Neuer Saal für Schauspielhaus Zürich: Kritik aus dem Ausland
Der historische Saal des Zürcher Schauspielhauses soll ganz verschwinden und einem neuen weichen. Die Pläne des Zürcher Stadtrates sorgen für heftige Kritik, auch aus dem Ausland. Theatergrössen wie Katharina Thalbach wehren sich in einem offenen Brief gegen das Bauprojekt.
Quelle: Andreas Praefcke, selbst fotografiert, CC BY 3.0
Bald Vergangenheit? - Der Saal des Schauspielhauses stammt von 1926 und soll vollständig ersetzt werden.
„Mutter Courage“, „Der gute Mensch von Sezuan“ und „Galilei“:
Bertolt Brecht schrieb die Stücke im Exil, während des Nationalsozialismus.
Uraufgeführt worden sind sie am Zürcher Schauspielhaus. Denn wie viele andere den
Nationalsozialisten nicht mehr genehme Autoren war auch Brecht in die
Emigration gegangen, Zürich war eine der Städte, in denen er für einige Zeit
Zuflucht gefunden hatte.
Auch zahlreiche Schauspieler und Regisseure flüchteten in die Schweiz und wurden Teil des Ensembles des Schauspielhauses, das damit zu einem Hort des geistigen Widerstands gegen den Nationalsozialismus avancierte. Legendäre Schauspielerinnen und Schauspieler wie Therese Ghiese, Ernst Ginsberg oder Albert Bassermann verschafften dem damals unbedeutenden Theater einen internationalen Ruf.
Wer heute eine Vorstellung im Schauspielhaus besucht, findet noch den beinahe selben Saal vor wie damals. Rot bespannte Wände, ebenfalls rot bezogene Sessel und etwas goldener Stuck. Geht es nach dem Zürcher Stadtrat ändert sich dies. Ein neuer Saal soll her, weil der ursprüngliche offenbar den gewandelten Anforderungen nicht mehr genügt: Der Saal, die Bühne und das Foyer sollen vollständig entfernt und ersetzt werden. Der Stadtrat erachtet diese Lösung als Beste, im Gegensatz zu den anderen drei Sanierungs- oder Umbauvarianten, die ebenfalls geprüft worden sind und die mehr oder weniger in die Bausubstanz eingreifen. (Mehr dazu im Artikel Zürcher Stadtrat setzt bei Schauspielhaus erneut auf Totalumbau)
Abbruch des Saals ein „unwiderruflicher Akt der Barbarei“
Das Ansinnen sorgt schon länger für Stirnrunzeln und teils heftige Kritik. Aber auch seitens Heimatschutzes, der das Schauspielhaus Zürich auf seiner Roten Liste (https://roteliste.ch) als gefährdetes baukulturelles Objekt führt.
Nun ziehen die Abbrisspläne auch über die Grenzen hinweg Kritik auf sich: Eine Gruppe von Künstlerinnen und Künstlern wehrt sich in einem offenen Brief, den unter anderem Schauspielerin Katharina Thalbach und Schauspieler Matthias Habich und Burghart Klaussner unterzeichnet haben. Ebenso mit von der Partie sind ehemalige Intendanten wie Achim Benning, Gerd Heinz und Gerd Leo Kuck, aber auch etwa die Schweizer Schriftsteller Charles Lewinsky, Reto Hänny und Thomas Hürrlimann
Sie erachten den Totalabriss als „künstlerisch nicht zu vertreten“. Er käme „einem unwiderruflichen Akt der Barbarei“ gleich, heisst es weiter. Und sie widersprechen „aus eigener künstlerischer Erfahrung der Behauptung, der Theaterraum am Pfauen sei für Aufführungen zeitgemässer Produktionen auf höchstem Niveau nicht mehr geeignet“. – Des Weiteren verweisen sie auf die theatergeschichtliche Bedeutung des Schauspielhauses. (mai)