Fertigelemente zum Wolkenkratzer gestapelt
Die Vorfertigung von Gebäudeteilen ist zwar ein bekanntes Verfahren für die Rationalisierung des Hochbaus. Doch nun treiben Ingenieure in Singapur die Bauweise bei zwei 192 Meter hohen Türmen auf die Spitze. Die Planer versprechen sich mit dem Vorgehen eine beträchtliche Steigerung der Produktivität und tiefere Kosten.
Quelle: ADDP Architects
Rund 3000 sechsseitige Module aus Beton müssen in die Tragstruktur des Gebäudes eingebunden werden.
Die einzelnen Betonmodule werden zuerst in einem Werk in
Malaysia gegossen und nach Singapur transportiert, wo diese für den Einbau
weiter hergerichtet werden und den Finish erhalten. Zum Zeitpunkt ihrer Ankunft
auf der Baustelle sind die sechsseitigen Module zu 80 Prozent fertig gebaut. Nur
noch Türen oder Sonnenschutzgitter werden später hinzugefügt.
Die rund 3000 Einheiten werden danach mit Kränen in Position gebracht und in den Trägerrahmen des Hochhauses eingebunden. Das Projekt entworfen hat das Büro ADDP Architects. "Es ist wie ein Konzept für die Automobilherstellung, aber für die Bauindustrie", sagt Markus Cheng Thuan Hann von ADDP Architects gegenüber CNN.
Behörde fördert Anwendung des Bauverfahrens
In Europa und Amerika war die Idee, durch Vorfertigung den Hochbau zu rationalisieren, vor allem in der Nachkriegszeit von Bedeutung. Stadtplaner empfahlen das Verfahren, um rasch kostengünstigen Wohnraum zur Verfügung stellen zu können.
Mit Fertigelementen wurden aber auch Hochhäuser gebaut, etwa ein 135 Meter hoher Turm in Südlondon oder ein 109 Meter hohes Wohngebäude in New York. Auch in der Schweiz gab es mehrere Unternehmen, die Häuser aus Fertigelementen inklusive Betonteilen herstellten. In den letzten Jahren wurde das Verfahren vor allem im asiatischen Raum zu neuer Blüte entwickelt.
Dass die Türme ausgerechnet in Singapur gebaut werden, kommt nicht von ungefähr. Die Baubehörde des Stadtstaats fördert das PPVC-Verfahren aktiv, für bestimmte Standorte in Singapur gilt seit 2014 sogar die Pflicht zur Vorfertigung. Laut CNN rechnet die Behörde gegenüber herkömmlichen Bauverfahren mit einer Kostenersparnis von rund acht Prozent. Dank der Vorproduktion der Elemente in Fabriken und logistischer Planung sollen mit dem Prefabricated Prefinished Volumetric Construction (PPVC) genannten Verfahren beträchtliche Produktivitätssteigerungen möglich sein.
Quelle: ADDP Architects
Beflanzte "Himmelsterrassen" trennen den oberen und unteren Teil des Hochhauses.
Den bisher höchsten Turm in Singapur überholen
Die beiden Türme der „Avenue South Residences“ mit je 56 Stockwerken werden insgesamt 988 Wohnungen umfassen. Gemäss ADDP Architects ist das Verfahren weniger arbeitsintensiv als die herkömmliche Bauweise. Auch liesse sich die Lärmbelastung reduzieren, was den umliegenden Wohnsiedlungen zu Gute komme. Zudem entstehen weniger Bauabfälle, da laut Hann die Verarbeitung in einer Fabrik besser kontrolliert werden kann. Auch werde auf der Baustelle jeweils weniger Personal benötigt, was im Zusammenhang mit Covid-19 vorteilhaft gewesen sei.
Die beiden Türme sollen im Stadtstaat das 140 Meter hohe Clement Canopy übertreffen, das ebenfalls von ADDP Architects mit vorfabrizierten Elementen konzipiert wurde. Höher soll es laut Architekt Hann mit der Methode aber nicht mehr gehen. Das sei allenfalls erst mit neuen Technologien und unter Ausreizung der Leichtbauweise möglich. Im ersten Quartal 2023 soll der Bau fertiggestellt sein.