In Südkorea soll die erste schwimmende Stadt entstehen
Nach rund dreijähriger Planung hat das Technologieunternehmen Oceanix seine Pläne für die erste flutsichere und schwimmende Stadt der Welt präsentiert. Diese soll im Hafen von Busan gebaut werden.
Quelle: Oceanix / Bjarke Ingels Group
«Oceanix Busan»: Eine Visualisierung zeigt, wie die erste schwimmende Stadt dereinst aussehen könnte.
Was 1995 im Film «Waterworld» noch ein dystopisches Szenario war, könnte in naher Zukunft bald Wirklichkeit werden: Die Architekturbüros Bjarke Ingels Group (BIG) und Samoo sowie das Technologieunternehmen Oceanix haben nämlich kürzlich ihren Entwurf für die erste klimaresistente schwimmende Stadt vorgestellt.
Anders als im Hollywood-Streifen mit Kevin Costner, in dem die Menschen nach einer ökologischen Katastrophe auf Booten oder schwimmenden Atollen leben, sieht der reelle Entwurf der Architekten vor, dass die Stadtentwicklung auf den Ozean ausgedehnt wird und die Siedlungen künftig auf schwimmenden Plattformen errichtet werden. Das Projekt ist nach Angaben der Entwickler «nachhaltig, widerstandsfähig und hochwassersicher».
Modell für bedrohte Küstenstädte
Das nun vorgestellte Konzept ist das Ergebnis einer dreijährigen Planung. Im April 2019 stellte der dänische Architekt Bjarke Ingels im Rahmen einer ersten Diskussionsrunde über nachhaltige schwimmende Städte am Hauptsitz der Vereinten Nationen in New York das Projekt «Oceanix City» erstmals vor.
Es sah ein von Menschenhand geschaffenes Ökosystem auf dem Meer vor, das für bis zu 10‘000 Einwohner Platz bietet. Mit dem Konzept soll ein Modell für Küstenstädte geschaffen werden, die durch Überschwemmungen und den Anstieg des Meeresspiegels aufgrund des Klimawandels bedroht sind.
Das Architekturbüro geht in seiner Projektbeschreibung davon aus, dass in den kommenden 30 Jahren 90 Prozent der grössten Städte der Welt den ansteigenden Meeren ausgesetzt seien. Philipp Hofmann, CEO von Oceanix, sprach in einer Medienmitteilung zum nun vorliegenden Projekt dann auch von einem «Meilenstein für alle Küstenstädte und Inselstaaten, die an der Front des Klimawandels stehen.»
Erweiterung auf mehr als 20 Plattformen möglich
Aus dem Entwurf, der an der zweiten Diskussionsrunde Ende April präsentiert wurde, geht nun hervor, dass die schwimmende Stadt aus einer Reihe miteinander verbundener Stadtteile bestehen soll. Zunächst soll diese drei Plattformen mit bis zu 12‘000 Bewohnern umfassen. Mit der Zeit könne diese jedoch auf mehr als 20 Plattformen sowie auf mehr als 100‘000 Einwohner erweitert werden.
Quelle: Oceanix / Bjarke Ingels Group
Die drei Plattformen von «Oceanix Busan» von Land aus gesehen.
Gebaut werden soll der Prototyp in der südkoreanischen
Hafenstadt Busan. Sie ist die zweitgrösste Stadt der Republik Korea und eine
der wichtigsten maritimen Städte, was sie zu einem geeigneten Umfeld für den
Einsatz des Prototyps einer schwimmenden Stadt mache, wie es in der Medienmitteilung heisst.
Busan will Expo 2030
Auch Busans Bürgermeister Park Heong-joon lässt sich darin wie folgt
zitieren: «Wir wollen die ersten sein, die diese kühne Idee prototypisieren, da
unsere gemeinsame Zukunft angesichts des Anstiegs des Meeresspiegels auf dem
Spiel steht.»
Der Bürgermeister verfolgt mit dem Projekt sicherlich auch einen etwas eigennützigen Gedanken - hat er sich doch auf die Agenda geschrieben, Busan in eine «grüne, intelligente» Stadt zu verwandeln und eine Bewerbung für die Weltausstellung Expo 2030 einzureichen. Um dabei den Zuschlag zu erhalten, könnte eine schwimmende Stadt als Attraktion sicherlich hilfreich sein.
Verbindung zwischen Stadt und Meer
Die Architekten entwarfen das Projekt standortspezifisch für Busan. So fügten sie Merkmale der Stadt mit ein, damit sich die schwimmende Gemeinde in die bestehende Architektur und Kultur der Stadt einfügen könne. «Oceanix Busan» solle eine Verbindung zwischen der Stadt und dem Meer schaffen und diesen Geist auf das Hafenviertel ausweiten, sagte Architekt Bjarke Ingels.
Via Brücken sollen die schwimmenden Plattformen miteinander sowie mit dem Hafen verbunden werden. Jedes der 30‘000 bis 40‘000 grossen Quartiere werde gemischt genutzt und für einen bestimmten Zweck konzipiert. So werde es ein Quartier zum Wohnen, eines für die Forschung und eines als Unterkunft für Touristen geben.
Für die Wohnplattform sehen die Entwickler zugängliche Wohnmöglichkeiten und Gassen mit lokalen Lebensmittelläden, Kunsthandwerken sowie Bücherläden vor. Die Forschungsplattform soll ein Zentrum für Co-Working und maritime Forschung werden.
Die Unterkunftplattform soll dagegen Gästezimmer mit Hafenblick, Bio-Restaurants und Gewächshäusern anbieten. Das ambitionierte Ziel der Entwickler: «Oceanix Busan soll sich sowohl für die Bewohner wie auch für die Besucher, die sich für einen nachhaltigen Lebensstil begeistern, als ein Zuhause anfühlen.»
Baubeginn bereits 2023
«Oceanix Busan» werde so konzipiert sein, dass es 100 Prozent seiner benötigten Betriebsenergie selbst erzeugen könne. So sollen über lokale Systeme das Wasser aufbereitet, Ressourcen reduziert und recycelt werden und eine «innovative, urbane Landwirtschaft» eine lokale und pflanzliche Ernährung ermöglichen. Die für den Betrieb erforderliche Energie soll durch schwimmende und auf Dächern installierte Photovoltaikanlagen erzeugt werden.
Auf allen Plattformen werde es fussgängerfreundliche Wege geben. Benzinbetriebene Autos wird es auf «Oceanix Busan» keine geben, dafür elektrische, autonome und gemeinsam nutzbare Fahrzeuge. Dadurch wollen die Architekten die Kohlenstoffemissionen reduzieren und einen «gesunden Lebensstil» fördern.
Das Projekt wird im Nordhafen von Busan entstehen und zu Beginn eine Fläche von 6,3 Hektaren umfassen. Der Baubeginn ist gemäss der britischen Zeitung «The Independent» bereits für 2023 vorgesehen.