Kernfusion: MIT-Forscher mit neuer Lösung für Kraftwerk
Der Kernfusion zur Energiegewinnung wird grosses Potenzial zugeschrieben. Nun ist einem Forscher-Team des MIT in Zusammenarbeit mit einem Start-up offenbar ein Durchbruch gelungen. Die Erkenntnisse der Grundlagenforschung könnten Anlagen ermöglichen, die viel kleiner sind als der Fusionsreaktor Iter in Südfrankreich. Bis 2025 soll der Bau eines neuartigen Demonstrationsreaktors umgesetzt sein.
Quelle: T. Henderson
Der Fusionsreaktor soll nach dem Hochfeld-Tokamak-Prinzip gebaut werden. Ziel ist es, eine Nettoausbeute an Energie zu erreichen.
Fusionsreaktoren beruhen auf der Methode des magnetischen Plasmaeinschlusses. Um das Fusionsfeuer zünden zu können, muss das Plasma für eine Zeit lang bei Temperaturen von weit über 100 Millionen Grad in der ringförmigen Plasmakammer gehalten werden. Diesen Extrembedingungen kann kein festes Material standhalten. Bei einem Kontakt mit der Wand würde das Plasma zudem sofort auskühlen und die Reaktion schlagartig stoppen. Daher wird das aus Wasserstoffisotopen bestehende Plasma mit einem starken Magnetfeld in der Kammer in der Schwebe gehalten.
Weit stärkeres Magnetfeld als beim Iter
Erzeugt wird das Feld durch supraleitende Elektromagnete. Dabei gilt: Ein stärkeres Magnetfeld bedeutet einen besseren Plasmaeinschluss. Dem Forschungs-Team des Massachusetts Institute of Technology (MIT) ist in Zusammenarbeit mit dem Start-up Commenwealth Fusion System (CFS) nun ein wichtiger Fortschritt gelungen. Wie im «Journal of Plasma Physics» beschrieben, konnte die magnetische Flussdichte auf 20 Tesla erhöht werden. Damit liegt der Wert um acht Tesla höher als beim Iter-Reaktor in Südfrankreich. Bei der Einheit Tesla handelt es sich ein Flächenmass für den magnetischen Fluss, der senkrecht durch ein bestimmtes Element hindurchdringt.
Hochtemperatur- statt Tieftemperatur-Supraleitern verwendet
Den Durchbruch schaffen wollen die MIT-Forscher mit der Verwendung einer neuen Art von supraleitenden Magnetspulen. Konstruiert werden sollen diese aus Hochtemperatur-Supraleitern. Im Gegensatz dazu werden beim Iter-Reaktor in Südfrankreich Tieftemperatur-Supraleitern verwendet.
Quelle: Gretchen Ertl
An den Forschungsaktivitäten, der Konstruktion und Erprobung des Magneten waren 270 Personen des SPARC-Teams beteiligt. Hier wird der Magnet auf dem Prüfstand getestet...
Möglich gemacht haben den neuen Ansatz Fortschritte bei den Materialwissenschaften und der Entwicklung neuer Werkstoffe. Durch die Wahl anderer Komponenten sollen auf viel kleinerem Raum stärkere Magnetfelder erzeugt werden können. Zudem liesse sich die Kühlung einfacher mittels Flüssigstickstoff bewerkstelligen anstatt mit teurem Flüssighelium.
Bau eines Demonstrationsreaktors bis 2025 geplant
Der vom MIT und CFS geplante Reaktor Sparc soll dem Vernehmen nach ein vierzigmal kleineres Volumen aufweisen als die Iter-Anlage. Bis 2025 will das MIT-Team zusammen mit dem Unternehmen CFS den Demonstrationsreaktor bauen. Die Forschergilde beurteilt die Pläne jedoch nicht nur aus zeitlicher Hinsicht als ambitiös.
Auch stellen die immensen physikalischen Kräfte der stärkeren Magnetfelder hohe Anforderungen an die Konstruktion einer Anlage, wenngleich kompakte Bauten dabei vorteilhaft sind. Bekannt ist lediglich, dass ein robustes Metallgerüst die Kräfte in Schach halten soll. Weitere Details über die Baupläne wollen die Wissenschaftler und Ingenieure später bekannt geben.
Nutzung der Wärme zur Stromerzeugung
Bei diesen hohen Temperaturen bilden die voneinander getrennten Elektronen und Atomkerne das elektrisch leitende Plasma. Fusionsreaktionen erfolgen durch den Zusammenstoss schneller Atomkerne. Durch die Verschmelzung von Wasserstoffkernen zu Helium werden energiereiche Neutronen freigesetzt. Anders als bei einem Atomkraftwerk gibt es keine Kettenreaktion von Neutronen. Diese verlassen vielmehr das Magnetfeld und bilden die Energiequelle des Reaktors. Über den Aussenmantel geben die Neutronen ihre Energie als Wärme ab, die zur Stromerzeugung genutzt werden soll.
Quelle: Gretchen Ertl
Gekühlt und mit Strom versorgt soll der supraleitende Magnet Feld mit einer Flussdichte von 20 Tesla erzeugen.
Unerschöpfliche Energiequelle
Wegen der günstigen Umwelt- und Sicherheitseigenschaften könnten Fusionskraftwerke zur künftigen Energieversorgung beitragen. Die Strahlungsbelastung beschränkt sich auf Teile im Innern des Reaktors, die aber im Gegensatz zu radioaktivem Material nach dem Rückbau der Anlage im Verlaufe einiger Generationen auf ein für Mensch und Natur ungefährliches Mass abklingt. Verwendet werden vor allem die Wasserstoffisotope Deuterium und Tritium, die am leichtesten zu einem Helium-Kern verschmolzen werden können, wobei ein Neutron und grosse Mengen nutzbarer Energie entsteht.
Die Ausbeute aus einem Gramm Brennstoff in einem Fusionsreaktor wären 90'000 Kilowattstunden Energie, was der Verbrennungswärme von elf Tonnen Kohle entspricht. Der Brennstoffe Deuterium ist in nahezu unerschöpflichen Mengen im Meerwasser vorhanden. Das seltene Gas Tritium könnte innerhalb des Kraftwerks aus Lithium gewonnen werden. Es ist zwar radioaktiv, hat aber eine Halbwertszeit von nur 12,3 Jahren.
Noch viel Forschung notwendig
Bis ein Fusionsreaktor mehr Energie liefert als in diesen hineingesteckt wird, dürften noch ein, zwei Jahrzehnte der Forschungsarbeit vergehen. Den ringförmigen Reaktor entwickelten russische Wissenschaftler übrigens nach dem Tokamak-Prinzip (russisch für Toroidale Kammer in Magnetspulen). Der T3 wurde 1962 als erster Forschungsfusionsreaktor in Russland gebaut. (mgt/sts)