Prinz Charles plant eine kleine, grüne Öko-Stadt
Südöstlich von London will Prinz Charles ein üppig begrüntes Ökostädtchen bauen. Es ist nicht sein erstes Projekt dieser Art, aber im wörtlichen Sinne wohl sein grünstes.
Quelle: Léon Krier, from the author's records, CC BY-SA 4.0
Der Queen Mother Square in Poundbury: Die Statue stellt die Königin Mutter dar und ist von Prinz Charles im 2017 enthüllt worden.
Mit seinen klassizistisch anmutenden, schlichten Häusern sieht Poundbury im Südwesten Englands auf den ersten Blick wie eine typische englische Kleinstadt aus. Doch damit hat der Ort mit rund 3500 Einwohnern, der eigentlich eine Erweiterung von Dorchester ist, eher wenig tun: Es ist eine 1993 erbaute Modellstadt, für deren Konzept vor allem Prinz Charles verantwortlich ist. Der britische Thronfolger, der sich schon immer für Themen der Architektur und der Nachhaltigkeit interessiert hat, hat dazu mit dem Luxemburger Städteplaner und Architekten Léon Krier zusammengearbeitet und ihn mit der Erstellung von Poundburys Masterplan beauftragt.
Auf Poundbury folgt Nansledan
Dass sowohl der Prinz als auch Krier der Moderne kritisch gegenüber stehen, zeigt die detailliert ausgestaltete Ortschaft augenfällig. Sie wächst übrigens noch immer. 2018 ist die erste Kirche eingeweiht worden, und 2025 soll Poundbury schliesslich ganz fertig gebaut sein. Zwischenzeitlich hat der Prinz noch ein weiteres Projekt in Angriff genommen: Nansledan, östlich von Newquay in Cornwall. Die ersten Bewohner sind 2015 eingezogen. Wenn die Schwester von Poundbury fertig gebaut ist, soll die Bevölkerung in dem Ort auf 4000 angewachsen sein.
Quelle: Upper high street, eigenes Werk, CC BY-SA 4.0,
Nansledan aus der Vogelperspektive.
Obwohl Poundbury von verschiedenen Seiten Kritik einstecken musste, gibt es auch differenziertes Lob. „Wenn Poundbury ein Spiel ist, dann eines, das im Laufe der Zeit sehr viel überzeugender geworden ist“, schrieb Architekturkritiker Oliver Wainwright vor einiger Zeit in der Zeitung „Guardian“. „Jahrelang als feudales Disneyland verspottet, in dem Prinz Charles sich als Planer aufspielen konnte wie es Marie Antoinette mit ihrem Spielzeugdorf in Versailles getan hat, fühlt sich diese vermeintliche Geisterstadt zunehmend wie ein echter Ort an.“ Blicke man hinter die Verkleidung, entdecke man einen Plan, „der die Raffinesse eines modernen Hausbaus bei Weitem“ übertreffe.
Öko-Kleinstadt in der Nähe von London
Ob und wie das jüngste Projekt des Prinzen respektive des Herzogtums Cornwall funktionieren wird, das in diesen Tagen der Öffentlichkeit präsentiert worden ist, muss sich erst noch weisen: Im südöstlich von Londen gelegenen Faversham in der Grafschaft Kent plant Prinz Charles eine Öko-Kleinstadt. Er spannt dafür mit dem Architekten Ben Pentreath zusammen, der den Masterplan liefert, und mit dem Landschaftsarchitekten Kim Wilkie.
Zeichnungen, die veranschaulichen, wie sich seine Hoheit die Siedlung vorstellt, scheinen auf den ersten Blick Cottagecore-Visionen verpflichtet zu sein. Oder vielmehr einem gebauten Traum von Menschen mit Sehnsucht nach ländlicher Idylle: Sie wird von einem Raster aus baumgesäumten Strassen geprägt. Diese wiederum gruppieren sich laut einem Bericht des britischen Architekturnewsportals Architect’s Journal (AJ) um eine zentrale Grünfläche mit einem Cricketplatz und einem Pub.
Unterbrochen wird das Strassenraster von diagonal angelegten Fusswegen, die an Obstwiesen, Gärten und Kleingärten vorbei führen. Zudem ist gemäss AJ eine „Handwerkerstrasse“ geplant, die aus restaurierten Landwirtschaftsgebäuden besteht, in denen Lebensmittel von den umliegenden Bauernhöfen gekauft werden können. Für Lebensqualität sollen zudem grosszügig angelegte Velowege sorgen.
Nachhaltig und umweltfreundlich?
Quelle: Ben Pentreath
Skizze von Ben Pentreath: Grosszügige Grünräume und ein Cricketplatz prägen Prinz Charles' Ökostädtchen.
Insgesamt umfasst die Siedlung 2500 Häuser für unterschiedlichste Einkommensschichten. Des Weiteren soll die neue Ortschaft laut dem Herzogtum ihren künftigen Bewohnern ein breites Spektrum von Wohnformen, Arbeitsplätzen und Dienstleistungen bieten und auf diese Weise das Gemeinschaftsgefühl stärken. Allerdings steckt hinter dieser Bilderbuchfassade mehr: Prinz Charles sieht vor, dass die Stadt ihre Energie zu 100 Prozent über erneuerbare Energiequellen bezieht. So sollen die Dächer der Häuser etwa mit Solarpanels versehen werden. Für die Heizung sind Wärmepumpen geplant. Ladestationen für Elektroautos soll es ebenfalls geben.
Ob all dies tatsächlich nachhaltig ist fragt sich dennoch: Während anderswo verdichtet wird, um Natur und Landschaft zu schonen, scheint sich Prinz Charles‘ Ökostädtchen grossflächig auszubreiten. Würde überall so gebaut, wäre das Land innert kürzester Zeit zersiedelt. Abgesehen davon polarisiert das Bauvorhaben: Im künftig angrenzenden Faversham werfen ihm besorgte und verärgerte Anwohner vor, eine Monstrosität durchzustieren. Zudem versuchen lokale Gruppierungen wie die „Community Planning Alliance“ und „Stop The Destruction Of Kent“ das Projekt zu verhindern.
Läuft alles nach dem Wunsch des Prinzen sollen im nächsten Jahr die detaillierten Pläne für die erste Bauphase für die Baubewilligung eingereicht werden, berichtet AJ. Damit könnten die Arbeiten am Cricketplatz 2023 starten, bevor 2024 oder 2025 die erste Phase der neuen Stadt beginne.