der Kegel auf der Spitze der Konstruktion dient dabei als nordkoreanische Flagge. Damit ist aus dem ursprünglichen Hotelbau nun eine riesige Reklametafel für Propaganda-Zwecke geworden. 

Auf dem Gelände rund um den Bau wurden in den letzten Jahren ausserdem umfangreiche Arbeiten ausgeführt, so dass jeder von weitem zwar zum Haupteingang sehen kann, aber nicht direkt ins Gebäude hinein. Wie es also heute im Inneren der Beton-Pyramide aussieht, weiss niemand so genau. Auch, ob die riesige Konstruktion vielleicht doch noch irgendwann als Hotel die Pforten öffnen wird, ist unklar. 

Einen Rekord scheint das Ryugyong Hotel aber immerhin zu halten: Es soll das höchste, unbewohnte Gebäude der Welt sein.

Ein Video zeigt, wie die Fassade als riesiger Monitor genutzt wird. (Video: Zoe Discovers)

Artikelserie «Planungsleichen»

In dieser Serie stellen wir in loser Folge die Geschichten hinter geplanten Projekten auf der ganzen Welt vor, die schlussendlich gar nicht oder nur teilweise realisiert wurden.

Geschrieben von

Redaktorin Baublatt

Zeichnet, schreibt und kreiert gerne. Themenbereiche: Bauprojekte sowohl international als auch regional, News aus Wissenschaft, Forschung, Technik, Architektur und Design.

E-Mail

Auch interessant

Anzeige

Firmenprofile

Metako AG

Finden Sie über die neuen Firmenprofile bequem und unkompliziert Kontakte zu Handwerkern und Herstellern.

Reports

analyse

Kostenfreie Reports zur Bauindustrie

Jetzt noch mehr inhaltsstarke Quartalsanalysen, kostenlos für Baublatt Abonnent*innen. Neben der Baublatt Analyse, die neu «Baublatt Project Categories» heisst, erhalten Sie ab April 2025 zwei brandneue Reports als Zusatz. Erfahren Sie hier was «Baublatt Top Players» und «Baublatt Regional Projects» zu bieten haben – wie gewohnt digital, prägnant und graphisch auf den Punkt gebracht.

Dossier

Spannendes aus Print und Online für Abonnenten
© James Sullivan, unsplash

Spannendes aus Print und Online für Abonnenten

Dieses Dossier enthält die Artikel aus den letzten Baublatt-Ausgaben sowie Geschichten, die exklusiv auf baublatt.ch erscheinen. Dabei geht es unter anderem um die Baukonjunktur, neue Bauverfahren, Erkenntnisse aus der Forschung, aktuelle Bauprojekte oder um besonders interessante Baustellen.

Bauaufträge

Alle Bauaufträge

Newsletter abonnieren

newsico

Mit dem Baublatt-Newsletter erhalten Sie regelmässig relevante, unabhängige News zu aktuellen Themen der Baubranche.